OGH 15Os117/21a

OGH15Os117/21a9.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. März 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Medienrechtssache des Antragstellers * L* gegen den Antragsgegner V* wegen § 6 Abs 1 MedienG, AZ 23 Hv 18/19h des Landesgerichts Feldkirch, über den Antrag des Antragsgegners auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung des Antragstellers und der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0150OS00117.21A.0309.000

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

[1] In der Medienrechtssache des Antragstellers * L* gegen den Antragsgegner V* wegen § 6 Abs 1 MedienG wurde Letztgenannter mit dem seit 30. Juli 2019 rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 23. Mai 2019, GZ 23 Hv 18/19h‑18, nach § 6 [Abs 1] MedienG zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags an den Antragsteller * L* verpflichtet und nach § 8a Abs 6 MedienG iVm § 34 MedienG schuldig erkannt, in der Frist und Form des § 13 MedienG den Urteilsspruch auf der Startseite seiner Homepage www.*.at zu veröffentlichen.

[2] Mit Durchsetzungsantrag vom 29. August 2019 beantragte der Antragsteller, dem Antragsgegner wegen der nicht gehörigen Veröffentlichung des Urteils im Zeitraum vom 23. Juli bis 29. August 2019 die Zahlung einer Geldbuße aufzutragen; mit Folgeantrag vom 18. September 2019 begehrte er dies auch für den Zeitraum vom 30. August bis 18. September 2019.

[3] Mit Beschluss vom 24. September 2019, GZ 23 Hv 18/19h‑29, verpflichtete das Landesgericht Feldkirch den Antragsgegner nach dessen Anhörung nach § 20 Abs 1 MedienG „aufgrund der nicht gehörigen Veröffentlichung des Urteils vom 23. Mai 2019 […] gemäß § 8 lit a Abs 6 MedienG iVm § 34 MedienG“ zur Zahlung einer Geldbuße an den Antragsteller iHv 2.850 Euro (und zwar für den Zeitraum [ersichtlich gemeint] vom 23. Juli 2019 bis einschließlich 18. September 2019 [57 Tage á 50 Euro; s BS 2 f iVm BS 7]).

[4] Dagegen erhob der Antragsgegner Beschwerde.

[5] Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 19. November 2019, AZ 6 Bs 272/19d, wurde in teilweiser Stattgebung der Beschwerde dem Antragsgegner die Zahlung von Geldbußen lediglich für den Zeitraum vom 5. August bis einschließlich 18. September 2019 auferlegt und deren Höhe auf 25 Euro pro Tag herabgesetzt (in Summe daher 1.100 Euro [44 Tage á 25 Euro]) sowie der Durchsetzungsantrag des Antragstellers betreffend den Zeitraum vom 23. Juli bis einschließlich 4. August 2019 abgewiesen.

[6] Der Oberste Gerichtshof hob mit Erkenntnis vom 23. Oktober 2020 in Stattgebung einer von der Generalprokuratur erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes den genannten Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck, soweit der Beschwerde nicht stattgegeben wurde, auf und trug dem Oberlandesgericht insoweit die neue Entscheidung über die Beschwerde des Antragsgegners auf (15 Os 42/20w, 43/20t, 96/20m, 97/20h).

[7] Mit Beschluss vom 3. März 2021 gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde des Antragsgegners teilweise Folge und sprach aus, dass dem Antragsgegner V* die Zahlung einer Geldbuße an den Antragsteller * L* lediglich für den Zeitraum von 5. August 2019 bis einschließlich 18. September 2019 auferlegt und deren Höhe auf 25 Euro pro Tag der nicht gehörigen Urteilsveröffentlichung herabgesetzt werde (AZ 6 Bs 272/19d).

[8] Das Oberlandesgericht sprach aus, dass der Veröffentlichungswert der Urteilsveröffentlichung nicht jenem der Primärveröffentlichung entspreche. Die Primärveröffentlichung habe mehrere die Aufmerksamkeit des Lesers erhöhende Merkmale aufgewiesen, wobei neben der Verwendung mehrerer Schriftgrößen und ‑stärken insbesondere drei mittels Anklickens auch in höherer Auflösung darstellbare Lichtbilder und sogar ein Video hervorzuheben seien. Schon weil die vom Antragsgegner im Zeitraum 6. August 2019 [ersichtlich gemeint: 5. August 2019] bis einschließlich 18. September 2019 vorgenommene Urteilsveröffentlichung selbst ebenso wie ihre Verlinkung auf der Startseite – im Gegensatz zur späteren, vom Antragsteller akzeptierten Urteilsveröffentlichung samt „Teaser“ – mit keinem Lichtbild versehen gewesen sei, könne ihr kein gleicher Veröffentlichungswert wie der Primärveröffentlichung zugebilligt werden. Auch der Gesamteindruck der Urteilsveröffentlichung weise keinesfalls die gleiche Publizität wie die Primärveröffentlichung auf (BS 8 ff).

Rechtliche Beurteilung

[9] Gegen diesen Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht brachte der Antragsgegner einen Antrag auf Verfahrenserneuerung gemäß § 363a StPO im erweiterten Anwendungsbereich (RIS‑Justiz RS0122228) iVm § 41 Abs 1 MedienG ein, mit welchem er eine Verletzung im Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK releviert.

[10] Gemäß § 34 Abs 4 iVm § 13 Abs 3 MedienG hat die Veröffentlichung so zu erfolgen, dass ihre Wiedergabe den gleichen Veröffentlichungswert hat wie die Veröffentlichung, auf die sie sich bezieht.

[11] Der – für die Beurteilung, ob die Veröffentlichung „gehörig“ (vgl § 14 Abs 1, § 18 Abs 1 MedienG) erfolgte, grundlegende – Begriff des gleichen Veröffentlichungswerts entzieht sich einer formal‑schematischen Auslegung und ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Es kommt darauf an, ob die Veröffentlichung in ihrem Gesamteindruck die gleiche Publizität aufweist wie die inkriminierten Passagen (RIS‑Justiz RS0132495). Die Bewertung einer Veröffentlichung als gehörig liegt ebenso im – gebundenen – Ermessen der Gerichte wie die Festlegung der Höhe der aufzuerlegenden Geldbuße. Eine Verletzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung ist dann gegeben, wenn die Gerichte den ihnen zukommenden Ermessensspielraum in willkürlicher Weise überschritten haben (15 Os 22/08m).

[12] Entgegen der Ansicht des Erneuerungswerbers entsprach die nach Vornahme einer solchen Einzelfallprüfung erfolgte Schlussfolgerung durch das Oberlandesgericht, die strittige Urteilsveröffentlichung habe in concreto nicht die gleiche Publizität bewirkt, einer gesetzlich vorgesehenen Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung (Art 10 Abs 2 MRK). Das Vorbringen des Erneuerungswerbers, der Urteilsveröffentlichung wäre ein großes schwarzes Paragrafensymbol beigefügt worden, welches im Lichte der Aufmerksamkeitspsychologie überdurchschnittliche Aufmerksamkeit erregt hätte, ein Lichtbild hätte zweifellos weniger Beachtung hervorgerufen, ist nicht geeignet aufzuzeigen, das Oberlandesgericht hätte den Eingriffstatbestand (Art 10 Abs 2 MRK) aufgrund willkürlicher Annahmenals verwirklicht angesehen.

[13] Dass die Höhe der Geldbuße unverhältnismäßig wäre, wird vom Erneuerungswerber bloß behauptet. Es wird aber nicht aufgezeigt, dass sich das Beschwerdegericht nicht mit den sich stellenden Fragen, nämlich Umfang und Auswirkungen der Verbreitung der Tatsachenmitteilung sowie Ausmaß der Verzögerung und Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers, auseinandersetzte. Der Erneuerungsantrag lässt außer Acht, dass vom Oberlandesgericht auch berücksichtigt wurde, dass es sich beim Antragsgegner um einen nicht auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichteten Verein handelt (BS 12 f). Ausgehend davon legte er nicht dar, dass die Entscheidung des Beschwerdegerichts außerhalb des ihm zukommenden Ermessensbereichs liege, sohin als unvertretbar anzusehen sei.

[14] Der Antrag war daher bei nichtöffentlicher Beratung als offenbar unbegründet zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

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