OGH 8Ob46/21d

OGH8Ob46/21d29.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Alexander H*****, 2. Mag. Stefan H*****, 3. Dr. Eva‑***** H*****, alle *****, alle vertreten durch Poduschka Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, gegen die beklagte Partei Dipl.‑Kfm. Werner W*****, vertreten durch Dr. Andreas Weinzierl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 104.043,74 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 15. März 2021, GZ 2 R 13/21a‑21, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00046.21D.0429.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die in Österreich wohnhaften Kläger brachten vor, sie hätten über einen österreichischen Vermittler von zwei in München ansässigen Gesellschaften in den Jahren 2015 bis 2017 insgesamt 61 Container zu Anlagezwecken gekauft und gleichzeitig die Verkäufer mit der Verwaltung und Vermietung der Container gegen einen für die ersten fünf Jahre garantierten Tagesmietsatz beauftragt.

[2] Der in Deutschland ansässige Beklagte habe als Wirtschaftsprüfer in den Jahren 2016 und 2017 Berichte über die Prüfung des Jahresabschlusses und des Lageberichts der Verkäufer verfasst und dabei sorgfaltswidrig (teilweise auch eingeschränkte) Bestätigungsvermerke erteilt. Er hätte erkennen müssen, dass die Gesellschaften tatsächlich nicht in der Lage waren, ihren Verpflichtungen gegenüber Anlegern wie den Klägern nachzukommen. Er habe gewusst, dass seine Berichte publiziert und zu Werbezwecken verwendet würden und hafte deshalb für den Schaden der Kläger.

[3] Für das Verfahren seien österreichische Gerichte zuständig, weil sich die Emittentin mit Hilfe eines österreichischen Vermittlers bewusst an inländische Anleger gewendet habe und am Wohnort der Kläger die Anlageentscheidungen getroffen, die Verträge unterzeichnet und die Kaufpreise überwiesen worden seien.

[4] Das Erstgericht gab dem vom Beklagten erhobenen Einwand der internationalen Unzuständigkeit statt und wies die Klage zurück.

[5] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[6] Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Kläger ist mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[7] 1. Der Oberste Gerichtshof hat in der bereits vom Rekursgericht zitierten Entscheidung 1 Ob 22/20x, der ein völlig gleichartiger Sachverhalt zugrundelag, den Revisionsrekurs der dortigen Kläger auf folgender auszugsweise wiedergegebener Grundlage zurückgewiesen:

1. Nach Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 kann, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Orts geklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

2. Grundsätzlich kann der Geschädigte seine Ansprüche alternativ am Handlungs- oder Erfolgsort geltend machen (RIS‑Justiz RS0115357 [T19], RS0109078 [T27]). Der Oberste Gerichtshof hat unter Hinweis auf Urteile des EuGH (Löber, C‑304/17, ECLI:EU:C:2018:701; Universal Music International Holding, C‑12/15, ECLI:EU:C:2016:449; Kolassa, C‑375/13, ECLI:EU:C:2015:37) bereits ausgesprochen, dass die Gerichte am Wohnsitz des Anlegers dann für auf deliktische Ansprüche gestützte Klagen zuständig sind, wenn die anlage- und schadenstypisch beteiligten Konten bei Banken in Österreich gehalten wurden und darüber hinaus auch die sonst vorliegenden Umstände (insbesondere zB Erwerb in Österreich, Eingehen der Verpflichtung aufgrund von notifizierten Prospektangaben) zur Zuweisung an österreichische Gerichte anstelle der Gerichte am Wohnsitz des Beklagten beitragen (eingehend zum inhaltsgleichen Art 5 Z 3 LGVÜ 2007 5 Ob 240/18g [Punkt 5.8.4] mwN: Gerichtsstand bei Anlegerschaden wegen unrichtiger Prüfberichte eines Schweizer Notars).

3. Der Revisionsrekurswerber geht ebenso wie das Rekursgericht davon aus, dass sich zur Bejahung der internationalen Zuständigkeit die in besonderer anlage- und schadenstypischer Weise mit dem Geschäftsvorgang oder Schadensfall verknüpften schädigenden Vermögensdispositionen im Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte ereignen und auch sonstige spezifische Gegebenheiten der Situation vorliegen müssen, die nicht zum (Wohn‑)Sitz des Beklagten, sondern in den Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte weisen.

Das Rekursgericht legte die Behauptungen des Klägers zugrunde, dass er den Vertrag mit der deutschen GmbH in Wien abgeschlossen und den Kaufpreis für die Container von einem bei einer österreichischen Bank geführten Konto (auf deutsche Geschäftskonten) überwiesen habe. Darüber hinaus lägen aber keine ′′spezifischen Gegebenheiten′′ vor, die einen Bezug zu Österreich aufweisen. Der Beklagte habe bei Verfassung des Bestätigungsvermerks ausschließlich die einschlägigen deutschen Rechtsvorschriften zu beachten gehabt und die Veröffentlichung dieses Bestätigungsvermerks habe gemäß § 325 Abs 1 dHGB nur im Bundesanzeiger, einem in Deutschland elektronisch geführten Publikationsorgan, erfolgen müssen. Der Kläger bringe nicht vor, dass er den Bestätigungsvermerk jemals gelesen und als Entscheidungsgrundlage genützt habe. Die gebrauchten Seefrachtcontainer, in die der Kläger investiert habe, hätten sich niemals in Österreich befunden, sondern wären im Seehandel zum Einsatz gekommen. Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Landesgerichts könne mangels der vom EuGH geforderten ′′spezifischen Gegebenheiten′′ nicht aus Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 abgeleitet werden.“

[8] 2. Die Gerichte des Wohnsitzes des Anlegers als Gerichte des Orts, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, sind dann für die Entscheidung zuständig, wenn sich die in besonderer anlage- und schadenstypischer Weise mit dem Geschäftsvorgang oder Schadensfall verknüpften schädigenden Vermögensdispositionen im Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte ereigneten und sonstige spezifische Gegebenheiten der Situation vorliegen, die nicht zum (Wohn-)Sitz des Beklagten, sondern in den Zuständigkeitsbereich inländischer Gerichte weisen (EuGH C‑304/17, Löber ; 5 Ob 240/18g mwN).

[9] Ob „Gegebenheiten“ im Sinne dieser Rechtsprechung in ausreichender Weise und mit entsprechendem Gewicht vorliegen, ist eine nicht revisible Frage der konkreten Einzelfallbeurteilung (1 Ob 22/20x).

[10] Eine korrekturbedürftige Überschreitung des dem Rekursgericht für die Beurteilung, ob im Anlassfall ausreichende nach Österreich weisende Anknüpfungspunkte vorliegen, eingeräumten Spielraums ist hier nicht zu erkennen. Bei der Beurteilung der „spezifischen Gegebenheiten“ kommt es nicht nur auf die Anzahl von einzelnen Sachverhaltselementen an, die auf eine inländische Zuständigkeit weisen, sondern auf ihre Bedeutung im Verhältnis zwischen den Verfahrensparteien.

[11] Dem Vorbringen der Kläger ist nicht zu entnehmen, welche näheren Umstände der Anlagevermittlung, der Erweckung des Anlageentschlusses und der konkreten Zahlungsabwicklung gerade dem Beklagten zuzurechnen wären, der daran nicht beteiligt war. Grundlage für den erhobenen Schadenersatzanspruch ist die Behauptung eines ihm bei der stichtagsbezogenen Abschlussprüfung in Deutschland unterlaufenen Fehlers, wobei sich der Vorwurf auf Fahrlässigkeit beschränkt. Es wird auch gar nicht behauptet, dass der bei einem ganz allgemeinen vorgesehenen Bestätigungsvermerk eines Abschlussprüfers etwa bei der Beurteilung der Werthaltigkeit von Forderungen einzuhaltende Sorgfaltsmaßstab davon abhängig wäre, ob er von einer auf Deutschland beschränkten Publikation des Prüfungsergebnisses oder auch mit einer Verwendung im Ausland rechnen musste.

[12] Nach den Klagsangaben haben die Kläger ihre ersten Container bereits erworben, bevor der Beklagte überhaupt als Abschlussprüfer tätig wurde. Sie können sich danach nicht darauf berufen, dass ihr ursprünglicher Anlageentschluss im Vertrauen auf das Testat des Beklagten getroffen wurde. In diesem Fall begründet es aber umso weniger eine aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Rekursgericht den Umständen der Vermittlung, Fassung des Entschlusses und finanziellen Abwicklung der späteren Nachkäufe keine im Einzelfall ausnahmsweise die Zuständigkeit österreichischer Gerichte begründende spezifische Bedeutung beigemessen hat.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte