OGH 8ObA70/21h

OGH8ObA70/21h17.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk(aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid(aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W* H*, MSc, *, vertreten durch burkowski & gallistl Rechtsanwälte (GesbR) in Linz, gegen die beklagte Partei F* GmbH, *, vertreten durch Hawel Eypeltauer Gigleitner Huber & Partner Rechtsanwälte in Linz, wegen 207.833,29 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8. September 2021, GZ 12 Ra 83/21v‑16, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00070.21H.1217.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte betreibt eine Fachhochschule. Ihr Lehrpersonal besteht aus etwa 310 Personen, von denen etwa 280 L2‑Dienstverträge (Fachhochschulprofessoren) und etwa 30 L1‑Dienstverträge (Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren) nach der Dienstordnung der Beklagten vom 12. 12. 2002 haben. Auf ihre Angestellten ist kein Kollektivvertrag anwendbar.

[2] Der Kläger ist – mit Ausnahme gewisser Zeiträume (Väterkarenz, Sabbatical) – seit 1. 2. 2007 bei der Beklagten als Assistenzprofessor in der Lehre für einen Fachhochschulstudiengang mit der Einstufung L1 beschäftigt. Er ist überwiegend in der Lehre tätig. Er leistet – wie im Dienstvertrag vorgesehen – mindestens 420 Lehreinheiten pro Jahr.

[3] In einem vom Angestelltenbetriebsrat der Beklagten eingeleiteten Verfahren nach § 54 Abs 1 ASGG wurde festgestellt, dass die Assistenten der Lehre und Assistenzprofessoren der Beklagten in die Verwendungsgruppe L2 der Dienstordnung vom 12. 12. 2002 einzustufen sind (9 ObA 89/20h).

[4] Die Vorinstanzen gaben dem Begehren des Klägers auf Zahlung der Entgeltdifferenzen, die sich aus einer höheren Einstufung in L2 ergeben, übereinstimmend dem Grunde nach statt.

[5] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der Umstand, dass gegen die Beklagte insgesamt eine Vielzahl von Verfahren aufgrund gleichartiger Ansprüche anhängig gemacht wurden, kann für sich allein die Revisionszulässigkeit nicht begründen (RIS‑Justiz RS0042816 [T3, T5]).

[7] Die Entscheidungen der Vorinstanzen stützen sich auf die Auslegung des zwischen den Streitteilen geschlossenen Arbeitsvertrags. Fragen der Vertragsauslegung hängen aber grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls ab und es kommt ihnen, soweit sie – wie hier – mit den Grundsätzen der Lehre und Rechtsprechung im Einklang steht, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RS0042776).

[8] Die Beklagte macht geltend, ihre Dienstordnung sei als bloße Vertragsschablone anzusehen, zu deren Verwendung sie nicht verpflichtet sei. Sie habe mit allen Assistenten, darunter auch dem Kläger, zulässig eine davon abweichende Vereinbarung getroffen. Die im Dienstvertrag enthaltenen Verweise auf die Dienstordnung seien nur als Hinweis auf das dort zu findende Gehaltsschema L1 zu verstehen. Es gehe nicht an, entgegen dem Wortlaut des Dienstvertrags die Vereinbarung der Einstufung in L1 in eine solche in L2 umzudeuten.

[9] Diesen Ausführungen steht insbesondere entgegen, dass der Kläger nach seinem Dienstvertrag nicht „abweichend von den Bestimmungen der FH‑DO“, sondern „entsprechend den Bestimmungen der FH‑DO“ in die Verwendungsgruppe L1 eingestuft wurde. Der Dienstvertrag enthält zudem die Generalklausel, dass „die Bestimmungen der FH‑DO in der jeweils gültigen Fassung“ „als Bestandteil des Dienstvertrags“ gelten, „sofern dies im Dienstvertrag nicht ausdrücklich anderes geregelt ist“.

[10] Davon ausgehend entspricht die bekämpfte Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der objektive Erklärungswert der Verweise auf die FH‑DO bedeute für einen redlichen Empfänger die Anwendung (auch) der Einreihungskriterien ihres Gehaltsschemas und gerade nicht deren Ausschluss, der nunmehr ständigen Rechtsprechung (vgl 9 ObA 120/21v; 9 ObA 125/21d ua).

[11] Da die Revision der Beklagten insoweit keine korrekturbedürftige Vertragsauslegung durch die Vorinstanzen aufzeigt, ist sie mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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