OGH 14Os142/20v

OGH14Os142/20v27.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. April 2021 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel LL.M. sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pauritsch in der Strafsache gegen ***** L***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 13. Oktober 2020, GZ 40 Hv 88/20w‑30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0140OS00142.20V.0427.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde ***** L***** je eines Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach (richtig) §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (1) und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 (zu ergänzen) zweiter Fall StGB (2) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in A***** und an anderen Orten

(1) am 21. Juni 2019 mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an dessen Recht auf Verfolgung von Verwaltungsübertretungen zu schädigen, den Polizeibeamten ***** La***** als Leiter der Autobahnpolizeiinspektion S***** durch Übersendung einer E‑Mail des Inhalts „Möchte Sie bitte auf Grund des Vorfalls Ihrer Polizisten von einer Anzeige gegen mich abzusehen“, wissentlich zu bestimmen versucht, von einer Anzeigeerstattung gegen ihn an die zuständige Bezirkshauptmannschaft wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung auf einer Autobahn Abstand zu nehmen, sohin seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen und

(2) am 15. Oktober, am 23. Oktober sowie am 27. Oktober 2019 durch die in seinen Beschwerde-E-Mails an die Landespolizeidirektion Salzburg enthaltenen Behauptungen, die Polizeibeamten ***** M***** und ***** B***** hätten der Bezirkshauptmannschaft S***** ein inhaltlich falsches Protokoll vorgelegt, diese beiden Beamten dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er sie einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten Handlung, nämlich jeweils des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, falsch verdächtigte, wobei er wusste, dass die Verdächtigung falsch war.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und b sowie 11 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht im Recht.

[4] Zum Schuldspruch 1 stützten die Tatrichter die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen sowie zum Bedeutungsinhalt der verfahrensgegenständlichen E-Mail (als Versuch, den Adressaten zur Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung wegen Überschreitung einer durch Vorschriftszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit nach § 52 lit a Z 10a StVO 1960 zu veranlassen; US 3 ff iVm US 2 f) auf die Aussagen der Zeugen M*****, B***** und La***** im Verein mit dem Inhalt des Schreibens (US 6 ff). Die Konstatierungen zur subjektiven Tatseite leiteten sie aus den äußeren Tatumständen ab und verwiesen dazu auch auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer die Bezahlung einer ihm vor Anzeigeerstattung angebotenen Organstrafverfügung (§ 50 VStG) abgelehnt hatte, sowie auf den Inhalt des vor der Übersendung der E‑Mail zwischen ihm und La***** geführten Telefonats (US 9).

[5] Dass diese – von der Rüge teilweise übergangenen (vgl aber RIS‑Justiz RS0119370) – Erwägungen Denkgesetzen oder grundlegenden Erfahrungswerten widersprächen (RIS‑Justiz RS0118317), vermag die Beschwerde (Z 5 vierter Fall) nicht aufzuzeigen (vgl auch RIS‑Justiz RS0098671).

[6] Ob bestimmungsgemäßes Verhalten des Beamten in objektiver Hinsicht Befugnisfehlgebrauch oder – wie von der Beschwerde mit dem Hinweis auf § 45 VStG vage in den Raum gestellt – eine (nicht auf Basis unsachlicher Kriterien getroffene) Entscheidung innerhalb des Ermessensspielraums des Bestimmten (vgl zum Ganzen Nordmeyer in WK² StGB § 302 Rz 113 ff) darstellen würde, betrifft eine – auf Grundlage der getroffenen Feststellungen zu lösende – Rechtsfrage, deren Beurteilung nicht Gegenstand der Mängelrüge sein kann (RIS-Justiz RS0099407; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 413).

[7] Bei ihrem Vorwurf, das Erstgericht habe sich in Bezug auf die subjektive Tatseite nicht mit der Frage auseinandergesetzt, „ob der Angeklagte lediglich die angebotene Einspruchsmöglichkeit nutzen und eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, beispielsweise gemäß § 45 VStG, begehren wollte“, nennt die Beschwerde keine eine solche Intention indizierenden, von den Tatrichtern übergangenen (Z 5 zweiter Fall) Verfahrensergebnisse und macht solcherart einen Begründungsmangel nicht deutlich und bestimmt geltend.

[8] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zum Schuldspruch 1 vermisst Feststellungen zum Wissen des Angeklagten (§ 5 Abs 3 StGB) betreffend einen vorsätzlichen Befugnismissbrauch durch einen Beamten (zu den Vorsatzerfordernissen des Bestimmungstäters als Extraneus siehe RIS‑Justiz RS0108964), lässt aber die gerade dazu getroffenen Konstatierungen (US 5, 9 ff) außer Acht und verfehlt damit den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).

[9] Gleiches gilt für die Behauptung des Fehlens von Feststellungen zum „objektiven Tatbestand des Befugnismissbrauchs“, nämlich zu einer „Handlung, die einen Missbrauch der Befugnisse darstellt“. Insoweit übergeht die Rüge nämlich die oben dargestellten Konstatierungen, nach denen der Angeklagte den Polizeibeamten La***** durch die verfahrengegenständliche E‑Mail zur Abstandnahme von einer Anzeigeerstattung wegen Überschreitens einer durch Vorschriftszeichen kundgemachten Höchstgeschwindigkeit nach § 52 lit a Z 10a StVO 1960 veranlassen wollte, und dabei im Wissen handelte, der Genannte werde bei bestimmungsgemäßem Verhalten „wissentlich“ seine Befugnis missbrauchen (erneut US 3 ff, 5, 9 ff; vgl zu den Entscheidungsbefugnissen der Exekutivorgane im Rahmen der Verkehrspolizei auf Autobahnen im Übrigen eingehend 17 Os 16/12z).

[10] Aus welchem Grund die – im Rahmen der Mängelrüge ins Treffen geführte – Bestimmung des § 45 VStG der vorgenommenen Subsumtion entgegenstehen sollte, obwohl darin (bloß) die Voraussetzungen für das Absehen von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens durch die Behörde normiert werden, erklärt die Beschwerde nicht und verfehlt solcherart auch unter dem Aspekt der Z 9 lit a die prozessordnungskonforme Darstellung (RIS‑Justiz RS0116565; vgl im Übrigen auch § 50 Abs 6 VStG iVm US 3).

[11] Die gegen den Schuldspruch 2 gerichtete Rechtsrüge (Z 9 lit a), die den Tatbestand der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB als nicht erfüllt betrachtet, weil es an hinreichenden Feststellungen zur Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) des Angeklagten in Ansehung der Falschbezichtigung der beiden Beamten fehle, entwickelt ihre Kritik gleichfalls nicht auf der Basis der Gesamtheit der dazu getroffenen Konstatierungen (US 5, 9 ff), weshalb sie sich ebenfalls als nicht gesetzmäßig ausgeführt erweist (erneut RIS‑Justiz RS0099810).

[12] Auch mit der Behauptung (nominell Z 9 lit b, der Sache nach Z 9 lit a), der Angeklagte habe „lediglich im Rahmen der Verteidigungsrechte des Artikel 6 EMRK bzw § 7 StPO“ gehandelt, weil nur eine „Negierung des Beweiswerts einer Anzeige“ vorliege, orientiert sie sich nicht an den Urteilskonstatierungen eines bewusst falschen Vorwurfs der wahrheitswidrigen Protokollierung ([auch] der Aussage des Angeklagten, die ihm angebotene Organstrafverfügung nicht zu bezahlen) durch Polizeibeamte (US 5 f iVm ON 2 S 19). Im Übrigen findet das Recht auf materielle Verteidigung – auch im Verwaltungsstrafverfahren (RIS‑Justiz RS0096770 [T1]) – dort seine Grenze, wo der Angeklagte die Stellung (hier) als Beschuldigter zur Verletzung der Rechte anderer benützt (RIS‑Justiz RS0096638 [insb T2], RS0097595 [T3, T4, T5]; Pilnacek/Swiderski in WK 2 StGB § 297 Rz 43; Leukauf/Steininger/Tipold , StGB 4 § 3 Rz 20 f; Leukauf/Steininger/Zöchbauer/Bauer , StGB 4 § 297 Rz 20 ff).

[13] Mit der Argumentation (nominell Z 11), die Freiheitsstrafe erweise sich als „überhöht“ und es seien weitere Milderungsgründe unberücksichtigt geblieben, wird bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (RIS‑Justiz RS0099911).

[14] Das auf die Feststellung, dass dem Angeklagten die „Möglichkeit eines Einspruchs angeboten“ wurde, Bezug nehmende weitere Vorbringen (nominell Z 11, der Sache nach Z 9 lit a), der Umstand, dass „die Form des gewählten Einspruchs nicht gesetzeskonform und gemäß §§ 12, 15, 302 StGB gewertet“ worden sei, begründe einen Rechtsirrtum, der im Falle der Vorwerfbarkeit mildernd zu berücksichtigen wäre, spricht der Sache nach einen Tatbildirrtum (vgl dazu RIS‑Justiz RS0088950; Nordmeyer in WK 2 StGB § 302 Rz 136 mwN) an und wendet sich solcherart unzulässig gegen die zum Schuldspruch 1 getroffenen – mit Mängelrüge nicht erfolgreich bekämpften – Konstatierungen zur subjektiven Tatseite (erneut US 5, 10 f).

[15] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

[16] Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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