European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:010OBS00001.22B.0222.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Dienstnehmerin der klagenden Rechtsanwaltskanzlei konsumierte am Abend des 25. 10. 2019 Wein und Bier, bevor sie sich in ein Lokal begab, in dem sie nur mehr Wodka zu sich nahm. Als sie vom Hochtisch, an dem sie Platz genommen hatte, aufstehen wollte, stürzte sie über eine Stufe und zog sich dabei eine Verletzung am Sprunggelenk zu, die operativ versorgt werden musste, wobei bei der präoperativen Laborkontrolle ein Blutalkoholwert von 1,99 Promille festgestellt wurde.
[2] Mit Bescheid vom 17. 4. 2020 lehnte die beklagte Allgemeine Unfallversicherungsanstalt den Antrag der Klägerin vom 9. 1. 2020 auf Zuschuss nach Entgeltfortzahlung für die Arbeitsverhinderung von 26. 10. 2019 bis 6. 1. 2020 ab.
[3] Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin 2.727,40 EUR sA an Zuschuss für die ihrer Dienstnehmerin geleistete Entgeltfortzahlung.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, weil die Dienstverhinderung aufgrund des übermäßigen Alkoholkonsums grob fahrlässig herbeigeführt worden sei.
Rechtliche Beurteilung
[5] In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[6] 1. Gemäß § 53b Abs 1 ASVG können den Dienstgebern Zuschüsse aus Mitteln der Unfallversicherung zur teilweisen Vergütung des Aufwands für die Entgeltfortzahlung einschließlich allfälliger Sonderzahlungen im Sinne des § 3 EFZG oder vergleichbarer österreichischer Rechtsvorschriften geleistet werden. Dass ein Zuschuss nach § 53b Abs 1 ASVG nur gebührt, wenn ein Anspruch des Dienstnehmers auf Entgeltfortzahlung bestanden hat, wird von der Klägerin in der Revision nicht in Frage gestellt.
[7] 2. Sowohl nach § 2 Abs 5 EFZG als auch nach § 8 Abs 1 AngGbehält der Dienstnehmer seinen Entgeltanspruch, wenn er durch Krankheit oder Unglücksfall an der Leistung seiner Dienste verhindert ist, ohne dass er die Verhinderung vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Daraus folgt, dass dem Dienstnehmer keine Entgeltfortzahlung zusteht, wenn die Dienstverhinderung auf einem grob fahrlässigen Verhalten beruht.
[8] 3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegtgrobe Fahrlässigkeit vor, wenn sich das Verhalten über alltäglich vorkommende Sorglosigkeiten erheblich und ungewöhnlich heraushebt, sodass der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich voraussehbar ist (RS0030359; RS0030477; RS0030644). Ob ein Verhalten im Einzelfall den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründet, ist keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0042764; RS0087606).
[9] 4. Entgegen dem Verständnis der Revisionswerberin kann aus den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht abgeleitet werden, dass jeder, der in seiner Freizeit Alkohol konsumiert, den Verlust seines Entgeltfortzahlungsanspruchs befürchten müsste. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach der übermäßige Alkoholkonsum der Dienstnehmerin der Klägerin grob fahrlässig war, weil es der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, dass ein Blutalkoholwert von 1,99 Promille zu massiven Koordinations- und Konzentrationsstörungen führt, hält sich an die Grundsätze der Rechtsprechung zur groben Fahrlässigkeit.
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