OGH 15Os61/21s

OGH15Os61/21s14.7.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. Juli 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen M***** M***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom 19. Februar 2021, GZ 16 Hv 8/20z‑80, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00061.21S.0714.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch (1./ und 2./), demzufolge auch im Strafausspruch samt Konfiskationserkenntnis und im Ausspruch des Verfalls aufgehoben, in diesem Umfang eine neue Hauptverhandlung angeordnet und die Sache an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde M***** M***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1./ und 2./) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er von 1. Jänner 2016 bis Juni 2020 in K***** – mit auf kontinuierliche Tatbegehung in Teilhandlungen über einen längeren Zeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt gerichtetem Vorsatz – vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge um das Fünfundzwanzigfache übersteigenden Menge (§ 28b SMG) nachgenannten Personen in einer Vielzahl von Angriffen entgeltlich und gewinnbringend überlassen, und zwar

1./ A***** H***** zumindest 1.260 Gramm Kokain bzw (ausgehend von einem „notorischen durchschnittlichen“ Reinsubstanzgehalt von 30 %) 378 Gramm Cocainbase (25,2 Grenzmengen);

2./ C***** Me***** zumindest 25 Gramm Cannabiskraut mit einem durchschnittlichen (die Grenzmenge somit nicht übersteigenden) Reinsubstanzgehalt von 13,69 % THCA und 1,045 % Delta‑9‑THC.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Im Recht ist die Mängelrüge mit ihrer Kritik an unvollständiger Begründung (Z 5 zweiter Fall) der erstgerichtlichen Feststellungen zu 1./, wonach das vom Angeklagten überlassene Kokain einen „notorischen durchschnittlichen Reinsubstanzgehalt von 30 %“ aufwies. Dabei ließ das Erstgericht die Aussage des Zeugen E***** K***** unerörtert, vom Angeklagten an H***** überlassenes Suchtgift habe sich bei einer gemeinsamen Konsumation (kurze Zeit nach dieser Übergabe) als „Katastrophe“ erwiesen (ON 60 PS 11). Mit diesem Verfahrensergebnis zur Qualität des Suchtgifts hätte sich das Erstgericht mit Blick auf die nur knappe Überschreitung der iSd § 28a Abs 4 Z 3 SMG qualifizierenden Menge auseinanderzusetzen gehabt, weil es die Eignung hat, die Einschätzung des Erstgerichts zu beeinflussen (RIS‑Justiz RS0116877), das vom Angeklagten über einen Zeitraum von viereinhalb Jahren an H***** überlassene Suchtgift (1./) habe im Durchschnitt (gerade) den konstatierten Reinheitsgrad von 30 % aufgewiesen.

[5] Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde erübrigt sich daher.

[6] Da der aufgezeigte Begründungsmangel den Reinheitsgrad des vom Angeklagten zu 1./ überlassenen Suchtgifts betrifft, ist dem Urteil (auch zu 2./) die Basis für die Annahme einer Straftat nach § 28a SMG entzogen. Muss aber ein Schuldspruch nach § 28a SMG, der eine selbständige Qualifikation des „Grundtatbestands“ nach § 27 Abs 1 SMG darstellt, wegen unvollständiger Begründung der subsumtionsrelevanten Feststellungen zum veräußerten Suchtgiftquantum aufgehoben werden, bleiben jene Annahmen, die einen (gar nicht erfolgten) Schuldspruch nach § 27 Abs 1 (hier: achter Fall) SMG stützen würden, gleichfalls nicht bestehen (vgl RIS‑Justiz RS0115884 [T4]; Ratz, WK‑StPO § 289 Rz 18).

[7] Das Urteil war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 285e StPO).

[8] Die Einziehung des sichergestellten Suchtgifts (US 2, 3, 11: 36,2 Gramm Cannabiskraut) bleibt von der Aufhebung des Schuldspruchs unberührt (RIS‑Justiz RS0088115).

[9] Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die aufhebende Entscheidung zu verweisen.

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