OGH 5Ob222/21i

OGH5Ob222/21i16.12.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann, die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Außerstreitsache der Antragstellerin E*, vertreten durch Dr. Klaus Michael Plätzer, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegnerin B*, vertreten durch Dr. Peter Böck, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wegen Landpacht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den (Sach‑)Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 9. September 2021, GZ 13 R 61/21z‑113, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00222.21I.1216.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 12 Z 8 LPG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, die in der Natur einen landwirtschaftlichen Gutsbetrieb bildet und eine Fläche von 501 ha 79 a 87 m² aufweist. Die Antragstellerin pachtete diese Liegenschaft, wobei der Pachtzins im ursprünglichen Vertrag 192 EUR pro ha Pachtfläche zuzüglich USt betrug. Das ursprüngliche Pachtverhältnis wurde für die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen und begann mit 1. 10. 2008. Die Antragsgegnerin räumte der Antragstellerin ein mit dem Ende dieses Pachtverhältnisses befristetes Vorpachtrecht ein. Noch vor Ende des Pachtverhältnisses mit 30. 9. 2018 schloss die Antragsgegnerin mit einem Dritten einen Pachtvertrag über diese Liegenschaften ab, der eine Vertragslaufzeit von 3 Jahren und einen Pachtzins von 780 EUR pro ha vorsah. Mit Schreiben vom 19. 6. 2018 erklärte die Antragstellerin, von ihrem Vorpachtrecht Gebrauch zu machen und mit der Antragsgegnerin einen Vertrag zu den selben Bedingungen abzuschließen. Dieses Pachtverhältnis begann am 1. 10. 2018 und endete nach dem Vertragsinhalt mit 30. 9. 2021.

[2] Die Antragstellerin begehrte (unter anderem), den Pachtzins gemäß § 11 LPG ab dem auf die Antragstellung folgenden Zinstermin auf den angemessenen Betrag zu mindern und die vereinbarte Pachtdauer mit 10 Jahren beginnend mit 1. 10. 2018 festzusetzen; in eventu, die Pachtdauer des Vertrags um drei Jahre, bis zum 30. 9. 2024 zu verlängern.

[3] Das Erstgericht wies mit seinem Teilsachbeschluss das Hauptbegehren, die im Pachtvertrag vereinbarte Pachtdauer mit zehn Jahren festzusetzen, ab und verlängerte die Pachtdauer des Vertrags um drei Jahre bis 30. 9. 2024.

[4] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die von der Antragsgegnerin gewünschte Einrechnung der Dauer des vorangegangenen Pachtvertrags in die Richtpachtzeit des § 5 LPG scheide aus, weil von zwei selbständigen Vertragsverhältnissen auszugehen sei. Die längerfristige Nutzung sei allenfalls bei der Interessensabwägung des § 6 LPG zu berücksichtigen.Die Antragsgegnerin habe den neuen Pachtvertrag zu für sie günstigeren Bedingungen abgeschlossen, insbesondere was die Höhe des Pachtentgelts anlange, sodass keineswegs von einer bloßen „Verlängerung“ des ursprünglichen Pachtvertrags aus 2008 ausgegangen werden könne. Die nach § 6 Abs 1 LPG vorzunehmende Interessensabwägung spreche für die vom Erstgericht ausgesprochene Verlängerung des Pachtverhältnisses um drei Jahre.

Rechtliche Beurteilung

[5] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsgegnerin, die darin keine Rechtsfragen von der Bedeutung des § 62 Abs 1 AußStrG aufzeigen kann:

[6] 1.1 Das LPG gewährt dem Pächter eines vorwiegend zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachteten Grundstücks (vgl § 1 Abs 1 LPG) bei Überwiegen seiner Interessen einen Anspruch auf gerichtliche Verlängerung der Dauer des Landpachtvertrags (§ 6 LPG). Eine solche Verlängerung ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Landpachtvertrag auf bestimmte Zeit abgeschlossen wurde, die der maßgeblichen Richtpachtzeit entspricht oder diese übersteigt (§ 6 Abs 3 LPG; vgl auch Mildner in Böhm/Pletzer/Spruzina/Stabentheiner, GeKo Wohnrecht I § 6 LPG Rz 9), und zwar selbst dann, wenn die Interessensabwägung zugunsten des Pächters ausfallen würde (RV 1216 BlgNR 21. GP  9).

[7] 1.2 Im Revisionsrekursverfahren ist nicht strittig, dass im vorliegenden Fall nach § 5 Abs 1 Z 2 LPG die Richtpachtzeit von 10 Jahre zum Tragen kommt. Die Revisionsrekurswerberin steht jedoch auf dem Standpunkt, bereits die im ursprünglichen Vertrag vereinbarte Vertragsdauer habe der Richtpachtzeit entsprochen; da lediglich eine Verlängerung des ersten Pachtverhältnisses vorliege, scheide eine gerichtlich angeordnete Verlängerung der Pachtzeit aus.

[8] 1.3 Richtig ist, dass eine Verlängerung der Dauer eines Landpachtvertrags durch Richterspruch nicht in Betracht kommt, wenn der Pachtvertrag zunächst auf die Richtpachtzeit abgeschlossen und in der Folge (einvernehmlich) verlängert wurde (Würth in Rummel II² § 6 LPG Rz 2; Norer/Holzer, Jahrbuch Agrarrecht 2011, 177 ff [192]). Das ist hier aber nicht der Fall, weil nicht ein bestehendes Vertragsverhältnis prolongiert wurde, sondern die Antragstellerin von dem ihr vertraglich eingeräumten Vorpachtrecht Gebrauch gemacht hat. Ein solches Rechtgibt dem Berechtigten die Möglichkeit, im Fall der Verpachtung an eine dritte Person an deren Stelle in den Vertrag einzutreten. Erst durch die nach Anbot der Einlösung fristgerecht abgegebene Erklärung, von seinem Vorpachtrecht Gebrauch zu machen, tritt der Vorpachtberechtigte in den zwischen dem Belasteten und dem Dritten abgeschlossenen Pachtvertrag ein (RIS‑Justiz RS0020374; 3 Ob 71/21v).

[9] 2.1 Voraussetzung für die Ausübung des Vorpachtrechts durch die Antragstellerin war daher zunächst der Abschluss eines Pachtvertrags der Antragsgegnerin mit dem Dritten, dessen Bedingungen sie inhaltsgleich zu übernehmen hatte, wollte sie ihr Recht erfolgreich ausüben. Indem sich die Antragstellerin bereit erklärte, den mit dem Dritten ausgehandelten Vertrag inhaltsgleich zu übernehmen, kann von einer bloßen Verlängerung ihres ursprünglich mit der Antragsgegnerin bestehenden Vertragsverhältnisses keine Rede sein. Dass die Vorinstanzen von der Begründung eines neuen Landpachtvertrags ausgegangen sind, begründet damit keine Fehlbeurteilung, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifen wäre.

[10] 2.2 Es trifft zu, dass nach § 5 Abs 2 LPG die Zeiten des Vormanns im Falle des Eintritts in den Landpachtvertrag nach § 1116a ABGB in die Richtpachtzeiten des Absatz 1 leg cit einzurechnen sind. Damit wird jedoch lediglich Selbstverständliches betont, weil beim Eintritt eines Erben auf Seiten des Pächters ein einheitliches Pachtverhältnis vorliegt (vgl Würth aaO § 5 LPG Rz 4). Dass die Zeiten selbständiger Landpachtverhältnisse zusammenzurechnen wären, worauf die Antragsgegnerin im Ergebnis abzielt, kann daraus nicht abgeleitet werden.

[11] 2.3 § 6 Abs 3 LPG stellt seinem Wortlaut nach ausschließlich auf den zu verlängernden Landpachtvertrag sowie die darin vereinbarte Dauer des Pachtverhältnisses ab und hat damit das konkrete Vertragsverhältnis vor Augen. Das Gesetz selbst kennt die Berücksichtigung der Dauer zweier oder mehrerer aneinandergereihter Landpachtverträge mit einem im Wesentlichen gleichen Inhalt zwar in der Übergangsregelung für langjährige Landpachtverträge, um deren Mindestdauer von 10 Jahren zum Stichtag 1. 7. 1969 zu ermitteln (§ 16 Abs 3 LPG; vgl auch Ryschawy, Das neue Landpachtgesetz, ImmZ 1970, 179 ff [183]). Die in dieser Sonderregelung angeordnete Zusammenrechnung von Pachtzeiten zielt aber ausschließlich auf die Ermittlung der nach dem Gesetz – was die Möglichkeit der gerichtlichen Verlängerung des Vertragsverhältnisses anlangt – privilegierten (langjährigen) Landpachtverhältnisse ab. Das Gesetz unterscheidet daher nach seiner Systematik zwischen Verträgen, die in den Anwendungsbereich der Übergangsbestimmung des § 16 LPG fallen, und solchen, für die das Regime des § 6 LPG uneingeschränkt gilt. Nur für den Anwendungsbereich des § 16 Abs 1 LPG ordnet das Gesetz die Zusammenrechnung der Dauer von Verträgen mit einem im Wesentlichen gleichen Inhalt an. Als Spezialnorm ist § 16 Abs 3 LPG auch auf eine Fortsetzung der ununterbrochenen Kette von Landpachtverträgen nach dem Stichtag des § 16 Abs 1 LPG anzuwenden, um dem Schutzzweck der Sonderregelung des § 16 LPG zu entsprechen (6 Ob 685/89). Der Gesetzgeber hat die Zusammenrechnung von Pachtzeiten ihrem Zweck nach auf die besonderen Zielsetzungen des § 16 LPG beschränkt. Außerhalb des Schutzzwecks dieser Sondernorm scheidet eine derartige Zusammenrechnung nach dem insoweit klaren Gesetzeszweck damit aus (vgl RS0042656). Dass die Vorinstanzen eine Einrechnung von Zeiten aus bloß im Wesentlichen gleichartigen Verträgen in die Richtpachtzeiten des § 5 Abs 1 LPG abgelehnt haben, ist damit nicht zu beanstanden.

[12] 3.1 Dass die Zeiten des § 5 Abs 1 LPG als Durchschnittswert auch bei der Interessensabwägung des § 6 LPG zu berücksichtigen sind, wird auch in der Literatur vertreten (Würth aaO § 5 LPG Rz 5). Dem hat das Rekursgericht entsprochen, indem es den Umstand, dass der Antragstellerin auch die Zeiten des ursprünglichen Landpachtverhältnisses zur Verfügung standen, in seine Beurteilung einfließen ließ.

[13] 3.2 Ob die Interessen des Pächters an einer Vertragsverlängerung jene der Verpächterin an seiner Beendigung überwiegen, hängt von den jeweiligen Umständen des zu beurteilenden Falles ab, denen grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0114811).

[14] 3.3 Der Anspruch auf Verlängerung eines Landpachtvertrags setzt voraus, dass die Interessen des Pächters an der Fortsetzung des Pachtvertrags überwiegen. Schon die Gleichwertigkeit der Interessen schließt eine Verlängerung aus (RS0114811; Holzer/Jilch/Wilfinger, Pachten und Verpachten in Österreich4 70). Dass die zweite Instanz das ihr bei Beurteilung dieser Frage eingeräumte Ermessen überschritten hätte, kann die Antragsgegnerin aber schon deshalb nicht darlegen, weil sie in keiner Weise zu erkennen gibt, welche eigenen Interessen gegen die Verpachtung an die Antragstellerin sprechen. Soweit sie in dritter Instanz erneut geltend macht, die Antragstellerin würde die Pachtflächen nicht selbst bewirtschaften, wiederholt sie eine unzulässige Neuerung aus dem Rekursverfahren. Darüber hinaus hat ihr das Rekursgericht der Vollständigkeit halber ohnedies erläutert, warum diese Behauptung unzutreffend ist.

[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG iVm § 12 Z 8 LPG).

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