OGH 2Ob68/21w

OGH2Ob68/21w5.8.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** B*****, vertreten durch Anwaltssocietät Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner (OG) in Linz, wider die beklagte Partei E. *****, S.A., *****, vertreten durch Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwalt in Linz, wegen 55.310,29 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 57.802,29 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. Jänner 2021, GZ 6 R 146/20p‑141, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020OB00068.21W.0805.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger wurde bei Wartungsarbeiten an einer von der Beklagten für ihre Auftraggeberin hergestellte und an diese gelieferte Hydraulik-Anlage schwer verletzt. Die Hydraulik-Einheit entsprach wegen des Fehlens eines Speicher-Sicherheitsblocks, der einen gefahrlosen und kontrollierten Druckabbau im Rahmen von Wartungsarbeiten ermöglicht hätte, nicht den technischen Normen. Außerdem war in der Anlage ein nicht sachgerecht vormontiertes Verbindungsteil verbaut. Der Kläger musste zur Behebung der vorhandenen Undichtheiten der Anlage das unter Druck stehende Hydraulik-Öl aus den Leitungen ablassen. Er öffnete zu diesem Zweck eine Schraubenmutter, was aus technischer Sicht die einzige konkret vorhandene Möglichkeit zur Reduktion des Öldrucks war. Aufgrund des nicht sachgerecht vormontierten Verbindungsteils löste sich eine zweite Schraubenmutter, sodass der Kläger durch das „herausschießende“ Öl verletzt wurde. Dem Kläger war bei Vornahme der Arbeiten die Bedienungsanleitung zwar nicht bekannt, diese enthielt aber keine Ausführungen dazu, auf welche Weise eine Reduzierung des Ölleitungsdrucks vorzunehmen ist.

[2] Die Vorinstanzen gaben dem auf Ersatz der Personenschäden des Klägers gerichteten Zahlungsbegehren überwiegend statt und stellten die Haftung der Beklagten für künftige Unfallfolgen fest. Sie gingen vom Vorliegen eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten des Klägers aus. Ein Mitverschulden treffe den Kläger nicht. Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten zeigt das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht auf:

[4] 1. Die Anwendbarkeit österreichischen Rechts zieht die Beklagte zu Recht (vgl 2 Ob 15/16v) nicht in Zweifel.

[5] 2. Im Zusammenhang mit der Bejahung des Vorliegens eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter durch die Vorinstanzen zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[6] 2.1. Die Feststellungen zum Vertragsinhalt stehen der Annahme eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter nicht entgegen. Bereits das Berufungsgericht hat nicht korrekturbedürftig argumentiert, dass bei Fehlen konkreter Vorgaben zur Herstellung einer Anlage eben eine solche mit gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften geschuldet ist. Mit der weiteren Argumentation des Berufungsgerichts, dass die Leistungserbringung durch die Beklagte vor diesem Hintergrund mangelhaft gewesen und ihr der Entlastungsbeweis nach § 1298 ABGB misslungen sei, setzt sich die Beklagte in der Revision nicht auseinander, sodass sich weitere Ausführungen dazu erübrigen.

[7] 2.2. Entgegen der Argumentation der Beklagten besteht Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage des Vorliegens eines Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter innerhalb einer Vertragskette (vgl etwa 2 Ob 129/15g [ErwgGr 4.3]). Dass das Berufungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre, behauptet die Beklagte nicht.

[8] 2.3. Entscheidend für die Frage, welche vertragsfremden Dritten in den Schutzbereich eines Vertrags einzubeziehen sind, ist immer die Auslegung des Vertrags nach den Umständen des Einzelfalls (6 Ob 21/04p = RS0022814 [T6]). Eine Überschreitung des dem Berufungsgericht in diesem Rahmen zukommenden Beurteilungsspielraums zeigt die Beklagte nicht auf. Ihr war die Notwendigkeit der Wartung der Anlage offenkundig bewusst, sie konnte daher auch das Interesse ihrer Auftraggeberin an der Integrität eines für erforderliche Wartungen später beizuziehenden Unternehmers oder seiner Leute erkennen. Da zur Durchführung der Wartung ein Kontakt mit der von der Beklagten hergestellten Anlage zwingend erforderlich war, begegnet die Einbeziehung des Klägers in den Schutzbereich im Einzelfall keinen Bedenken (zu einem ähnlichen Sachverhalt: 6 Ob 21/04p).

[9] 2.4. Dass dem Kläger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrags zwischen Auftraggeberin und Beklagter fehlen würde, hat Letztere im erstinstanzlichen Verfahren nicht behauptet. Schon aus diesem Grund gelingt es ihr nicht, eine erhebliche Rechtsfrage in diesem Punkt darzustellen. Außerdem hält die Beklagte der Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger keinen deckungsgleichen Anspruch gegen seinen Arbeitgeber habe, bloß entgegen, dass strittig sei, ob „analog § 1014 ABGB“ auch Personenschäden ersatzpflichtig sein könnten. Die damit angesprochene Judikaturkontroverse betraf aber den hier nicht vorliegenden Fall des Arbeitsunfalls durch ein Verkehrsmittel, für dessen Betrieb aufgrund gesetzlicher Vorschrift eine erhöhte Haftpflicht besteht (§ 333 Abs 3 ASVG; vgl 2 Ob 221/07z; RS0116854; RS0117387).

[10] 3. Das Ausmaß eines allfälligen Mitverschuldens des Geschädigten kann jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden und begründet daher regelmäßig keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RS0087606). Eine aufzugreifende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen zeigt die Beklagte nicht auf:

[11] 3.1. Die für ein allfälliges Mitverschulden beweispflichtige Beklagte (vgl RS0022560) konnte nicht nachweisen, dass dem Kläger eine Handlungsalternative zur von ihm gewählten Vorgangsweise zur Verfügung gestanden wäre, die ihm die gefahrlose Vornahme der von ihm durchzuführenden Wartungsarbeiten an der Hydraulik-Anlage ermöglicht hätte.

[12] 3.2. Dass dem Kläger die Gefahren von Arbeiten an der unter Druck stehenden Maschine bekannt waren, hat das Erstgericht ebenso wie den Inhalt der Seite 33 der Betriebsanleitung (disloziert) festgestellt, sodass die gerügten sekundären Feststellungsmängel nicht vorliegen (RS0053317 [T1]).

[13] 3.3. Das dem Kläger vorgeworfene Nichtlesen der Betriebsanleitung war für den Schadenseintritt nicht kausal, enthielt diese doch keine Vorgaben darüber, wie zur Erreichung der Reduzierung des Überleitungsdrucks vorzugehen wäre.

[14] 3.4. Dass der Kläger die Wartungsarbeiten nicht überhaupt unterlassen hat, haben ihm die Vorinstanzen vor dem Hintergrund der getroffenen Feststellungen vertretbar nicht als Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten angelastet.

[15] 4. Die außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

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