OGH 8Ob128/21p

OGH8Ob128/21p29.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*, vertreten durch Kosesnik‑Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei H* AG, *, vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, aus Anlass der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. August 2021, GZ 3 R 17/21y‑16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 14. Jänner 2021, GZ 22 Cg 8/20p‑12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00128.21P.1129.000

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof wird bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über den vom Obersten Gerichtshof am 19. 8. 2021 zu 5 Ob 66/21y gestellten Antrag auf Vorabentscheidung unterbrochen.

Nach Einlangen der Vorabentscheidung wird das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] Gegenstand des Verbandsverfahrens 5 Ob 66/21y ist die Zulässigkeit einer Klausel, die für die von dem dort beklagten Kreditinstitut mit Verbrauchern geschlossenen Immobilienkreditverträge klarstellt, dass bei vorzeitiger Darlehensrückzahlung „die laufzeitunabhängigen Bearbeitungsspesen nicht – auch nicht anteilig – rückerstattet werden“. Der Oberste Gerichtshof hat in dem Verfahren dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„Ist Artikel 25 Abs 1 der Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr 1093/2010 dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorsieht, dass sich im Fall der Ausübung des Rechts des Kreditnehmers, den Kreditbetrag vor Ablauf der bedungenen Zeit zum Teil oder zur Gänze zurückzuzahlen, die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen und die von der Laufzeit abhängigen Kosten verhältnismäßig verringern, während es für laufzeitunabhängige Kosten an einer entsprechenden Regelung fehlt?“

[2] Nach den Ausführungen des 5. Senats könne eine Auslegung des Art 25 Abs 1 WIKrRL nicht ausgeschlossen werden, dass damit für den Bereich der Immobilienkredite kein Ermäßigungsrecht in Bezug auf laufzeitunabhängige Kosten angeordnet werden sollte.

[3] Im vorliegenden Verbandsverfahren ist eine dem Parallelverfahren ganz ähnliche Klausel zu beurteilen. Die hier beklagte Bank legt im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern den von ihr geschlossenen Hypothekar- und Immobilienkreditverträgen nämlich folgende Bedingung zugrunde:

„Alle einmaligen Kosten/Entgelte sind laufzeitunabhängig und werden bei vorzeitiger Rückzahlung nicht rückerstattet.“

[4] Nach dem Standpunkt des klagenden Vereins ist diese Klausel (ebenso wie die Klausel im Parallelverfahren) unzulässig, weil entsprechend dem Unionsrecht alle Kosten eines Hypothekarkredits, also sowohl die laufzeitabhängigen als auch die laufzeitunabhängigen Kosten, zu mäßigen seien. Auch hier stellt sich die Frage nach der Auslegung des Art 25 Abs 1 WIKrRL.

[5] Der Oberste Gerichtshof geht daher von einer Relevanz der Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs auch für das vorliegende Verfahren aus. Aus prozessökonomischen Gründen ist dieses Verfahren daher zu unterbrechen (RIS‑Justiz RS0110583).

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