OGH 4Ob190/21a

OGH4Ob190/21a23.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi als Vorsitzenden und die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka, Dr. Faber sowie Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* K*, vertreten durch Dr. Josef Kattner, Rechtsanwalt in Amstetten, gegen die beklagte Partei N* GmbH, *, vertreten durch Mag. Hannes Huber und Dr. Georg Lugert, Rechtsanwälte in Melk, wegen Unterlassung und Wiederherstellung über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 23. Juni 2021, GZ 21 R 86/21m‑8, womit das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Melk vom 22. Februar 2021, GZ 12 C 788/20s‑3, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00190.21A.0223.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR (darin 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Das Erstgericht trug der Beklagten mittels Versäumungsurteils auf, es zu unterlassen, Abbaggerungs- und Erdarbeiten im Bereich des Grundstücks des Klägers sowie Erd-, Abbaggerungsarbeiten und sonstige Maßnahmen auf dem Grundstück der Beklagten durchzuführen, die zu einer Lockerung sowie zum Abrutschen von Bestandteilen des Grundstücks des Klägers führen, sowie ähnliche Einwirkungen auf sein Grundstück zu unterlassen (Spruchpunkt 1a), binnen 14 Tagen den ursprünglichen Zustand hinsichtlich des Grundstücks des Klägers in der Weise wiederherzustellen, dass Abrutschungen und Lockerungen von Bestandteilen des klägerischen Grundstücks unterbunden sind und die Befahrbarkeit des Weges im südlichen Bereich seines Grundstücks mit Zugmaschinen, Fahrzeugen aller Art und landwirtschaftlichen Geräten gewährleistet ist (Spruchpunkt 1b), sowie ab sofort vom Grundstück der Beklagten ausgehende Einwirkungen durch Strahlung von Licht auf das Grundstück des Klägers, insbesondere auf die auf diesem Grundstück befindlichen Gebäude, zu unterlassen (Spruchpunkt 2).

[2] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung zu den Spruchpunkten 1a und 1b mit Teilurteil und hob im Übrigen das erstgerichtliche Versäumungsurteil auf und trug dem Erstgericht insoweit eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die ordentliche Revision gegen das Teilurteil ließ es zu, weil in der höchstgerichtlichen Judikatur nicht ausreichend geklärt erscheine, ob im Anwendungsbereich des § 364b ABGB ein Begehren auf Herstellung der erforderlichen Stütze oder genügenden Befestigung – unter Angabe des herbeizuführenden Erfolgs – ausreiche und die Rechtsprechung, wonach ein Begehren auf Vornahme bestimmter Maßnahmen unzulässig sei und dem Beklagten vielmehr die Wahl einer geeigneten Maßnahme zustehen müsse, analog fruchtbar gemacht werden könne.

[3] Die Beklagte macht mit ihrer – vom Kläger beantworteten – Revision im Wesentlichen die Unbestimmtheit des Klagebegehrens geltend. Damit zeigt sie jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSv § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Zunächst ist festzuhalten, dass hinsichtlich des Werts des Entscheidungsgegenstands die den Gegenstand des berufungsgerichtlichen Teilurteils bildenden Ansprüche zusammenzurechnen sind. Die Ansprüche zu 1a 1. Fall (Abbaggern auf dem Grundstück des Klägers) und 1a 2. Fall (Abbaggern auf dem Grundstück der Beklagten) stützen sich auf dieselbe Eingriffshandlung, nämlich auf das Abgraben des klägerischen Grundstücks im Grenzbereich der Liegenschaften der Streitteile (RS0042766, vgl auch RS0110012). Das gilt auch für den Anspruch auf Wiederherstellung. Eine absolute Unzulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 2 ZPO, wie der Kläger in der Revisionsbeantwortung behauptet, ist daher nicht gegeben.

[5] 2.1. Eine jeden Zweifel und jede objektive Ungewissheit ausschließende Präzisierung des Klagebegehrens ist nur bei Geldleistungsklagen zu verlangen; bei anderen Klagen ist dem Erfordernis des § 226 ZPO hinsichtlich der Bestimmtheit des Klagebegehrens jedenfalls dann genüge getan, wenn man unter Berücksichtigung des Sprachgebrauchs und Ortsgebrauchs und nach den Regeln des Verkehrs daraus entnehmen kann, was begehrt ist (RS0037874). Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Klagebegehrens zu stellen sind, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0037874 [T39]), wobei nur grobe Fehlbeurteilungen erhebliche Rechtsfragen aufwerfen können.

[6] 2.2. Die Bestimmtheit ist für Leistungsklagen schon deshalb erforderlich, weil das Urteil für die anschließende Exekution einen hinreichend bestimmten Exekutionstitel bilden muss. Ist die Beschreibung der geschuldeten Leistung genau möglich, muss das Begehren eine solche enthalten. Ist dies nicht der Fall, so ist entscheidendes Kriterium für die Beurteilung, ob die gewählte Bezeichnung der geschuldeten Leistung für eine Exekutionsführung ausreicht, dass in einer für Gericht und Parteien unverwechselbaren Weise feststeht, was geschuldet ist (RS0119807).

[7] 3.1. In der vorliegenden Klage wurden mehrere Begehren formuliert, die sich auf verschiedene Gesetzesgrundlagen stützen, und zwar auf § 523 ABGB im Zusammenhang mit dem Abbaggern auf dem Grundstück des Klägers und auf § 364b ABGB im Zusammenhang mit dem Abbaggern auf dem Grundstück der Beklagten.

[8] 3.2. Zum ersten Begehren betreffend die Unterlassung des direkten Eingriffs auf das Grundstück des Klägers erachtete das Berufungsgericht den Ausdruck „im Bereich des Grundstücks [des Klägers]“ für ausreichend, weil damit eindeutig geklärt sei, dass es sich dabei um das Verbot des Abbaggerns auf dem gesamten Grundstück des Klägers handle. Dabei unterlief dem Berufungsgericht keine Überschreitung seines Ermessensspielraums, denn aus dem Gesamtkontext des Spruchpunkts 1a ergibt sich eindeutig, dass es sich um die Unterlassung des Abgrabens des Grundstücks des Klägers im (gesamten) Grenzbereich mit jenem der Beklagten handelt, und zwar durch direkte Einwirkung (Fall 1 zu Spruchpunkt 1a) sowie durch indirekte Einwirkung mittels Abbaggerungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück (Fall 2 zu Spruchpunkt 1a). In einer Gesamtschau des Spruchpunkts 1a wird deutlich, dass der Kläger einerseits Eingriffe in sein eigenes Grundstück und andererseits Maßnahmen auf dem Grundstück der Beklagten, die zur Lockerung bzw zum Abrutschen von Teilen seines Grundstücks führen, unterbinden möchte.

[9] 3.3. Auch zum zweiten Unterlassungsbegehren (Abbaggerungsarbeiten auf dem Beklagtengrundstück) hat das Berufungsgericht vertretbar dessen ausreichende Bestimmtheit angenommen. Das Begehren richtet sich nämlich nicht auf die Unterlassung sämtlicher Erd- und Abbaggerungsarbeiten, sondern von solchen, die zu einer Lockerung sowie zum Abrutschen von Bestandteilen des klägerischen Grundstücks führen. Die Art, wie dies zu geschehen hat, bleibt der Beklagten überlassen (vgl RS0004649; 9 Ob 48/12t).

[10] 3.4. Dasselbe gilt für das Wiederherstellungsbegehren zu Spruchpunkt 1b. Die vom Berufungsgericht angenommene hinlängliche Bestimmbarkeit der begehrten Verpflichtung zur Wiederherstellung der Stabilität ist mit der ständigen Rechtsprechung, dass die in einem Exekutionstitel enthaltene Verpflichtung zur Vornahme aller zu einem bestimmten Zweck notwendigen Handlungen hinlänglich bestimmt ist, wenn sich deren Umfang abgrenzen lässt (RS0000534), in Einklang zu bringen, weil hier konkret begehrt wird, den ursprünglichen Zustand des klägerischen Grundstücks in der Weise wiederherzustellen, dass Abrutschungen und Lockerungen von Grundstücksbestandteilen unterbunden sind und die Befahrbarkeit des Wegs mit konkret genannten Fahrzeugen gewährleistet ist. Die vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob im Anwendungsbereich des § 364b ABGB ein Begehren auf Vornahme bestimmter Maßnahmen unzulässig sei, stellt sich hier nicht, weil der Kläger sein Begehren ohnehin auf einen Erfolg, nämlich die Wiederherstellung des Grundstücks, gerichtet hat und gerade keine konkreten Maßnahmen oder Einrichtungen begehrt.

[11] 4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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