OGH 12Os125/21f

OGH12Os125/21f18.11.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Kontr. Gsellmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen * N* wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 30 Hv 18/20h des Landesgerichts Ried im Innkreis, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil des genannten Gerichts als Jugendschöffengericht vom 23. Juni 2020, GZ 30 Hv 18/20h‑34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Schneider LL.M., und des Verteidigers Mag. Hametner zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133282

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Jugendschöffengericht vom 23. Juni 2020, GZ 30 Hv 18/20h‑34, verletzt

1./ in seinem Ausspruch über den Verfall von durch die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswerten im Ausmaß von 90.225,17 Euro § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm §§ 19 Abs 2, 5 Z 6a JGG,

2./ in seinem Ausspruch über die Einziehung von „Suchtgiftutensilien“ (Pos 2 bis 4 und 6 bis 9 in ON 30) § 26 Abs 1 und 2 erster Satz StGB.

Das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch über den Verfall im Umfang der „Vermögenswerte im Ausmaß von 90.225,17 Euro“ sowie im Einziehungserkenntnis betreffend „Pos. 2 zwei Schnupfröhrchen (silber und gold)“, „Pos. 3 Briefchen mit geringen Mengen weißem Pulver (vermtl Kokain)“, „Pos. 4 Briefchen mit Anhaftungen (vermtl Heroin)“, „Pos. 6 Verpackung Fentanyl Pflaster“, „Pos. 7 leeres Klemmsäckchen mit Anhaftungen“, „Pos. 8 Plastikdose mit Kristallen ubk Herkunft“ sowie „Pos. 9 iPhone-Schachtel mit Inhalt unbenutzte Klemmsäckchen“ aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Ried im Innkreis verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Jugendschöffengericht vom 23. Juni 2020, GZ 30 Hv 18/20h‑34, wurde der im Tatzeitraum junge Erwachsene * N* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (I./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er – soweit im Folgenden von Relevanz (I./) – von Februar 2019 bis Februar 2020 in S*, K* und andernorts vorschriftwidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar 1.134 Gramm Crystal Meth, enthaltend 76,7 % Methamphetamin, im Urteil namentlich genannten Personen überwiegend durch gewinnbringenden Verkauf zu einem Preis von 80 bis 90 Euro pro Gramm überlassen.

[3] Weiters erklärte das erkennende Gericht „gemäß § 20 Abs 1 StGB“ die „durch die Begehung der mit Strafe bedrohten Handlung erlangten Vermögenswerte im Ausmaß von 90.225,17 Euro sowie den zu StBl 0773/20 (ON 27) erliegenden Betrag in Höhe von 494,83 Euro für verfallen“ (US 2) und zog „gemäß § 34 SMG iVm § 26 StGB“ „die zu Pos. 2 bis 9 in ON 30 angeführten Suchtgifte und Suchtgiftutensilien“ ein (US 3). Dazu findet sich in der Urteilsbegründung lediglich der Hinweis, wonach „die übrigen Aussprüche“ „auf den angeführten Gesetzesstellen beruhen“ (US 6).

Rechtliche Beurteilung

[4] Dieses Urteil steht – wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes ausführt – in seinen Aussprüchen über den Verfall und die Einziehung mit dem Gesetz nicht im Einklang:

[5] 1./ Vorauszuschicken ist, dass sich der über das sichergestellte, zu Standblatt 0773/20 (ON 27 S 3) erliegende Bargeld hinausgehende, für verfallen erklärte Betrag in Höhe von 90.225,17 Euro ersichtlich aus den nach dem Brutto‑Prinzip errechneten Verkaufserlösen des Angeklagten ergibt (vgl US 4), sodass der Ausspruch diesbezüglich (richtigerweise) auf § 20 Abs 3 StGB gründet.

[6] Mit der durch das JGG-ÄndG 2015 in § 5 Z 6a JGG eingeführten „Härteklausel“ wurde dem Gericht die Möglichkeit eröffnet, vom Wertersatzverfall nach § 20 Abs 3 StGB ganz oder zum Teil abzusehen, soweit dies den Täter unbillig hart träfe.

[7] Das bedeutet, dass bei zur Tatzeit Jugendlichen und jungen Erwachsenen (§ 19 Abs 2 JGG) anhand einer umfassenden tat- und täterbezogenen Betrachtung zu prüfen ist, ob der Verfallsersatz aus Gründen der Billigkeit zu mindern ist. Da es sich dabei um eine vermögensrechtliche Anordnung betreffende Ermessensausübung handelt, ist diese gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO im Urteil zu begründen (vgl Danek/Mann, WK‑StPO § 270 Rz 44/1).

[8] Das Fehlen einer solchen Begründung verletzt daher, soweit der Ausspruch über den Verfall inhaltlich nach § 20 Abs 3 StGB erfolgte, § 270 Abs 2 Z 5 StPO iVm §§ 19 Abs 2, 5 Z 6a JGG.

[9] 2./ Zu den vom Einziehungserkenntnis umfassten, als „Suchtgiftutensilien“ bezeichneten Gegenständen (Pos 2 bis 4 und 6 bis 9 in ON 30) fehlen im Urteil Feststellungen, insbesondere dazu, weshalb die vorbeugende Maßnahme nach deren besonderen Beschaffenheit geboten sein sollte, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen entgegenzuwirken (§ 26 Abs 1 und 2 erster Satz StGB).

[10] Die aufgezeigten Gesetzesverletzungen gereichen dem Verurteilten * N* zum Nachteil.

[11] Daher sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, die Feststellung der Gesetzesverletzungen – wie im Spruch ersichtlich – mit konkreter Wirkung zu verbinden (§ 292 StPO).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte