European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0120OS00044.21V.0527.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Roland M***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und 2 erster Fall StGB idF BGBl I 2013/116 schuldig erkannt.
[2] Danach hat er am 15. August 2019 in S***** Vanessa S***** mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er sich gegen ihren Widerstand durch Aufdrücken der WC-Türe Zutritt zum Damen-WC des Lokals ***** verschaffte, anschließend die WC-Türe von innen verriegelte, sie gewaltsam an den Handgelenken erfasste und festhielt, während er sie mit seinem Körper gegen die Wand drückte und in der Folge einen vaginalen und analen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) der Vanessa S*****, und zwar eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10:F43I) zur Folge hatte.
Rechtliche Beurteilung
[3] Dagegen richtet sich die auf Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
[4] Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung des Antrags „auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Neurologie“ (ON 26 S 5) Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.
[5] Ein durch § 281 Abs 1 Z 4 StPO garantiertes Überprüfungsrecht hat der Beschwerdeführer nur dann, wenn er in der Lage ist, einen der in § 127 Abs 3 StPO angeführten Mängel von Befund oder Gutachten aufzuzeigen (RIS‑Justiz RS0117263). Diesem Erfordernis wurde der Antragsteller mit dem – auf das Bestehen einer posttraumatischen Vorbelastung des Opfers abzielenden – Vorbringen, wonach das vorliegende Gutachten nicht die durch SMS belegte Aussage des Opfers berücksichtigt habe, „wonach sie im Juni 2019 geschrieben hat, dass der Vorfall zu ihrem Geburtstag im Jahr 2018 in Verbindung mit der häuslichen Gewalt sich auf ihre Psyche so ausgewirkt hat, dass sie diese Vorfälle nicht verarbeitet hat“, nicht gerecht.
[6] Denn das Rechtsmittel übersieht, dass der Sachverständige genau zu diesem Beweisthema Stellung bezogen hatte (ON 26 S 3 f).
[7] Soweit sich der Beschwerdeführer auf einen schriftlichen Antrag (ON 21) bezieht, mit dem die Befangenheit des Sachverständigen geltend gemacht wurde, fehlt ihm mangels mündlicher Antragstellung in der Hauptverhandlung die erforderliche Beschwerdelegitimation (RIS‑Justiz RS0118060 [T2]).
[8] Die Mängelrüge (Z 5 erster und fünfter Fall) geht daran vorbei, dass die Tatrichter das Vorliegen einer die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Alkoholisierung des Angeklagten nicht aus der konstatierten Trinkmenge (vgl US 3: ca 10 Bier und drei bis vier Cola‑Rum), sondern aus dessen Erinnerungsfähigkeit an den Vorfall und aus Zeugenangaben zu dessen (zeitlicher und örtlicher) Orientiertheit abgeleitet haben (vgl US 12). Die Kritik an den Feststellungen zur Trinkmenge bezieht sich damit auf keinen erheblichen Umstand.
[9] Soweit der Beschwerdeführer (Z 5 vierter Fall) darüber spekuliert, dass es dem Angeklagten körperlich nicht möglich sein konnte, mit einer Hand die Handgelenke der Vanessa S***** hinter ihrem Kopf zu fixieren, sie bis zur Innenseite der Oberschenkel abzulecken, deren Unterhose auszuziehen und den Vaginalverkehr zu vollziehen, spricht er – angesichts der unbekämpft gebliebenen Konstatierungen zum nachfolgenden Analverkehr – keine für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage entscheidenden Tatsachen an.
[10] Die eine Tatbeurteilung nach § 287 Abs 1 StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) ist nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (vgl RIS‑Justiz RS0099810), weil sie die Konstatierungen ignoriert, wonach sich der Angeklagte nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befand und er fähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (US 3).
[11] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
[12] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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