OGH 3Ob28/21w

OGH3Ob28/21w22.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. W*****, 2. K*****, beide vertreten durch Draxler Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. W*****, vertreten durch Mag. Nikolaus Blauensteiner, Rechtsanwalt in Krems, 2. A*****, vertreten durch Wieneroiter Raffling Tenschert & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 3. O*****, vertreten durch Dr. Birgit Riel‑Katschthaler, Rechtsanwältin in Krems, wegen insgesamt 67.041,33 EUR sA, hier wegen Ablehnung, über I. die Rekurse der erst‑ und der drittbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 13. November 2020, GZ 16 Nc 15/20g‑3, und II. den Rekurs der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 18. Dezember 2020, GZ 16 Nc 15/20g‑9, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00028.21W.0422.000

 

Spruch:

I. Den Rekursen der erst- und der drittbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die erst‑ und die drittbeklagte Partei sind zur ungeteilten Hand schuldig, der erstklagenden Partei die mit 1.529,88 EUR (hierin enthalten 254,98 EUR USt) und der zweitklagenden Partei die mit 655,67 EUR (hierin enthalten 109,28 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung jeweils binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Rekurs der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

I.

[1] Mit Beschluss vom 13. November 2020, ON 3, wies das Erstgericht die von allen drei Beklagten erklärte Ablehnung der Senatspräsidentin und zweier Mitglieder eines Berufungssenats des Oberlandesgerichts Wien zurück.

[2] Gegen diesen Beschluss richten sich die Rekurse des Erst‑ und des Drittbeklagten jeweils mit dem Abänderungsantrag, die drei Richter für befangen zu erklären.

[3] Die Kläger beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, die Rekurse zurück‑, hilfsweise abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[4] Die Rekurse sind nicht berechtigt.

[5] 1. Ein Richter ist nach § 19 Z 2 JN befangen, wenn Umstände vorliegen, die es nach objektiver Prüfung und Beurteilung rechtfertigen, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen (RIS‑Justiz RS0046024 [T2]), insbesondere wenn er nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RS0046024 [T3]). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen (RS0045949), soll doch schon der Anschein, ein Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, jedenfalls vermieden werden (RS0045949 [T4]). Allerdings soll es durch die Regelungen über das Ablehnungsrecht nicht ermöglicht werden, sich nicht genehmer Richter zu entledigen (RS0046087).

[6] 2.1. Die Beklagten stützten ihre Ablehnung der drei Rechtsmittelrichter in erster Linie darauf, dass der Berufungssenat zu Unrecht den in der Berufung geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO verneint habe, obwohl der Erstrichter von der Einvernahme der Beklagten abgesehen habe, die in der (einzigen) Streitverhandlung ohnehin anwesend gewesen seien.

[7] 2.2. Es trifft zwar zu, dass Verfahrensmängel (ausnahmsweise) dann für die Befangenheit eines Richters sprechen können, wenn sie dermaßen schwerwiegend sind, dass sie die mangelnde Objektivität des Richters erkennen bzw mit Grund an seiner Objektivität zweifeln lassen (RS0046090 [T1, T7]). Von einem solchen ganz gravierenden Rechtsverstoß des Berufungssenats kann hier aber schon deshalb keine Rede sein, weil er die geltend gemachte Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO in korrekter Anwendung der ständigen Rechtsprechung verneinte, wonach dieser Nichtigkeitsgrund nur bei völligem Ausschluss der Partei von der Verhandlung vorliegt (RS0107383), während die bloße Unterlassung der Parteienvernehmung keine Nichtigkeit, sondern höchstens einen einfachen Verfahrensmangel bewirken kann (vgl RS0107383 [T5]).

[8] 3. Soweit die Beklagten die angebliche Befangenheit der Mitglieder des Berufungssenats weiters aus der – ihres Erachtens unberechtigten – Verneinung der von ihnen in der Berufung gerügten Verfahrensmängel ableiten wollen, genügt der Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts, wonach eine Ablehnung von Richtern nicht erfolgreich auf die Behauptung gestützt werden kann, sie hätten an einer unrichtigen Sachentscheidung mitgewirkt (RS0045975 [T3]).

[9] 4. Das Erstgericht hat die unberechtigte Ablehnung daher zu Recht zurückgewiesen.

[10] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Das Ablehnungsverfahren bildet einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RS0126588). Das (richtige) Berufungsinteresse des Erst- und des Drittbeklagten (67.041,32 EUR) entfällt zu rund 70 % auf den Erstkläger und zu rund 30 % auf die Zweitklägerin.

II.

[11] Mit Beschluss vom 18. Dezember 2020, ON 9, wies das Erstgericht den Antrag (ua) der Zweitbeklagten auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im vollen Umfang, insbesondere durch Beigebung eines Verfahrenshelfers, zur Einbringung eines Rekurses gegen den Beschluss ON 3 zurück.

[12] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Zweitbeklagten mit einem Abänderungsantrag in Richtung der Bewilligung der Verfahrenshilfe.

[13] Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

[14] Der Rekurs ist unzulässig.

[15] 1. Gemäß § 528 Abs 2 Z 4 ZPO ist die Überprüfung einer Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über die Verfahrenshilfe unabhängig von der Art der Erledigung dem Obersten Gerichtshof entzogen (vgl RS0052781 [T3, T9]).

[16] 2. Dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch dann, wenn ein Rechtsmittelgericht – wie hier – funktionell als Erstgericht über einen Verfahrenshilfeantrag entschieden hat (RS0113116).

[17] 3. Der Rekurs ist daher ohne inhaltliche Prüfung zurückzuweisen.

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