European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00100.21W.0222.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Die Frage, ob im Einzelfall ausgehend von den konkreten Feststellungen das Verhalten des Arbeitnehmers einen Entlassungsgrund verwirklicht, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0106298 [T8]).
[2] Nach den Feststellungen ließ der Kläger, der als ärztlicher Leiter eines von der Beklagten zur Behandlung und Betreuung Suchtkranker betriebenen Ambulatoriums beschäftigt war, im Februar 2020 in einem Behandlungsgespräch gegenüber einer Patientin Bemerkungen fallen, die diese als sexuell anzüglich empfand. Er berührte sie auch unangekündigt im Schulter- und Nackenbereich, was für sie unangenehm war. Der Kläger verfolgte mit diesen Bemerkungen und Berührungen eine über den Behandlungszweck hinausgehende Annäherung an die Patientin. Die Patientin ersuchte daraufhin ihre Beraterin, sie einer anderen Behandlungseinrichtung zuzuweisen, weil sie sich sexuell belästigt fühlte. Nachdem der Vorfall der Beklagten zur Kenntnis gelangt war, entließ sie den Kläger am 18. 5. 2020.
[3] Der Kläger zieht die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG schon aufgrund dieses Vorfalls gerechtfertigt war, mit dem Hinweis in Zweifel, dass der Wortlaut der vom Kläger der Patientin gegenüber getätigten Bemerkungen nicht festgestellt werden konnte. Er meint, dies schlage zu Lasten der für den Entlassungsgrund beweispflichtigen Beklagten aus. Dabei lässt er allerdings die positiven Feststellungen zu seinen grenzüberschreitenden Handlungen sowie zu deren Intention und Wirkung auf die Patientin außer Acht, auf die die Vorinstanzen ihre rechtliche Beurteilung gründeten; der Kläger wurde auch davor schon einmal wegen einer massiven sexuellen Belästigung verwarnt.
[4] 2. Im Übrigen stößt sich der Kläger daran, dass das Erstgericht seinen Feststellungen die „von dritter Seite geschilderten subjektiven Wahrnehmungen einer suchtkranken Patientin“ zugrunde gelegt habe.
[5] Bereits das Berufungsgericht hat darauf verwiesen, dass Beweise vom Hörensagen (Zeugenaussagen über die Wahrnehmungen eines Dritten) nicht generell unzulässig sind. Welcher Beweiswert derartigen bloß mittelbaren Beweisergebnissen zuzubilligen ist, ist ausschließlich Domäne der im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof keiner weiteren Überprüfung unterliegenden Beweiswürdigung (RS0114723 [T2]).
[6] Die insbesondere auch unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens getätigten Ausführungen des Klägers in diesem Zusammenhang stellen bloß den unzulässigen und damit unbeachtlichen Versuch dar, die Feststellungen und die Beweiswürdigung in dritter Instanz zu bekämpfen.
[7] 3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.
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