OGH 2Nc17/21d

OGH2Nc17/21d25.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen V***** V*****, geboren am *****, aufgrund der Befangenheitsanzeige der Hofrätin ***** vom 2. Juni 2021 im Revisionsrekursverfahren zu AZ *****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0020NC00017.21D.0625.000

 

Spruch:

Hofrätin ***** ist als Mitglied des ***** Senats im Pflegschaftsverfahren der am ***** geborenen minderjährigen V***** V***** befangen.

 

Begründung:

[1] In dem im Kopf genannten Pflegschaftsverfahren hat die durch ihre Mutter vertretene Minderjährige gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 31. 3. 2021, GZ 2 R 14/21t‑113, einen ordentlichen Revisionsrekurs erhoben, über den der ***** Senat des Obersten Gerichtshofs zu entscheiden hat.

[2] Hofrätin ***** ist Mitglied dieses Senats. Sie zeigt an, dass die Minderjährige das Enkelkind ihrer Firmpatin – einer „angeheirateten“ Verwandten – sei. Sie kenne die Mutter der Minderjährigen seit deren Geburt. In Gesprächen mit anderen Familienmitgliedern sei ihr von familiären Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Minderjährigen berichtet worden. Sie habe daher eine einseitige und außergerichtliche Information über den Ablauf der Ereignisse und des Verfahrens erlangt, sodass sie sich subjektiv befangen fühle.

[3] Für den Fall, dass der Senat von ihrer Befangenheit ausgehe, rege sie an, die Befangenheit für das gesamte Pflegschaftsverfahren und nicht bloß das konkrete Revisionsrekursverfahren auszusprechen. So könnten bei künftigen Rechtsmitteln in diesem Pflegschaftsakt neuerliche Stellungnahmen ihrerseits und die weitere Befassung des Ablehnungssenats unterbleiben.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Befangenheitsanzeige ist begründet.

[5] Hofrätin ***** zeigt an, dass sie sich subjektiv befangen fühle. Damit äußert sie Zweifel, eine von unsachlichen Motiven unbeeinflusste Entscheidung treffen zu können. In einem solchen Fall ist grundsätzlich Befangenheit anzunehmen (RIS‑Justiz RS0046053); anderes gilt nur dann, wenn die Anzeige offenkundig missbräuchlich oder die angegebenen Umstände ihrer Natur nach nicht geeignet wären, Befangenheit zu begründen (2 Ob 193/15v; 2 Nc 27/19x; 2 Nc 28/20w).

[6] Beides trifft hier nicht zu. Dass die Richterin die Mutter der Minderjährigen seit Jahrzehnten persönlich kennt und von Verwandten über dem Pflegschaftsverfahren zugrunde liegende Umstände informiert wurde, führt vielmehr nachvollziehbar zur subjektiven Befangenheit der Richterin.

[7] Da im Pflegschaftsverfahren möglicherweise auch in Zukunft Rechtsmittel an den ***** Senat des Obersten Gerichtshofs herangetragen werden und ausgeschlossen ist, dass sich zumindest an den objektiven, den Anschein der Befangenheit begründenden Umständen (insbesondere der persönlichen Bekanntschaft zwischen der Mutter und der Hofrätin) in Zukunft etwas ändern wird, war im Spruch die Befangenheit der Hofrätin für das (gesamte) Pflegschaftsverfahren auszusprechen (vgl 2 Nc 13/21s).

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