OGH 4Ob196/20g

OGH4Ob196/20g20.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka und die Hofrätin Mag. Istjan LL.M. als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A***** regGenmbH, *****, vertreten durch Zacherl Schallaböck Proksch Manak Kraft Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte C***** Sàrl, *****, vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH in Wien, Nebenintervenienten auf Seiten der Beklagten 1. T***** GmbH, *****, vertreten durch Lansky, Ganzger & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. Ö***** KG, *****, vertreten durch Mag. Gerhard Bauer, Rechtsanwalt in Wien, 3. S***** GmbH, *****, 4. P***** GmbH, *****, beide vertreten durch Ploil Boesch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 108.500 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 30. Juni 2020, GZ 5 R 23/20v‑89, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00196.20G.0420.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die klagende Verwertungsgesellschaft macht gegen die beklagte Anbieterin von Satelliten-TV-Programmen (Satellitenbouquets) Unterlassungs-, Rechnungslegungs- und Zahlungsansprüche wegen der zustimmungslosen Sendung bzw Weiterverbreitung von urheberrechtsrelevanten Werken aus dem Repertoire der Klägerin geltend.

[2] Die Beklagte bestritt ua die Aktivlegitimation der Klägerin sowie das Bestehen einer Vergütungspflicht, weil durch ihre Tätigkeit keine neue Öffentlichkeit erreicht werde. Darüber hinaus verfügten die Rundfunkunternehmen über die entsprechenden Senderechte für die Ausstrahlung ihrer Programme über die technischen Einrichtungen der Beklagten.

[3] Einige dieser Rundfunkunternehmen, darunter die Ö***** KG (diese als zweite Nebenintervenientin) traten dem Streit auf Seiten der Beklagten bei.

[4] Die Klägerin beantragte die Zurückweisung der Zweitnebenintervenientin mangels rechtlichen Interesses.

[5] Das Erstgericht wies daraufhin diese Nebenintervention zurück, das von der Zweitnebenintervenientin angerufene Rekursgericht ließ deren Nebenintervention zu.

[6] Mit ihrem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt die Klägerin die Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts. Das Rechtsmittel zeigt jedoch keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[7] 1. Ob der Beitretende das nach § 17 Abs 1 ZPO erforderliche rechtliche Interesse an einem Beitritt hat, kann grundsätzlich nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden und bildet daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (6 Ob 140/12z; RS0106173 [T4]). Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende krasse Fehlbeurteilung seitens des Rekursgerichts ist hier nicht anzunehmen:

[8] 2. Das für die Zulässigkeit einer Nebenintervention geforderte rechtliche Interesse auf Seiten des Beitretenden liegt vor, wenn sich die Entscheidung unmittelbar oder mittelbar auf dessen privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verhältnisse günstig oder ungünstig auswirkt (6 Ob 88/17k). Bei der Beurteilung, ob die Nebenintervention zulässig ist, ist kein strenger Maßstab anzulegen. Es genügt, dass der Rechtsstreit die Rechtssphäre des Nebenintervenienten berührt (RS0035638). Im Allgemeinen wird ein rechtliches Interesse daher gegeben sein, wenn durch das Obsiegen der Hauptpartei die Rechtslage des Dritten verbessert oder durch deren Unterliegen verschlechtert wird (RS0035724 [T3]). Dies ist nach der Rechtsprechung insbesondere dann der Fall, wenn einem Dritten in einem Folgeprozess Regressansprüche als Folge des Prozessverlusts der Partei im Hauptprozess drohen (RS0106173 [T2]). Dabei reicht aus, wenn der Nebenintervenient einen zu befürchtenden Rückgriff plausibel darstellen kann. Die denkbaren rechtlichen Schritte in einem drohenden Regressprozess sind vom Nebenintervenienten nicht im Einzelnen konkret darzustellen (RS0035724 [T9], RS0106173 [T5, T7]). Eine detaillierte Vorwegprüfung möglicher Regressansprüche hat im Streit um die Zulässigkeit des Beitritts als Nebenintervenient also nicht zu erfolgen (6 Ob 140/12z, 6 Ob 219/12t). Ein rechtliches Interesse ist vor allem dann zu bejahen, wenn dem Beitretenden (wie hier) die Geltendmachung von Regressansprüchen bereits in Aussicht gestellt wurde (5 Ob 67/10d; 6 Ob 140/12z; 6 Ob 219/12t; 6 Ob 88/17k). Schon die Gefahr der künftigen Inanspruchnahme im Wege eines Regressprozesses bildet nämlich ein ausreichendes rechtliches Interesse für den Beitritt als Nebenintervenient. Bei ausdrücklicher Ankündigung von Regressansprüchen muss der Nebenintervenient jedenfalls mit der ernsthaften Möglichkeit seiner künftigen Inanspruchnahme rechnen. Hingegen kann von einem Beitretenden nicht erwartet werden, dass er in seinem Beitrittsschriftsatz auch die rechtlichen Grundlagen für die Geltendmachung von Regressansprüchen gegen ihn substanziiert darlegt. Es genügt die ernsthafte Möglichkeit, dass solche Ansprüche erhoben werden (vgl 6 Ob 140/12z; 6 Ob 219/12t).

[9] 3. Die – von der Klägerin behauptete – offensichtliche Aussichtslosigkeit der Regressandrohung der Beklagten hat das Rekursgericht (implizit) vertretbar verneint, zumal aus der Vorlage zweier Vertragsurkunden seitens der Beitretenden (deren Inhalt ihren Rechtsstandpunkt untermauern soll, wonach sie der Beklagten eine deren Nutzungshandlungen umfassende Rechteeinräumung seitens des Rechteinhabers nicht zugesichert habe) für sich genommen nicht geschlossen werden kann, dass die in Aussicht gestellte Inanspruchnahme seitens der Beklagten offenkundig aussichtslos wäre. Eine dafür erforderliche Beurteilung der Vertragslage zwischen der Beklagten und der Beitretenden ist ohne erschöpfende Prüfung der konkreten Umstände des Geschäftsabschlusses sowie des zugrundeliegenden Parteiwillens der Vertragsteile nicht möglich. Auch der im Revisionsrekurs relevierte Umstand, dass die Beklagte der entsprechenden Darstellung der Beitretenden nicht gesondert entgegengetreten ist, verfängt nicht, zumal die Beklagte im vorliegenden Verfahren im Verhältnis zur Beitretenden gar nicht zu einem substanziierten Bestreitungsvorbringen verhalten war. Entgegen dem Rechtsmittelvortrag der Klägerin folgt die angestrebte Zurückweisung der Nebenintervention auch nicht zwingend aus dem Prozessvorbringen der Beitretenden selbst, wonach der angedrohte Regress aussichtslos sei. Wie dargelegt reicht es aus darzutun, dass im Fall des Unterliegens der Beklagten die ernsthafte Möglichkeit der Erhebung von Regressansprüchen bestünde; eine solche lässt sich aber bereits aus der hier vorliegenden Ankündigung der Inanspruchnahme ableiten.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte