OGH 15Ns76/21a

OGH15Ns76/21a13.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Oktober 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Maßnahmenvollzugssache des ***** B*****, AZ 30 BE 5/20w des Landesgerichts Feldkirch, über den Kompetenzkonflikt zwischen diesem Gericht und dem Landesgericht für Strafsachen Graz nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150NS00076.21A.1013.000

 

Spruch:

Zur Führung der Maßnahmenvollzugssache des ***** B***** ist das Landesgericht für Strafsachen Graz zuständig.

Diese Maßnahmenvollzugssache wird dem zuständigen Gericht abgenommen und dem Landesgericht Feldkirch delegiert.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

[1] Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Vollzugsgericht vom 17. Dezember 2019, GZ 11 BE 183/19x-11, wurde ***** B***** am 20. Jänner 2020 aus einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme unter Bestimmung einer Probezeit von fünf Jahren, Anordnung von Bewährungshilfe und Erteilung von Weisungen bedingt entlassen. Unmittelbar nach der Entlassung aus der Justizanstalt Graz-Karlau nahm er seinen Wohnsitz zunächst in einem Wohnheim in Graz (ON 15), am 2. März 2020 übersiedelte er in eine betreute Wohneinrichtung in F***** (ON 19).

[2] Nachdem sich der bedingt Entlassene mit einer Delegierung der Maßnahmenvollzugssache an das Landesgericht Feldkirch einverstanden erklärt hatte (ON 20), trat das Landesgericht für Strafsachen Graz diese am 10. März 2020 „gemäß § 179 StVG zur Weiterführung“ an dieses Gericht ab (ON 21).

[3] Mit Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 26. Juli 2021, GZ 30 BE 5/20w‑109, wurde die bedingte Entlassung des B***** aus einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB gemäß § 54 Abs 1 StGB widerrufen (ON 108 S 3 und ON 109).

[4] In Stattgebung einer dagegen eingebrachten Beschwerde des Genannten hob das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 31. August 2021, AZ 7 Bs 215/21g (ON 123), den angefochtenen Beschluss auf und verwies die Sache an das Erstgericht, weil das Landesgericht Feldkirch für die Entscheidung über einen Widerruf der bedingten Entlassung örtlich nicht zuständig gewesen wäre (§ 89 Abs 2a Z 1 StPO).

[5] Das Landesgericht Feldkirch legte die Maßnahmenvollzugssache gemäß § 38 letzter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

[6] Werden einem Verurteilten im Zusammenhang mit einer bedingten Entlassung Weisungen erteilt oder ein Bewährungshelfer bestellt und nimmt dieser unmittelbar nach seiner Entlassung seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Sprengel eines Landesgerichts, das nicht im selben Bundesland liegt wie das Vollzugsgericht, so ist dieses Gericht zur weiteren Führung der Vollzugssache zuständig, selbst wenn die Rechtskraft der Entscheidung über die bedingte Entlassung und die damit im Zusammenhang stehenden Anordnungen bereits vor der tatsächlichen Entlassung eingetreten ist (§ 179 StVG).

[7] Ein späterer Wechsel des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts ändert die Zuständigkeit hingegen nicht, sondern kann nur gemäß § 39 StPO berücksichtigt werden (RIS‑Justiz RS0088481; Pieber in WK2 StVG § 179 Rz 1 ff).

[8] Demnach blieb für die gegenständliche Maßnahmenvollzugssache ungeachtet des am 2. März 2020 vorgenommenen Wohnsitzwechsels des bedingt Entlassenen das Landesgericht für Strafsachen Graz zuständig.

[9] Da B*****aber nun seinen Wohnsitz im Sprengel des Landesgerichts Feldkirch hat, welches das Vollzugsverfahren daher mit geringerem Aufwand führen kann als dasbisher zuständige, liegen wichtige Gründe für eine amtswegige Delegierung der Sache an das Landesgericht Feldkirch vor (§ 39 Abs 1 StPO iVm § 17 Abs 1 Z 3 iVm § 180 Abs 1 StVG; RIS-Justiz RS0088481 [T3 und T4]).

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