OGH 10ObS104/21y

OGH10ObS104/21y19.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei N*, Schweiz, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Mai 2021, GZ 23 Rs 17/21 b‑21, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133518

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Beurteilung der Leistungszuständigkeit Österreichs nach der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO 883/2004 ) für den Export von pauschalem Kinderbetreuungsgeld als Konto für 731 Tage an die in der Schweiz wohnhafte Klägerin anlässlich der Geburt ihres zweiten Kindes am 9. 6. 2020.

[2] Die Klägerin war ab 2006 bei einem Arbeitgeber in Österreich unselbständig beschäftigt. Nach der Geburt ihres ersten Kindes am 24. 4. 2018 befand sie sich zwei Jahre lang (bis zum 23. 4. 2020) gemäß § 15 MSchG in Karenz und bezog für dieses Kind pauschales Kinderbetreuungsgeld als Konto (zunächst) für 731 Tage. Während der Karenzzeit wurde sie erneut schwanger. Entsprechend dem errechneten Geburtstermin des zweiten Kindes begann die Mutterschutzfrist am 3. 5. 2020. Die Klägerin vereinbarte mit ihrem Arbeitgeber für den neuntägigen Zeitraum von 24. 4. 2020 (nach dem Ende der zweijährigen gesetzlichen Karenz nach der Geburt ihres ersten Kindes) bis 2. 5. 2020 (vor Beginn des Beschäftigungsverbots vor der Geburt ihres zweiten Kindes) eine „freiwillige“ Verlängerung der Karenz unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses. Aufgrund ihres am 17. 1. 2020 gestellten Änderungsantrags der Kinderbetreuungsgeld-Pauschalvariante (Konto) von 731 auf 741 Tage bezog sie noch bis 2. 5. 2020 Kinderbetreuungsgeld für das erste Kind. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes am 9. 6. 2020 nahm sie wiederum zwei Jahre lang Karenz gemäß § 15 MSchG in Anspruch (von 21. 9. 2020 bis 8. 6. 2022).

[3] Mit Bescheid vom 28. 8. 2020 wies die beklagte Österreichische Gesundheitskasse den aus Anlass der Geburt des zweiten Kindes gestellten Antrag der Klägerin vom 26. 6. 2020 auf Zuerkennung des pauschalen Kinderbetreuungsgeldes in der Variante 731 Tage für den Zeitraum von 9. 6. 2020 bis 9. 6. 2022 mit der Begründung ab, dass die mit dem Arbeitgeber vereinbarte Karenz von neun Tagen nicht als eine einer Beschäftigung gleichgestellte Zeit anzusehen sei. Da keine lückenlose Aneinanderreihung von Karenz- und Mutterschutzzeiten („Gleichstellungskette“) vorliege, sei Österreich ab 24. 4. 2020 für die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld nicht mehr leistungszuständig.

[4] Das Erstgerichtsprach der Klägerin das pauschale Kinderbetreuungsgeld in der Variante 731 Tage für den Zeitraum von 9. 6. 2020 bis 20. 9. 2020 in Höhe von täglich 0,23 EUR und ab dem 21. 9. 2020 bis zum 9. 6. 2022 in Höhe von täglich 16,92 EUR als Ausgleichszahlung zu.

[5] Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass § 24 Abs 2 KBGG (in der anzuwendenden Fassung BGBl I 2016/53) nach der bisherigen Rechtsprechung aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts so zu verstehen sei, dass eine nach Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Karenzzeit nicht schon deshalb zum Entfall des Anspruchs auf pauschales Kinderbetreuungsgeld führe, weil § 24 Abs 2 KBGG die Gleichstellung mit der Beschäftigung auf den Zeitraum bis zum zweiten Geburtstag des Kindes einschränke.

[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichts. Die nur neun Tage dauernde „freiwillige“ Karenz im Zeitraum zwischen dem Ende der gesetzlichen Karenzzeit nach der Geburt des ersten Kindes und dem Beginn des Beschäftigungsverbots für das zweite Kind unter Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses bei weiter bestehender Pflichtversicherung (§ 11 Abs 3 lit a ASVG) sei kollisionsrechtlich einer Erwerbstätigkeit gleich zu halten. Infolge Vorliegens einer – auf die 182 Tage währenden Beschäftigung iSd § 24 Abs 2 KBGG folgenden – ununterbrochenen „Gleichstellungskette“ sei Österreich als Beschäftigungsstaat für die Erbringung von Familienleistungen weiterhin zuständig.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

[8] Die Revisionswerberin macht zusammenfassend geltend, der Gesetzgeber habe den in Art 1 lit a der VO 883/2004 enthaltenen Begriff der einer Beschäftigung gleichgestellten Situation für den Bereich des Kinderbetreuungsgeldgesetzes in § 24 Abs 2 und 3 KBGG idF BGBl 2016/53 zulässigerweise und unionsrechtskonform dahin definiert, dass diese gleichgestellte Situation für alle Eltern spätestens mit Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes (somit entsprechend dem zeitlich begrenzt vorgesehenen gesetzlichen Anspruch auf Karenz nach dem MSchG und dem VKG) ende. Privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer könnten nicht zu einer einer Beschäftigung gleichgestellten Situation führen und daher keine Zuständigkeit Österreichs für die Zahlung von Familienleistungen auslösen. Eine unionsrechtliche Verpflichtung, dass ein Staat seine Leistungsverpflichtung aufgrund individueller Vereinbarungen der Eltern mit ihren Arbeitgebern (wie etwa in Form von Sonderurlauben, Anschlusskarenzen etc) verlängere, bestehe nicht.

Dazu ist auszuführen:

[9] 1.1 Die für die Bestimmung des anwendbaren Rechts und zum unionsrechtlichen Beschäftigungsbegriff bzw einer „gleichgestellten Situation“ maßgeblichen Regelungen – Art 11 Abs 3 lit a VO 883/2004 , Art 11 Abs 2 der VO 883/2004 , Art 1 lit a VO 883/2004 sowie der Beschluss F1 der Verwaltungskommission vom 12. 6. 2009 zur Auslegung des Art 68 der VO 883/2004 – wurden bereits vom Berufungsgericht wiedergegeben.

[10] 1.2 Die Definition des Begriffs „Beschäftigung“ in Art 1 lit a der VO 883/2004 (indirekt auch die allgemeine Regelung in Art 11 Abs 2 VO 883/2004 ) verweist auf das Sozialrecht der Mitgliedstaaten. Maßgeblich für die kollisionsrechtliche Anknüpfung ist demnach die nationale Definition des Begriffs der „Beschäftigung“ sowie des Begriffs der einer Beschäftigung gleichgestellten Situation in § 24 Abs 2 und 3 KBGG (RIS‑Justiz RS0130043 [T9]).

[11] 2. Dies ändert jedoch nichts daran, dass es sich bei dem in Art 1 lit a VO 883/2004 genannten Beschäftigungsbegriff um einen solchen des Unionsrechts handelt (10 ObS 51/17y SSV‑NF 31/48 mwN). Die nationalen Rechtsvorschriften dürfen nicht dazu führen, dass eine Person, die in den Anwendungsbereich der VO 883/2004 fällt, im Weg der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften vom Anwendungsbereich ausgeschlossen wird. Auch wenn die Mitgliedstaaten weiterhin für die Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit zuständig sind, dürfen sie in diesem Sinn keine diskriminierenden Anspruchsvoraussetzungen definieren und müssen insbesondere die primärrechtlichen Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer beachten (Art 45 ff AEUV; 10 ObS 51/17y SSV‑NF 31/48 mwN; Felten in Spiegel, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht [59. Lfg] Art 68 VO [EG] 883/2004 Rz 6/1).

[12] 3.1 Die Definition des Beschäftigungsbegriffs und des Begriffs der einer Beschäftigung gleichgestellten Situation in § 24 Abs 2 KBGG gilt sowohl für das pauschale als auch das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld (RS0130043).

[13] 3.2 In der bis 28. 2. 2017 anzuwendenden Fassung des § 24 Abs 2 KBGG (BGBl I 2013/117) galt als Erwerbstätigkeit im Sinn des KBGG die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit. Als dieser gleichgestellt galten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 6 Monate andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens sechs Monate andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder VKG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes.

[14] Mit der mit 1. 3. 2017 in Kraft getretenen KBGG‑Novelle BGBl I 2016/53 wurde in § 24 Abs 2 Satz 1 nach dem Wort „sozialversicherungspflichtigen“ der Klammerausdruck „(kranken- und pensionsversicherungspflichtigen)“ eingefügt; außerdem wurde in § 24 Abs 2 Satz 2 jeweils der Ausdruck „6 Monate“ durch den Ausdruck „182 Kalendertage“ ersetzt. Zudem wurde ein Abs 3 mit folgendem Wortlaut angefügt:

(3) Nur bei Erfüllung der nationalen Gleichstellungserfordernisse des Abs. 2 zweiter Satz liegt eine gleichgestellte Situation im Sinne des Art. 68 iVm Art. 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 … vor, wobei diese der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellte Situation für alle Eltern spätestens mit Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes endet. Eine Scheinkarenz löst keine österreichische Zuständigkeit aus, dasselbe gilt für Zeiten, in denen mangels Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen kein gesetzlicher Anspruch auf die österreichische Karenz besteht, etwa bei gleichzeitiger Inanspruchnahme einer in- oder ausländischen Karenzzeit durch den anderen Elternteil.

 

[15] 3.3 Nach § 24 Abs 2 KBGG setzt eine Gleichstellung der von der Klägerin in Anspruch genommenen Zeiten des Mutterschutzes, der gesetzlichen Karenz und der „freiwilligen“ Karenz mit den Zeiten der tatsächlichen Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit somit als erstes voraus, dass die Klägerin zuvor eine mindestens 182 Tage andauernde sozialversicherungspflichtige Tätigkeit ausgeübt hat. Dies ist – im Hinblick auf ihre seit 2006 ausgeübte Berufstätigkeit – bezogen auf das Beschäftigungsverbot vor der Geburt des ersten Kindes nicht strittig. Im Hinblick auf die während der Karenzzeit nach dem ersten Kind eingetretene weitere Schwangerschaft muss eine lückenlose Aneinanderreihung von Mutterschutz und Karenzzeiten vorliegen („Gleichstellungskette“).

[16] 4. Entscheidungswesentlich ist daher, ob die Zeit der vereinbarten „freiwilligen“ Karenz von 24. 4. 2020 (nach dem Ende der zweijährigen gesetzlichen Karenz nach der Geburt des ersten Kindes) bis 2. 5. 2020 (vor dem Beginn des Beschäftigungsverbots vor der Geburt des zweiten Kindes) kollisionsrechtlich einer Beschäftigung gleichzuhalten ist.

[17] 5.1 Von der Fiktion der (weiteren) Ausübung der Erwerbstätigkeit wurde im Anwendungsbereich der VO 883/2004 dann ausgegangen, wenn das Beschäftigungsverhältnis lediglich vorübergehend für die Zeit der Karenz oder des Bezugs von Kinderbetreuungsgeld unterbrochen wird, dem Grunde nach aber fortbesteht und dies nach nationalem Recht (zumindest) zu einer Teilversicherung führt. Im Fall einer vereinbarten Karenz in der Dauer von zweieinhalb Jahren und einem zweieinhalbjährigen Bezug von Kinderbetreuungsgeld wurde der gesamte Zeitraum von zweieinhalb Jahren als einheitlicher Sachverhalt beurteilt, in dem die Fiktion der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gilt (10 ObS 117/14z SSV‑NF 29/13 = EvBl 2016/4, 32 [Niksova] = DRdA 2016/3, 37 [Kunz] = ZAS 2016/5, 33 [Petric]). Diese Rechtsprechung wurde nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den im Schrifttum vertretenen Meinungen fortgesetzt (10 ObS 135/16z SSV‑NF 31/15 = DRdA 2018/11, 124 [Kunz] zu einer vereinbarten dreijährigen kollektivvertraglich vorgesehenen Anschlusskarenz; 10 ObS 51/17y SSV‑NF 31/48 zu einer Bildungskarenz).

[18] 5.2 Die Entscheidung 10 ObS 96/17s (DRdA 2018/54, 516 [Rief]) betraf den Anspruch auf pauschales Kinderbetreuungsgeld. Nach dieser Entscheidung ist § 24 Abs 2 KBGG aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts so zu verstehen, dass eine nach Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Karenzzeit nicht schon deshalb zum Entfall des Anspruchs auf pauschales Kinderbetreuungsgeld führt, weil die Gleichstellung mit der Beschäftigung durch § 24 Abs 2 KBGG auf den Zeitraum bis zum zweiten Geburtstag des Kindes eingeschränkt wurde (RS0130045 [T6]; RS0130043 [T4]). Einer Person mit Wohnsitz in Österreich kommt der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld in der pauschalen Variante auch nach dem zweiten Geburtstag des Kindes zu, während eine Person, die ihren Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat verlegt hat, diesen Anspruch bei enger Auslegung des § 24 Abs 2 KBGG verlieren würde. Nach Art 7 VO 883/2004 dürfe der Anspruch aber weder dem Grund noch der Höhe nach von einem Wohnsitz im Inland abhängig gemacht werden. Art 7 VO 883/2004 betreffe auch § 24 Abs 2 KBGG, insoweit diese Regelung als Kollisionsregelung diskriminierende Anspruchsvoraussetzungen schafft, die dem Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld entgegenstehen. Zu beurteilen bleibt aber jeweils, ob nur eine vorübergehende Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses vorliegt, eine Teilversicherung nach nationalem Recht besteht und ein einheitliches Sachverhaltselement für die durchgehende Fiktion der Ausübung der Erwerbstätigkeit gegeben ist.

[19] 6.1 Im vorliegenden Fall ist § 24 Abs 2 und Abs 3 KBGG in der mit 1. 3. 2017 in Kraft getretenen Fassung BGBl I 2016/53 anzuwenden (§ 50 Abs 15 KBGG), die jedenfalls für Geburten nach dem 28. 2. 2017 gilt.

[20] 6.2 § 24 Abs 2 KBGG ist – soweit hier von Interesse – im Wesentlichen unverändert geblieben. Der mit der Novelle BGBl I 2016/53 angeführte Abs 3 wurde bereits unter Punkt 3.2 wiedergegeben. Demnach liegt nur bei Erfüllung der Gleichstellungserfordernisse des Abs 2 Satz 2 eine gleichgestellte Situation im Sinn des Art 68 iVm Art 1 lit a der VO 883/2004 vor, wobei diese der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellte Situation für alle Eltern spätestens mit Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes endet.

[21] Der Gesetzgeber strebte mit der Neuregelung eine Klarstellung an, dass für die Zwecke der VO 883/2004 nicht auf „europarechtliche Zuständigkeitsregeln“ sondern – unionsrechtskonform – auf die jeweiligen nationalen Voraussetzungen abgestellt wird. Eine der Ausübung der Erwerbstätigkeit gleichgestellte Situation im Sinn des Art 68 iVm Art 1 lit a der VO 883/2004 soll demnach ausschließlich bei Erfüllung der nationalen Gleichstellungserfordernisse des § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG vorliegen, wobei diese der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gleichgestellte Situation für alle Eltern spätestens mit Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes enden soll. Nach den Gesetzesmaterialien sollen Vereinbarungen wie zB privatrechtliche Vereinbarungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern nicht zu einer einer Erwerbstätigkeit gleichgestellten Situation führen, weshalb sie keine Zuständigkeit Österreichs für die Zahlung von Familienleistungen auslösen könnten (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  11 f).

[22] 7. Nach Inkrafttreten des § 24 Abs 3 KBGG hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 103/18x SSV‑NF 33/18 ausgesprochen, dass § 24 Abs 3 KBGG nicht geeignet sei, eine Unionsrechtswidrigkeit, die aus dem im Anwendungsbereich der VO 883/2004 bestehenden Widerspruch des § 24 Abs 2 KBGG zu Art 11 Abs 2 der VO folgt, zu beseitigen. An der bereits dargestellten Rechtsprechung, insbesondere der Entscheidung 10 ObS 117/14z SSV‑NF 29/13 wurde daher festgehalten, wonach Art 11 Abs 2 VO 883/2004 einen Kernbereich des unionsrechtlichen Begriffs der Beschäftigung darstellt, sodass Leistungen, die darunter zu subsumieren sind (in concreto ging es um die Gleichstellung der Zeit des Bezugs von Krankengeld), unabhängig von der nationalen Systematik als Ausübung der Beschäftigung zu werten sind.

[23] 8.1 Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung zu § 24 Abs 2 und Abs 3 KBGG weicht die Ansicht der Vorinstanzen nicht ab, § 24 Abs 2 KBGG sei auch nach Inkrafttreten der Novelle BGBl I 2016/53 aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts so zu verstehen, dass eine nach Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes in Anspruch genommene Karenzzeit nicht schon deshalb zum Entfall des Anspruchs auf pauschales Kinderbetreuungsgeld führt, weil das nationale Recht die Gleichstellung mit der Beschäftigung auf den Zeitraum bis zum zweiten Geburtstag des Kindes einschränkt. Auch die weiteren von der bisherigen Rechtsprechung geforderten Kriterien, um eine einer Beschäftigung gleichgestellte Situation nach dem zweiten Lebensjahr des Kindes zu bejahen, sind hier erfüllt: Das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin wurde lediglich vorübergehend für die Zeit der Karenz unterbrochen, besteht jedoch dem Grunde nach fort. Nach nationalem Recht ist eine Teilversicherung im Zeitraum von 24. 4. bis 2. 5. 2020 (jedenfalls in der Krankenversicherung gemäß § 28 Abs 1 und 3 KBGG) gegeben. Die gesetzliche Karenz und die daran anschließende vereinbarte Karenz von 24. 4. bis 2. 5. 2020 sind durch einen durchgehenden Bezug von Kinderbetreuungsgeld für den gesamten Zeitraum bis 2. 5. 2020 gekennzeichnet und sind als einheitlicher Sachverhalt zu qualifizieren. Die Ansicht, die an die zweijährige gesetzliche Karenz anschließende „freiwillige“ Karenz bis 2. 5. 2020 sei auch im Anwendungsbereich des § 24 Abs 3 KBGG kollisionsrechtlich der Ausübung einer Beschäftigung gleichzustellen, widerspricht nicht den in der bisherigen Rechtsprechung aufgestellten Kriterien.

8.2 Im Hinblick auf die während der Karenzzeit nach dem ersten Kind eingetretene weitere Schwangerschaft der Klägerin bejahten die Vorinstanzen demnach zu Recht eine lückenlose Aneinanderreihung von Beschäftigungs‑ und gleichgestellten Zeiten, weshalb Österreich gemäß Art 11 Abs 3 lit a iVm Art 67 VO 883/2004 als Beschäftigungsstaat für die Gewährung von Familienleistungen (hier dem pauschalen Kinderbetreuungsgeld als Konto für das zweite Kind der Klägerin) zuständig bleibt.

[24] 9. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.

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