European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:008OBA00023.21X.0428.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Dem Beklagten wurde das klagsstattgebende Urteil erster Instanz am 29. 1. 2020 durch Hinterlegung zugestellt. Die Sendung wurde nach Ablauf der Hinterlegunsgfrist als nicht behoben an das Erstgericht retourniert.
[2] Am 14. 5. 2020 beantragte der Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und erhob unter einem Berufung. Dem Beklagten sei eine Benachrichtigung zur Hinterlegung nicht zugestellt worden; falls doch, müsste er sie versehentlich mit der ebenfalls zugestellten Werbung entsorgt haben.
[3] Das Erstgericht wies den Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurück.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge, änderte aber den Spruch des angefochtenen Beschlusses dahin ab, dass der Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen wurde. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten unterliegt zwar nicht dem Rechtsmittelausschluss nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, weil eine abändernde Entscheidung vorliegt, wenn die erste Instanz den Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurückweist, das Rekursgericht den Antrag aus sachlichen Gründen abweist (RIS‑Justiz RS0044263; 1 Ob 589/87 ua). Der Beklagte vermag aber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
[6] 2.1 Die unverschuldete Unkenntnis einer Partei von einer ordnungsgemäßen Zustellung ist ein Wiedereinsetzungsgrund nach § 146 Abs 1 ZPO (RS0107394). Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund ist vom Wiedereinsetzungswerber zu bescheinigen (vgl 8 ObA 31/01v).
[7] 2.2 Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob der Beklagte die Hinterlegungsnachricht gesehen und sie bewusst ignoriert hat oder ob er diese in irgendeiner Form verloren bzw irrtümlich mit Werbematerial weggeworfen hat.
[8] Ausgehend von dieser (von ihm übernommenen) Negativfeststellung kam das Rekursgericht zu dem Schluss, dass der Beklagte den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund nicht dargetan hat bzw unklar geblieben ist, ob ein Hinderungsgrund im Sinne des § 146 Abs 1 ZPO überhaupt eingetreten ist.
[9] 3.1 Die Ausführungen des Beklagten, es sei bei einem Wiedereinsetzungsantrag sehr wohl auf den Grad des Verschuldens für das Versäumen der Frist abzustellen, gehen an der Sache vorbei. Die Frage, ob dem Wiedereinsetzungswerber ein Verschulden zur Last zu legen ist, das die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hindert, stellt sich überhaupt erst, wenn es ihm gelungen ist, einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen. Das ist hier nicht der Fall.
[10] 3.2 Die Bekämpfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu der – dem bescheinigunsgpflichtigen Beklagten zur Last fallenden – Negativfeststellung ist in dritter Instanz unzulässig (RS0002192 [insb T20]).
[11] 4. Die gerügte „Verletzung von Verfahrensvorschriften“ wird nicht weiter ausgeführt.
[12] 5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO war der außerordentliche Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.
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