OGH 9Ob37/21p

OGH9Ob37/21p27.5.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei M*****, vertreten durch Dr. Heimo Jilek und Dr. Martin Sommer, Rechtsanwälte in Leoben, gegen die beklagte und widerklagende Partei R*****, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, wegen 25.000 EUR sA (Klage zu AZ 35 Cg 14/19g) und 111.678,48 EUR sA (Widerklage zu AZ 35 Cg 108/19f), über die Revision der beklagten und widerklagenden Partei (Revisionsinteresse 25.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 5. Februar 2021, GZ 2 R 147/20k‑36, womit der Berufung der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 18. August 2020, GZ 35 Cg 14/19g‑31 (verbunden mit AZ 35 Cg 108/19f), nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00037.21P.0527.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte und widerklagende Partei hat der klagenden und widerbeklagten Partei die mit 1.647,18 EUR (darin enthalten 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte und Widerkläger (im Weiteren: Beklagte) erwarb mit Kaufvertrag vom 14. 10. 2016 vom Kläger und Widerbeklagten (im Weiteren: Kläger) eine Liegenschaft mit darauf befindlichem Wohnhaus. Gleichzeitig mit der Unterfertigung des Kaufvertrags vereinbarten die Parteien, dass der Kläger dem Beklagten ein Darlehen von 25.000 EUR, rückzahlbar bis 31. 12. 2018 für Adaptierungsarbeiten an der gekauften Liegenschaft gewährt.

[2] Nachdem es in der Folge zu Auseinandersetzungen hinsichtlich vom Beklagten geltend gemachter Mängel am Objekt kam, unterfertigten die Parteien am 1. 5. 2017 eine Vereinbarung mit dem Wortlaut: „Mit der Bezahlung von EUR 2.575,00 sind alle Forderungen und Garantieansprüche in der Zukunft abgedeckt. [Der Beklagte] verpflichtet sich, keine weiteren Forderungen an [den Kläger] zu stellen.“ Tatsächlich einigte man sich auf den Betrag von 3.000 EUR (statt 2.575 EUR), der handschriftlich hinzugefügt und vom Kläger auch bezahlt wurde. Mit E‑Mail vom 1. 5. 2017 schrieb der Beklagte dem Kläger: „Ich bestätige Ihnen hiermit, dass keine weiteren Forderungen meinerseits kommen werden. Alle restlichen Sachen werden von mir erledigt. Ich habe nur einen Punkt, der unabhängig ist von allem, erwähnt, nämlich im wirklich sehr unwahrscheinlichen Falle, dass der Pool nicht funktionsfähig sein würde (zB beim Befüllen brechen sollte) und ich ihn deswegen nicht verwenden könnte, wir uns nochmal zusammensetzen und eine Lösung finden (wie am Anfang besprochen) – aber wird nicht sein, ich wollte es nur erwähnen.“

[3] Der Kläger begehrt zu AZ 35 Cg 14/19g die Rückzahlung des Darlehens von 25.000 EUR sA.

[4] Der Beklagte bestreitet und bringt vor, es habe sich nicht um ein Darlehen gehandelt. Vielmehr habe dieser Betrag als Sicherheit gedient, da der Kläger sich im Kaufvertrag zur Beschaffung der Benützungsbewilligung, der Bezahlung der dafür erforderlichen Arbeiten sowie zu weiteren Leistungen verpflichtet habe, die er jedoch tatsächlich nicht erbracht habe. Aufgrund diverser Mängel am Objekt mache er insgesamt eine Gegenforderung von 239.508,07 EUR geltend. Der Vereinbarung vom 1. 5. 2017 habe er nur zugestimmt, weil er wenigstens eine Teilzahlung seiner Kosten habe erreichen wollen.

[5] Mit der zu AZ 35 Cg 108/19f erhobenen Widerklage begehrt der Beklagte (dortige Kläger) die Bezahlung von 111.678,48 EUR sA für Mängel am Objekt und für die Beschaffung der Benützungsbewilligung, zu der sich der Kläger verpflichtet habe.

[6] Der Kläger (dort Beklagte) bestreitet.

[7] Das Erstgericht sprach dem Kläger unter Verneinung der Gegenforderung 25.000 EUR sA (AZ 35 Cg 14/19g) zu und wies das Klagebegehren der Widerklage (AZ 35 Cg 108/19f) ab. Mit Vereinbarung vom 1. 5. 2017 habe der Beklagte auf die Geltendmachung weiterer Forderungen (ausgenommen allfälliger Mängel des Pools) verzichtet, und zwar auch in Bezug auf noch nicht bekannte Mängel. Hinsichtlich der Benützungsbewilligung sei nachträglich vereinbart worden, dass sich der Beklagte darum kümmern werde.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

[9] Die Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich zugelassen, weil aufgrund Nichtübernahme von Feststellungen möglicherweise die Bereinigungswirkung des Vergleichs zwischen den Parteien unrichtig beurteilt worden sei.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die ausschließlich gegen die Stattgebung des Klagebegehrens im Hauptverfahren AZ 35 Cg 14/19g gerichtete Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

[11] 1. Soweit der Beklagte von einer Aktenwidrigkeit ausgeht, weil er sich entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichts in seiner Parteieneinvernahme nicht zur Ausdehnung des Widerklagebegehrens habe äußern können, kommt es darauf schon deshalb nicht an, weil die Entscheidung über die Widerklage mit der Revision ausdrücklich nicht angefochten wird.

[12] 2. Ob der Kläger bei der Darlehensgewährung, dem Verkauf der Liegenschaft, und demzufolge auch bei Abschluss der Vereinbarung über die vom Beklagten monierten Mängel des Hauses als Unternehmer tätig geworden ist, richtet sich notwendigerweise nach den Umständen des Einzelfalls. Der Revision lässt sich nicht entnehmen, warum entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen der Verkauf des vom Kläger für seine Privatnutzung gedachten Objekts seiner unternehmerischen Sphäre zuzurechnen sein soll. Dasselbe gilt für den Abschluss der mit diesem Verkauf in engem Zusammenhang stehenden Vereinbarung vom 1. 5. 2017.

[13] 3. Was die Streitteile als Gegenstand der Streitbereinigung angenommen haben, bestimmt sich nach dem übereinstimmend erklärten Parteiwillen (RS0017954). Es gelten die Grundsätze der Vertrauenstheorie (RS0014696), sodass Vergleiche nach den allgemeinen Regeln auszulegen sind. Entscheidend für das Verständnis der wechselseitigen Erklärungen ist der objektive Erklärungswert (2 Ob 70/11z ua).

[14] Die Verhältnisse zur Zeit des Vergleichsabschlusses bilden – wenn nichts anderes vereinbart wurde – den Gegenstand des Vergleichs und damit auch seiner Bereinigungswirkung. Nur später eintretende Änderungen der Verhältnisse sind von der Bereinigungswirkung des Vergleichs nicht erfasst (9 ObA 96/92 uva). Die Bereinigungswirkung eines Vergleichs erstreckt sich „im Zweifel“ auf alle gegenseitigen Forderungen, an die die Parteien denken konnten (RS0032453 [T18]).

[15] Die Auslegung eines Vergleichs und ebenso die Beurteilung der Reichweite der Bereinigungswirkung können nur anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen und begründen daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (etwa 9 ObA 35/17p mwN).

[16] Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass die Vereinbarung zwischen den Parteien einen Generalvergleich darstellt, dem eine umfassende Bereinigungswirkung auch im Hinblick auf nur erkennbare, nicht nur bekannte Ansprüche zukommt, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums. Unabhängig davon, ob der Kläger den Vergleich formuliert hat, hat der Beklagte selbst in der Folge ausdrücklich betont, dass „keine weiteren Forderungen“ kommen werden und nur einen möglichen Schaden am Pool ausgenommen. Damit zeigt sich aber auch, dass der Beklagte den Fall noch nicht bekannter Mängel bei der Vereinbarung bedacht hat und mit einer entsprechenden Regelung einverstanden war.

[17] 4. Richtig ist, dass der Beklagte sich in erster Instanz allgemein auf Arglist berufen hat, wobei das diesbezügliche Vorbringen nur im Hinblick auf die Errichtung des Objekts „im Pfusch“ und dem damit verbundenen Verlust von Anfechtungsrechten ansatzweise konkretisiert wurde. In der Berufung machte der Beklagte dagegen im Zusammenhang mit seiner Beweisrüge geltend, dass der Kläger ihm Abweichungen des Bauvorhabens vom Einreichplan verschwiegen hätte, ein Vorbringen, dass er so in erster Instanz nicht erstattet hat. In der Revision beruft sich der Beklagte ebenfalls nur auf Arglist des Klägers konkret in Zusammenhang mit dem Verschweigen der Ergebnisse einer behördlichen Begehung. Da das diesbezügliche Tatsachenvorbringen aber in der Revision erstmals erstattet wurde, stellt dies eine unzulässige Neuerung da. Auch in diesem Punkte gelingt es dem Beklagten daher nicht, eine aufzugreifende Rechtsfrage aufzuzeigen.

[18] 5. Ausgehend von einer vergleichsweisen Regelung zwischen den Parteien über die Baumängel liegt im Umstand, dass keine Feststellungen zu diesen Mängeln getroffen wurden, kein sekundärer Verfahrensmangel.

[19] 6. Der Beklagte zeigt daher insgesamt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSv § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

[20] 7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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