OGH 8ObA95/20h

OGH8ObA95/20h25.6.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Bianca Hammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Johannes Winkler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei A*****aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen 31.593,17 EUR sA, und Rechnungslegung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 10. Juni 2020, GZ 12 Ra 23/20v‑16, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 29. Jänner 2020, GZ 7 Cga 75/19p‑12, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00095.20H.0625.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.243,88 EUR (darin enthalten 373,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war bei der Beklagten von 1975 bis zu seiner Pensionierung 2019 als Angestellter beschäftigt. Auf sein Dienstverhältnis fanden der Sparkassen‑Kollektivvertrag in der jeweils geltenden Fassung, die Pensionsordnung der Betriebsvereinbarung 1966 sowie die Betriebsvereinbarung Pensionsreform 1999 Anwendung. Seit 1. 4. 2020 bezieht der Kläger eine Betriebspension von der Pensionskasse.

[2] Nach der Pensionsordnung der Betriebsvereinbarung 1966 gewährte die Beklagte ihren Mitarbeitern als direkte Leistungszusage eine Gesamtpension in Höhe von maximal 85 % der Pensionsbemessungsgrundlage unter Anrechnung allfälliger sonstiger Pensionsbezüge, insbesondere der ASVG‑Pension. Dabei wurde nicht zwischen weiblichen und männlichen Mitarbeitern differenziert. Mit 1. 1. 2000 wurde das System auf ein beitragsorientiertes System umgestellt. Dabei sollte auch das neue System die frühere direkte Leistungszusage abbilden. Dazu war es erforderlich, versicherungsmathematisch einen Beitrag zu ermitteln, der für jeden Mitarbeiter in die Pensionskasse einbezahlt werden sollte (Zielübertragung). Die dafür erforderlichen Parameter waren (ua) Eintrittsdatum, mögliches Pensionsantrittsdatum, damals bei Frauen zwischen 55 und 60 Jahren und bei bei Männern zwischen 60 und 65 Jahren, die ASVG‑Bemessungsgrundlage, die Einstufung und die ASVG‑Versicherungsjahre. Die Berechnung des Zielübertragungsbetrags erfolgte für Männer und Frauen mit denselben Parametern, allerdings wurden bei Frauen das frühe Pensionsantrittsalter und die damit in der Regel verbundene geringe ASVG‑Pension berücksichtigt.

[3] Im Zuge der Umstellung 1999/2000 gab es umfangreiche Informationsveranstaltungen. Die Mitarbeiter, darunter auch der Kläger, erhielten Informationsschreiben und Broschüren. Aus diesen ergab sich, dass auf die Gesamtpension abgestellt wird und die ASVG‑Pension einen wesentlichen Parameter darstellt. Es wurde auch die Zielübertragungsberechnung erklärt. Der Kläger erhielt wie jeder Mitarbeiter ein Stammdatenblatt und ein persönliches Berechnungsblatt. Auf diesem war unter anderem das Geschlecht, der frühestmöglich kalkulierte Pensionsantritt, der Pensionszahlungsbeginn und der errechnete Zielübertragungsbetrag ausgewiesen.

[4] Als der Kläger im Jahr 2018 die bekanntgegebene voraussichtliche Bruttopensionshöhe einer weiblichen Bekannten mit seinen Unterlagen verglich, fiel ihm auf, dass der Zielübertragungsbetrag bei seiner Bekannten höher als bei ihm war. Anfang 2019 wurde ihm von der Pensionskasse seine zu erwartende Pensionsleistung bekanntgegeben.

[5] Der Kläger begehrt gestützt auf § 12 Abs 2 GlBG, hilfsweise gestützt auf Schadenersatz und Nichtigkeit gemäß § 879 ABGB die Bezahlung von 31.593,17 EUR sA von der Beklagten an die Pensionskasse, Rechnungslegung über die an die Pensionskasse geleisteten Zahlungen und Offenlegung der Differenzbeträge, die sich aus einer geschlechtsneutralen Neuberechnung der geleisteten Zahlungen ergeben und Zahlung der sich daraus ergebenden noch zu konkretisierenden Differenzbeträge. In eventu möge festgestellt werden, dass die Beklagte dem Kläger für alle künftigen Schäden hafte, die daraus resultierten, dass die Beklagte Berechnungen im Zusammenhang mit der Betriebspension des Klägers nicht so durchgeführt habe, wie wenn es sich bei ihm um eine Frau handle. Durch die Berechnung des Deckungserfordernisses für weibliche Angestellte aufgrund eines um fünf Jahre früher möglichen Pensionsantritts und damit eines verkürzten Beitragszeitraums sei das Recht auf einen geschlechtsneutralen Anschluss an das Pensionskassensystem verletzt worden. Er habe erst 2018 anlässlich der Pensionierung einer Kollegin von Schaden und Schädiger erfahren, weshalb seine Ansprüche nicht verjährt seien.

[6] Die Beklagte bestritt und brachte vor, dass sie allen Mitarbeitern ohne Unterschied des Geschlechts eine Gesamtpension von maximal 85 % des letzten Monatsbezugs unter Anrechnung der ASVG‑Pension zugesagt habe. Die Errechnung des Zielübertragungs‑Deckungserfordernisses sei nach versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Zugrundelegung der individuell zu erwartenden Einkommensentwicklung, der noch zu leistenden monatlichen Pensionsbeiträge und der zum frühestmöglichen Pensionsantritt zu erwartenden ASVG‑Pension errechnet worden. Dies habe zu einem höheren Deckungserfordernis bei Frauen geführt. Die Anknüpfung an das gesetzliche Pensionsalter habe jedoch keine Schlechterstellung von Männern zur Folge. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Zahlung des Differenzbetrags wegen einer Diskriminierung verjährt.

[7] Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht erachteten das Klagebegehren als nicht berechtigt. Beide Vorinstanzen gingen davon aus, dass keine geschlechtliche Diskriminierung des Klägers vorliege. Selbst wenn aber ein Anspruch bestünde, sei dieser verjährt. Für Forderungen aus Entgeltdiskriminierung beginne die dreijährige Verjährungsfrist des § 15 Abs 1 GlBG mit der objektiven Möglichkeit der Rechtsausübung. Darüber hinaus wäre dem Kläger schon im Jahr 2000 erkennbar gewesen, dass die Berechnung seines Zielübertragungserfordernisses nicht der bei Frauen entspreche. Hinsichtlich der nachzuschießenden Arbeitgeberreserve sowie der laufenden Pensionskassenbeiträge in den letzten drei Jahren, erschöpfe sich das Vorbringen in der Behauptung einer Diskriminierung ohne jegliche Substantiierung. Diesbezüglich sei das Klagebegehren daher unschlüssig geblieben.

[8] Die ordentliche Revision wurde zugelassen, da sowohl die Frage der Entgeltdiskriminierung als auch der Verjährung über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.

[9] Gegen diese Entscheidung wendet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass der Klage stattgegeben wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[10] Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

[11] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[12] 1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt zur Frage der Verjährung von Ansprüchen nach § 12 Abs 2 GlBG iVm § 15 Abs 1 GlBG Stellung genommen.

[13] Nach dieser Rechtsprechung hat ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin, der/die ein geringeres Entgelt als ein Arbeitnehmer/eine Arbeitnehmerin des anderen Geschlechts erhält, gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Bezahlung der Differenz und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung. Der Entgeltbegriff ist dabei weit zu verstehen. Gemäß § 15 Abs 1 letzter Satz GlBG gilt für die Geltendmachung von Ansprüchen nach § 12 Abs 2 GlBG die dreijährige Verjährungsfrist des § 1486 ABGB. Die Verjährung beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis – zB mangelnde Fälligkeit – mehr entgegensteht. Die Bestimmungen des GlBG traten zwar erst mit 1. 7. 2004 in Kraft. Hinsichtlich des Differenzanspruchs enthielten aber bereits die früheren Bestimmungen des § 2a Abs 2 und des § 10b Gleichbehandlungsgesetz 1979 idF BGBl I 1998/44 vergleichbare Regelungen (9 ObA 161/15i mwN).

[14] 2. Da alle Formen von Betriebsrenten und Betriebspensionen unter den weiten Entgeltbegriff des Art 157 AEUV (früher Art 141 EG) bzw des GlBG fallen, gilt dies auch für den verfahrensgegenständlichen, mit Entgeltdiskriminierung begründeten Anspruch auf Erbringung eines nachträglichen Deckungserfordernisses, zumal das vom Arbeitgeber in die Pensionskasse zu leistende Deckungserfordernis inhaltlich nichts anderes ist, als eine vorweggenommene Pensions‑ und damit Entgeltzahlung. Auch dieser Anspruch unterliegt daher hinsichtlich der Verjährung den zuvor zitierten Bestimmungen. Das gilt auch für den Rechnungslegungsanspruch, der – wenn es sich wie hier um einen bloßen Nebenanspruch handelt – mit dem Hauptanspruch verjährt (vgl 9 Ob 24/07y mwN; RIS‑Justiz RS0028102).

[15] 3. Ausgehend von dieser Rechtsprechung hat das Berufungsgericht sowohl das Leistungsbegehren, das auf Zahlung der Differenz beim Zielübertragungsdeckungserfordernis gerichtet ist, als auch das diesbezügliche Rechnungslegungsbegehren sowie das Rechnungslegungsbegehren über die mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung fälligen Pensionskassenbeitragsdifferenzen als verjährt angesehen.

[16] Hinsichtlich des auf die Ermittlung der nachzuschießenden Arbeitgeberreserve sowie der laufenden Pensionskassenbeiträge in den letzten drei Jahren gerichteten Rechnungslegungsbegehrens sah das Berufungsgericht das Vorbringen des Klägers als nicht ausreichend substantiiert an.

[17] Hinsichtlich des eventualiter gestellten Begehrens auf Feststellung der Haftung für zukünftige Schäden aus der Entgeltdiskriminierung, verwies das Berufungsgericht darauf, dass der Arbeitnehmer nur eine die Zahlung einer ausreichend dotierten Zielübertragung verlangen könne, nicht die Entgeltdifferenz, da diese von der Pensionskasse zu leisten sei.

[18] 4. Mit dieser Rechtsauffassung des Berufungsgerichts setzt sich die Revision insgesamt nicht auseinander. Sie geht vielmehr davon aus, dass die Beklagte durch die intransparente Gestaltung der Unterlagen bei Überführung der Betriebspension in eine Pensionskasse ihre Fürsorgepflicht verletzt habe, weshalb dem Kläger die diskriminierende Berechnung nicht erkennbar gewesen sei. Damit sei dem Kläger ein Verjährungsschaden entstanden. Aufgrund der Unterlagen hätte er auch keine Veranlassung zu weiteren Erkundigungen gehabt.

[19] Abgesehen davon, dass der Kläger in erster Instanz seine Schadenersatzansprüche nicht auf eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch unzureichende Gestaltung der Informationsunterlagen gestützt hat und dieses Vorbringen somit gegen das Neuerungsverbot verstößt, gelingt ihm auch damit nicht, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen.

[20] Bei Schadenersatzansprüchen beginnt die dreijährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der Kenntnis von Schaden und Schädiger. Diese wird dann angenommen, wenn der Geschädigte die für die erfolgversprechende Anspruchsverfolgung notwendigen Voraussetzungen ohne nennenswerte Mühen in Erfahrung bringen kann. Dies gilt als in dem Zeitpunkt erlangt, in welchem sie ihm bei angemessener Erkundigung zuteil geworden wäre. Dabei ist auf die Umstände des konkreten Falls abzustellen. (RS0034327). Richtig ist, dass dabei die Erkundigungspflicht nicht überspannt werden darf. Dies ändert aber nichts daran, dass ihr Umfang jeweils eine Frage des Einzelfalls ist (RS0113916).

[21] 5. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dem Kläger aufgrund der Informationsbroschüren in Verbindung mit dem eigenen Stammdaten‑ und Berechnungsblatt mühelos erkennbar gewesen wäre, dass die Umwandlung in ein Pensionskassensystem auf den frühestmöglichen Pensionsantritt abstellt und damit Frauen nicht gleich behandelt würden, sowie dass bei Frauen ein kürzerer Zeitraum bei der Kapitalisierung der bereits erworbenen Anwartschaften und bei den laufenden Beitragszahlungen zugrunde gelegt werde.

[22] Tatsächlich werden in den Informationsbroschüren die Art der Pensionsberechnung und die dafür heranzuziehenden Parameter offengelegt, darunter das Geschlecht und das Pensionsantrittsalter. Auch kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden, dass das Pensionsantrittsalter nach dem ASVG für Männer und Frauen unterschiedlich ist und die damit regelmäßig bei Frauen geringeren Pensionszeiten auch zu einem geringeren Pensionsanspruch nach dem ASVG führen. Damit hält sich die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die unterschiedlichen Berechnungsmodalitäten für Männer und Frauen – jedenfalls im Hinblick auf das unterschiedliche ASVG‑Pensionsantrittsalter – bei objektiver Betrachtung auch für den Kläger offenkundig waren, im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[23] Ist aber die geschlechtspezifische Berechnung ausreichend offengelegt, ist schon für den Zeitpunkt der Zielübertragung von einer ausreichenden Erkennbarkeit der daraus folgenden, behaupteten Diskriminierung auszugehen. Insoweit sind auch auf Schadenersatz gestützte Ansprüche verjährt.

[24] 6. Die Frage, ob in der unterschiedlichen versicherungsmathematischen Berechnung des Zielübertragungsbetrags eine Geschlechtsdiskriminierung zu sehen ist, muss daher nicht weiter eingegangen werden.

[25] 7. Die Revision war daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zurückzuweisen.

[26] 8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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