OGH 13Os22/22t

OGH13Os22/22t20.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz‑Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Socher in der Strafsache gegen * A* und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * J* und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 3. November 2021, GZ 30 Hv 69/21d-56, sowie die Beschwerde derStaatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Absehen vom Widerruf einer bedingten Entlassung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00022.22T.0420.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten * J* fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * J* des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 12. Juli 2021 in S* zur strafbaren Handlung des * A*, der – soweit hier von Bedeutung – * F* unter Einsatz von Gewalt und gefährlicher Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper (siehe dazu US 9 f, 12 und 18) zur Bezahlung von Geldschulden nötigte, beigetragen (§ 12 dritter Fall StGB), indem er in unmittelbarer Nähe des Tatgeschehens Aufpasserdienste leistete und die von * A* aufgebaute Bedrohungssituation durch seine körperliche Präsenz verstärkte (US 12).

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * J*.

[4] Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung (ON 55 S 51) des Antrags auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Diskretionsfähigkeit oder die Dispositionsfähigkeit des * J* aufgrund der bei einem Verkehrsunfall am 29. März 2015 erlittenen Kopf- und Halswirbelverletzungen derart verzögert gewesen wäre, dass er nicht hätte versuchen können, * A* von der Tatbegehung abzuhalten, sondern erst nach der Tatvollendung in der Lage gewesen wäre, ihm sein Vorgehen vorzuwerfen (ON 55 S 3), keine Verteidigungsrechte verletzt. Eine Bedeutung für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage ließ dieser Antrag nämlich nicht erkennen (siehe aber RIS‑Justiz RS0118444; zu verminderter Zurechnungsfähigkeit vgl auch RIS-Justiz RS0099187 [T5]).

[5] Das den Antrag ergänzende Beschwerdevorbringen hat mit Blick auf das aus dem Wesen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes resultierende Neuerungsverbot auf sich zu beruhen (RIS‑Justiz RS0099618).

[6] Soweit sich die Mängelrüge (Z 5) gegen die Feststellung des Erstgerichts wendet, wonach dem Positionieren in unmittelbarer Nähe des Tatgeschehens eine „Absprache mit dem Erstangeklagten“ (* A*) voranging (US 11), spricht sie keine entscheidende Tatsache an (siehe aber RIS‑Justiz RS0117499).

[7] Die Tatrichter schenkten im Übrigen weder der Verantwortung des * J*, wonach er „von nichts gewusst“ habe und „nur zur falschen Zeit am falschen Ort“ gewesen sei, noch den Angaben des * A*, soweit diese darauf zielten, * J* zu entlasten, Glauben (US 16, 17). Zu einer Erörterung sämtlicher Aussagedetails der Genannten waren sie entsprechend dem Gebot zu gedrängter Darstellung in den Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten (RIS‑Justiz RS0098778 und RS0106295).

[8] Der Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall, nominell verfehlt auch Z 5a) in Bezug auf die Feststellungen des Erstgerichts, wonach sich * J* in unmittelbarer Nähe des Tatgeschehens positioniert habe, um Aufpasserdienste zu leisten und bei Bedarf in das Tatgeschehen einzugreifen, indem er allenfalls selbst tätlich werde (US 11), trifft nicht zu:

[9] Die Angaben der Zeugin * Sch*, wonach * J* – nach der Mitteilung des * A*, er hätte * F* eine „Kopfnuss gegeben“ und ihn mit dem Messer bedroht (ON 55 S 48) – geäußert habe, wenn sie gewusst hätten, dass das passieren werde, wären sie nicht mitgefahren (ON 55 S 49), des Zeugen * F*, wonach * J* zu „Achi“ gesagt habe, er soll ein bisschen „chillen“ (ON 55 S 31), sowie des Zeugen * M*, wonach * J* ihn gegrüßt und nervös gewirkt habe (ON 55 S 40 und 43), stehen nicht im Widerspruch zum Ausspruch über die insoweit relevierten entscheidenden Tatsachen. Auf diese Angaben musste das Erstgericht somit nicht eingehen.

[10] Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) aus den vom Erstgericht angeführten Prämissen, teils unter Verweis auf einzelne Aussagepassagen, teils durch eigene Beweiswerterwägungen, für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlüsse zieht als das Erstgericht oder solche für möglich hält, verfehlt sie den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099674).

[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[12] Über die Berufung und die Beschwerde hat das Oberlandesgericht zu entscheiden (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

[13] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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