OGH 12Os114/21p

OGH12Os114/21p22.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin AAss Schaffhauser in der Strafsache gegen ***** B***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom 8. Juni 2021, GZ 39 Hv 119/20w‑45, sowie über dessen Beschwerde gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00114.21P.1022.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** B***** je eines Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (I./) und der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB (II./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 27. Juni 2020 in L*****

I./ ***** N***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zugefügt, indem er ihm mit einer 0,7‑Liter Whiskyflasche einen wuchtigen Schlag gegen den Kopf versetzte, wodurch N***** eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit erlitt, nämlich eine Schnittwunde am linken Zeigefinger mit Durchtrennung der tiefen Beugesehne sowie Schnittwunden an der Stirn‑Scheitelregion links und am Daumenballen links, und

II./ ***** G***** vorsätzlich am Körper verletzt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB) herbeigeführt, indem er ihm einen Fußtritt gegen die rechte Hand versetzte und mit einer zerbrochenen Flasche kreisförmige Bewegungen in dessen Richtung ausführte, wodurch G***** oberflächliche Abschürfungen am linken Unterarm sowie einen knöchernen Strecksehnenausriss am Endglied des rechten Ringfingers erlitt und aufgrund der konservativen Therapiemaßnahmen länger als 24 Tage an der Gesundheit geschädigt wurde sowie berufsunfähig war.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

[4] Der formelle Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS‑Justiz RS0119583).

[5] Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).

[6] Mit dem Hinweis auf seine Verantwortung verbunden mit der Behauptung, es habe kein Motiv vorgelegen, und eigene beweiswürdigende Erwägungen zu Details der Aussagen der Zeugen N*****, Ö*****, Öz***** und C***** sowie zu den Ausführungen des Sachverständigen Dr. L***** weckt der Beschwerdeführer beim Obersten Gerichtshof keine erheblichen Bedenken gegen die Feststellung, wonach die Dispositions‑ und Diskretionsfähigkeit des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten zwar reduziert, aber nicht „weitgehend bzw. vollständig“ aufgehoben war (US 5).

[7] Soweit die Beschwerde kritisiert, es lägen keinerlei Beweisergebnisse dafür vor, dass der Angeklagte sich an den konkreten Tatvorwurf erinnern könne, verkennt sie, dass erhebliche Bedenken im Sinn der Z 5a – soweit hier relevant (Fehler in der Sachverhaltsaufklärung werden nicht behauptet) – aus in der Hauptverhandlung Vorgekommenem (§ 258 Abs 1 StPO), nicht aber aus dem (angeblichen) Fehlen von Beweisen abgeleitet werden können (RIS‑Justiz RS0128874).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[9] Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[10] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte