OGH 1Ob182/21b

OGH1Ob182/21b12.10.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Matthias König, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Gemeinde *, vertreten durch Dr. Paul Bauer und andere, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 272.160 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 17. Juni 2021, GZ 2 R 61/21v‑55, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 17. Februar 2021, GZ 11 Cg 24/18d‑50, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133208

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen.

 

Begründung:

[1] Die beklagte Gemeinde leitete bis Ende 2017 unberechtigt Wasser aus einer Quelle des Klägers sowie (berechtigt) aus zwei anderen Quellen in einen Hochbehälter, von dem aus sie das Gemeindegebiet versorgte. Die den kommunalen Wasserbedarf übersteigende Wassermenge „leitete sie ab“. Das Wasser aus den beiden anderen Quellen hätte zur Versorgung der Gemeinde ausgereicht.

[2] Der Kläger begehrt die Abgeltung des der Beklagten aus der unberechtigten Nutzung seiner Quelle „ab der zweiten Jahreshälfte“ 2004 bis Ende 2017 entstanden Nutzens.

[3] Das Berufungsgericht ging – entgegen dem Erstgericht – davon aus, dass die Beklagte das Wasser aus der Quelle des Klägers, das sich im Hochbehälter mit dem Wasser aus den beiden anderen Quellen vermischte, anteilig für die kommunale Wasserversorgung genutzt habe und sie daher bereichert sei. Wenngleich ihr konkreter Nutzen auch nach dem Verkaufspreis für das anteilig aus der Quelle des Klägers stammende Wasser abzüglich der Kosten für dessen Bezug bemessen werden könnte (wobei allenfalls auch der für die Reservehaltung zur Verfügung stehende Teil des Wassers aus dieser Quelle berücksichtigt werden müsse), sei es sachgerechter, den finanziellen Nutzen der Beklagten in Höhe jenes Entgelts anzunehmen, das redliche Parteien für die Einräumung eines Nutzungsrechts (Wasserbezugsrechts) an der Quelle des Klägers vereinbart hätten. Mangels dazu getroffener Feststellungen hob das Berufungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung auf. Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ es zur Klärung der Frage zu, ob (überhaupt) ein Nutzen der Beklagten bestand, weil schon das Wasser aus den beiden anderen Quellen den laufenden Wasserbedarf der Gemeinde gedeckt hätte; darüber hinaus zur konkreten Bemessung der allenfalls eingetretenen Bereicherung.

[4] Der dagegen erhobene – vom Kläger nicht beantwortete – Rekurs der Beklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1.1. Die Rekurswerberin steht auf dem Standpunkt, dass das Wasser aus der Quelle des Klägers ohne von ihr errichtete Quellfassung und Ableitung frei ausgetreten und als „herrenlose Sache“ dem natürlichen Bodenverlauf folgend vom Grundstück des Klägers abgeflossen wäre. Es habe für ihn daher keinen wirtschaftlichen Wert gehabt.

[6] 1.2. § 1041 ABGB setzt voraus, dass „eine Sache zum Nutzen eines Andern verwendet worden ist“. „Sache“ in diesem Sinn ist jedes vermögenswerte Rechtsgut, das einem anderen als dem Verwender ausschließlich zugeordnet ist (vgl RIS‑Justiz RS0019916; RS0019960). Die Zuweisung erfolgt vor allem durch absolute Rechte, aber auch durch Forderungsrechte gegenüber bestimmten Personen. Es genügt, dass die Rechtsordnung eine Vermögensposition in bestimmte Richtung schützt (RS0019971). Entscheidend ist, wem die konkrete Nutzung vorbehalten war und ob der Verkürzte die Eingriffshandlung jedermann verbieten durfte (RS0019971 [T6]).

[7] 1.3. Gemäß § 3 Abs 1 lit a WRG gehört das aus einem Grundstück zutage quellende Wasser (als Privatgewässer) – sofern nicht von anderen erworbene Rechte vorliegen – dem Grundeigentümer. Diesem wird damit die Verfügungsmacht über „sein“ Wasser eingeräumt. Ungefasst fließendes Wasser (die Wasserwelle) entzieht sich zwar als herrenlos der Herrschaft des Eigentümers, dieser kann sich des Wassers aber bemächtigen, es nutzen und seine Aneignung oder Benutzung seitens Dritter durch sein Ausschließungsrecht verhindern (Bachler in Oberleitner/Berger, WRG4 § 3 WRG Rz 2; Winner in Rummel/Lukas 4 § 354 ABGB Rz 354).

[8] 1.4. Zweifellos griff die Beklagte dadurch, dass sie die auf dem Grund des Klägers zutage tretende Quelle fasste und das Wasser ableitete, in das ihm gemäß § 3 WRG zugewiesene Verfügungsrecht ein. Davon, dass sich die Beklagte das Quellwasser als herrenloses Gut zugeeignet habe, kann schon deshalb keine Rede sein, weil sie es unmittelbar an der von ihr gefassten Quelle ableitete und dem Kläger dadurch die ihm vorbehaltene Nutzungsmöglichkeit gänzlich entzog. Ihrem Argument, der Kläger habe das Wasser nicht genutzt und auch nicht nutzen wollen, ist zu entgegnen, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über sein Unterlassungsbegehren im Vorverfahren (1 Ob 188/17d) nicht feststand, ob der Wasserbezug durch die Beklagte berechtigt erfolgt. Dass es sich beim Quellwasser des Klägers um ein verwertbares Wirtschaftsgut handelt, ergibt sich schon daraus, dass die Beklagte dafür ein Entgelt verlangte. Ob ihm durch den Wasserentzug konkrete Nachteile entstanden, spielt für die Beurteilung des Verwendungsanspruchs keine Rolle (RS0019850 [T8]; RS0019883 [T8]). Mit dem der Entscheidung zu 2 Ob 3/19h zugrundeliegenden Sachverhalt (Bestehenlassen eines mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand nicht zu beseitigenden unterirdischen Stollens ohne jede Auswirkung auf die Nutzung des Grundstücks) kann der vorliegende Fall nicht verglichen werden.

[9] 2.1. Die Rekurswerberin argumentiert auch, dass ihr durch den Bezug von Wasser aus der Quelle des Klägers kein objektiver Nutzen entstanden sei, weil die Schüttung der beiden anderen Quellen zur Deckung des kommunalen Wasserbedarfs ausgereicht hätte.

[10] 2.2. Der Begriff des „Nutzens“ iSd § 1041 ABGB ist weit auszulegen. Es reicht aus, dass die Verhältnisse beim Bereicherten bei vernünftiger Beurteilung verbessert wurden (RS0020148). Wenn das Berufungsgericht davon ausging, dass der objektive Nutzen der Beklagten darin bestand, dass sie das Quellwasser des Klägers, das sich im Hochbehälter untrennbar mit dem Wasser aus den beiden anderen Quellen vermischte, anteilig für die kommunale Wasserversorgung verwendete, begegnet dies keinen Bedenken. Ob die Beklagte damit insgesamt einen Gewinn erwirtschaftete, spielt für die Beurteilung des Nutzens iSd § 1041 ABGB keine Rolle.

[11] 3. Die vom Berufungsgericht weiters als erheblich angesehene Rechtsfrage, wie der Nutzen der Beklagten konkret zu bemessen ist, wird im Rekurs nicht angesprochen. Da der Oberste Gerichtshof nicht theoretisch zu Rechtsfragen Stellung zu nehmen hat, deren Lösung vom Rechtsmittelwerber nicht bestritten wird (RS0102059 [T8, T13]), ist darauf – mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO – nicht weiter einzugehen.

[12] 4. Der Kostenausspruch beruht auf § 40 Abs 1 ZPO iVm § 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet kein Kostenvorbehalt statt (RS0123222).

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