OGH 4Ob88/21a

OGH4Ob88/21a23.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Matzka, Dr. Faber und Mag. Istjan, LL.M., als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Y*, vertreten durch die Gibel Zirm Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wider die beklagten Parteien 1. F*‑Privatstiftung *, vertreten durch Beck & Dörnhöfer & Partner Rechtsanwälte in Eisenstadt, 2. Marktgemeinde *, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung (Gesamtstreitwert 35.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 14. Jänner 2021, GZ 13 R 105/20v‑48, womit das Urteil des Bezirksgerichts Eisenstadt vom 27. April 2020, GZ 2 C 873/19h‑40, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00088.21A.0223.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die im Revisionsverfahren nachträglich erstatteten Schriftsätze der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei jeweils vom 2. Juli 2021 werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit jeweils 2.197,80 EUR (darin 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der klagende Verein ist Unterbestandnehmer eines Areals, auf dem er einen Yachtclub betreibt. Die erstbeklagte Privatstiftung ist die Liegenschaftseigentümerin, deren Rechtsvorgänger das Areal sowie weitere Flächen der zweitbeklagten Gemeinde mit einem als Pachtvertrag bezeichneten Bestandvertrag ab 1. 1. 1969 bis 31. 12. 2018 in Bestand gegeben hatte; der Zweitbeklagten war darin weiters ein Vorpachtrecht eingeräumt worden.

[2] 1970 schloss die Zweitbeklagte mit dem (erst nach Abschluss des Pachtvertrags geplanten und gegründeten) Kläger einen als Subpachtvertrag bezeichneten Unterbestandvertrag auf unbestimmte Zeit, beginnend am 1. 1. 1971, der unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zu jedem Kalenderjahresende gekündigt werden konnte; die Zweitbeklagte verzichtete auf ihr Kündigungsrecht, solange ihr Pachtvertrag oder ein sinngemäß gleiches Abkommen mit dem Grundeigentümer aufrecht war.

[3] Aus Zweckmäßigkeitsgründen vereinbarten die Streitteile in der Folge, dass der Kläger ab 1. 1. 1977 den Bestandzins mit schuldbefreiender Wirkung an die Erstbeklagte bezahlt; die Zweitbeklagte erklärte sich unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs mit dieser Vorgangsweise einverstanden. 1979 wurde vereinbart, dass der Kläger für eine tatsächlich größere in Bestand genommene Fläche als angenommen einen Ergänzungsbeitrag von 30.000 ATS zu zahlen hat; die Zweitbeklagte war auch in diese Vereinbarung eingebunden und mit dieser einverstanden. Durch diese Verrechnungsvereinbarungen sollte nach dem Willen aller Beteiligten kein direktes Bestandverhältnis zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten begründet werden. Erst im Jahr 2003 und zu einem späteren, nicht feststellbaren Zeitpunkt, fragte der Kläger bei der Erstbeklagten an, ob auch ein direktes Vertragsverhältnis begründet werden könne, was die Erstbeklagte jedoch stets ablehnte. Erstmals am 27. 11. 2018 erklärte der Kläger, von einem direkten Vertragsverhältnis zwischen ihm und der Erstbeklagten auszugehen, was er mit den direkten Vorschreibungen der letzten Jahrzehnte begründete.

[4] Da Gespräche zwischen den Beklagten über die Fortsetzung des Bestandvertrags über den 31. 12. 2018 hinaus erfolglos blieben, insbesondere weil die Zweitbeklagte anstehende notwendige Investitionen zur Sanierung der Seebadanlage nicht tragen konnte, schlossen sie 2018 eine Vereinbarung, mit der das damals von beiden Beklagten gewollte Vertragsende zum 31. 12. 2018 anerkannt wurde und sich die Zweitbeklagte bis längstens zu diesem Termin zur Räumung verpflichtete. Die Beklagten bezweckten mit dieser Vereinbarung nicht, den Kläger zu schädigen. Die Erstbeklagte beabsichtigt, auf dem derzeit vom Kläger benützten Areal Lodges für Feriengäste zu errichten und zu betreiben. Mit dem Bau hätte bereits im Frühjahr 2019 begonnen werden sollen.

[5] Am 15. 1. 2019 schlossen die Beklagten einen prätorischen Vergleich, mit dem sich die Zweitbeklagte unter Verzicht auf jeglichen Räumungsaufschub zur Räumung der von ihr in Bestand genommenen Flächen verpflichtete. Dieser prätorische Vergleich wurde abgeschlossen, um eine exekutive Räumung aller Unterbestandnehmer zu erreichen, es sollte ein Exekutionstitel für alle von der Zweitbeklagten in Bestand genommenen Teilflächen geschaffen werden; er wurde weder zum Schein noch in der alleinigen Absicht geschlossen, den Kläger zu schädigen.

[6] Der Kläger begehrt zusammengefasst,

- festzustellen, der prätorische Vergleich und die 2018 geschlossenen Verträge seien absolut nichtig, hilfsweise unwirksam;

- festzustellen, er sei in die Rechtsposition der Zweitbeklagten gegenüber der Erstbeklagten eingetreten;

‑ in eventu den prätorischen Vergleich und die 2018 geschlossenen Verträge für unwirksam zu erklären;

‑ hilfsweise den Beklagten zu verbieten, ihm gegenüber Rechtshandlungen jeglicher Art aufgrund des prätorischen Vergleichs oder der 2018 geschlossenen Verträge zu setzen.

[7] Die Vorinstanzen wiesen sämtliche Begehren ab, weil sie ein eigenes Benützungsrecht des Klägers gegenüber der Erstbeklagten, kollusives Zusammenwirken und Schädigungsabsicht der Beklagten zum Nachteil des Klägers sowie ein Scheingeschäft verneinten und dem prätorischen Räumungsvergleich Wirkung zuerkannten. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung zur Anwendung mietrechtlichen Kündigungsschutzes auf Bestandverhältnisse von Sportvereinen über Sportanlagen fehle. Damit zeigt das Berufungsgericht jedoch keine erhebliche Rechtsfrage auf. Da auch der Kläger in seiner Revision das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu begründen vermag, ist sein Rechtsmittel entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[8] 1. Vorauszuschicken ist, dass der Erstbeklagten als Betreibende gegen die Zweitbeklagte als Verpflichtete aufgrund des prätorischen Vergleichs bereits 2019 die zwangsweise Räumung jener Flächen, auf denen sich der Yachtclub des Klägers befindet, sowie die Exekution gemäß § 353 EO zur Entfernung der darauf errichteten Gebäude bewilligt wurden, was unbekämpft blieb.

[9] Die vom Kläger in der Folge gegen die (hier erstbeklagte) Betreibende angestrengte Exszindierungsklage, die bewilligten Exekutionen für unzulässig zu erklären, wurde rechtskräftig abgewiesen: Der ordentlichen Revision des (hier wie dort) Klägers wurde vom Obersten Gerichtshof mit Urteil vom 20. 5. 2021, 3 Ob 71/21v, auf Grundlage deckungsgleicher Sachverhaltsfeststellungen zur vom dortigen Berufungsgericht gleich wie hier formulierten Zulassungsfrage sowie in Beantwortung der (auf mehr als achtzig Seiten) weitgehend wortidenten Revision des Klägers mit ausführlicher Begründung nicht Folge gegeben.

[10] 2. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt dann nicht vor, wenn die aufgezeigte Frage im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits beantwortet wurde (vgl RS0112921, RS0112769).

[11] In der genannten Entscheidung 3 Ob 71/21v hat der Oberste Gerichtshof zusammengefasst das Folgende ausgeführt (im Folgenden Pkte 2.1. bis 2.9.):

[12] 2.1. Vom Bestandgeber gegen den Hauptbestandnehmer erwirkte Gerichtsentscheidungen, die das Bestehen oder die Auflösung des Hauptbestandverhältnisses betreffen, sind nach § 568 ZPO auch gegenüber dem Unterbestandnehmer wirksam und vollstreckbar, was auch für einen Räumungsvergleich der Parteien des Hauptbestandvertrags gilt. Der Untermieter kann daher im Fall der Beendigung des Hauptmietverhältnisses nur gegenüber seinem Vertragspartner erfolgreich das aufrechte Untermietverhältnis einwenden, nicht aber dann, wenn er vom Eigentümer nach Beendigung des Hauptmietverhältnisses auf Räumung in Anspruch genommen wird. Das Argument der Nichteinhaltung der Verfahrensgarantien nach Art 6 EMRK gegenüber dem Unterbestandnehmergilt für die Einwände des Unterbestandnehmers, die außerhalb der Wirkungserstreckung des § 568 ZPO liegen, die er aber – im konkreten Fall erfolglos – mit Exszindierungsklage unter Wahrung aller Verfahrensgarantien geltend machen konnte. Die Möglichkeit der Titelschaffung im Wege einer Räumungsklage gegen den Unterbestandnehmer wegen titelloser Benützung kommt nach Auflösung des Bestandvertrags in Betracht, weil erst ab diesem Zeitpunkt der Unterbestandnehmer sein vom Hauptbestandnehmer abgeleitetes Gebrauchsrecht der Räumungsklage des Eigentümers nicht mehr entgegenhalten kann, was aber nichts an der Wirkungserstreckung nach § 568 ZPO ändert.

[13] 2.2. Kollusives Zusammenwirken der Beklagten liegt nicht vor, weil die einvernehmliche Auflösung des Hauptbestandvertrags nicht zum Zweck erfolgte, den Kläger zu schädigen, sondern nach den Feststellungen zu legitimen Zwecken.

[14] 2.3. Die in das Gebiet der Tatsachenfeststellung fallende Frage, ob ein Scheinvertrag vorliegt, ist ebenso zu verneinen wie die Frage, ob die dem Räumungsvergleich zugrunde liegenden Willenserklärungen nicht dem wahren Willen der Vergleichsparteien entsprochen haben; die Tatsacheninstanzen haben ausdrücklich festgestellt, dass der Räumungsvergleich nicht bloß zum Schein abgeschlossen wurde.

[15] 2.4. Verletzt der Hauptbestandnehmer vertragliche oder gesetzliche Verständigungspflichten, so würde dies nichts an der in § 568 ZPO angeordneten Rechtsfolge ändern.

[16] 2.5. Ein direktes Vertragsverhältnis zwischen Kläger und Erstbeklagter konnte bei Vertragsschluss mangels Existenz des Klägers und sollte nach dem festgestellten übereinstimmenden Willen aller Beteiligten auch später gerade nicht begründet werden.

[17] 2.6. Rechtsmissbrauch durch Zuwiderhandeln gegen das eigene Vertragsverhalten liegt nicht vor, zumal dem Kläger die 50‑jährige Vertragsdauer von Anfang an bekannt war und vorgenommene Investitionen nach dieser langen Zeit vertretbar als amortisiert anzusehen sind.

[18] 2.7. Ein das der Zweitbeklagten eingeräumte Vorpachtrecht auslösender Vorgang, der Abschluss eines (neuen) Pachtvertrags zwischen dem Vorpachtbelasteten und einem Dritten, hat nicht stattgefunden. Auf einen Zwang zur Fortsetzung des Pachtvertrags kann sich der Kläger nicht berufen.

[19] 2.8. Die vom Berufungsgericht nunmehr als erheblich qualifizierte Rechtsfrage nach der Anwendbarkeit mietrechtlichen Kündigungsschutzes auf Bestandverhältnisse von Sportvereinen über Sportanlagen ist angesichts eines Räumung betreibenden Liegenschaftseigentümers nicht entscheidungswesentlich. Nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien des Hauptbestandvertrags wurde dieser einvernehmlich aufgelöst, was selbst bei einem Kündigungsbeschränkungen unterliegenden Bestandverhältnis zulässig wäre.

[20] 2.9. Die materiell‑rechtliche Verpflichtung der Zweitbeklagten ergibt sich aus dem Exekutionstitel, also aus dem Räumungsvergleich, die in Bestand genommenen Flächen bis 31. 12. 2018 zu räumen und geräumt von sämtlichen Fahrnissen und darauf errichteten Gebäuden an die Erstbeklagte zu übergeben. Diese titulierte Verpflichtung hängt nicht davon ab, ob und wie der betreibende Gläubiger die Kosten einer allenfalls erforderlichen Ersatzvornahme geltend macht.

[21] 3. Insgesamt stellen sich im vorliegenden Einzelfall weder in Ansehung der vom Berufungsgericht formulierten Zulassungsfrage noch zu den vom Kläger aufgeworfenen rechtlichen Aspekten des Sachverhalts noch Rechtsfragen, die vom Obersten Gerichtshof nicht bereits beantwortet worden wären. Die Ansicht der Vorinstanzen, die behaupteten Ansprüche des Klägers hätten keine tragfähige Grundlage, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

[22] 4. Jeder Partei steht grundsätzlich nur eine einzige Rechtsmittel‑(gegen‑)schrift zu; weitere Rechtsmittelschriftsätze sind – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – unzulässig und daher zurückzuweisen (vgl RS0041666).

[23] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

[24] Der in den Vorinstanzen ausgesprochene Kostenvorbehalt steht einer Kostenentscheidung im – hier vorliegenden – Zwischenstreit über die Zulässigkeit der Revision nicht entgegen (vgl RS0129365 [T3]).

[25] Der Ansatz TP 3C für den Revisionsgegenstand von 35.000 EUR beträgt 1.219,60 EUR. Streitgenossenzuschlag (§ 15 RATG) steht nicht zu, da die Beklagtenvertreter jeweils mehrere Personen weder vertraten noch solchen gegenüberstanden.

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