OGH 5Ob205/20p

OGH5Ob205/20p15.4.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** B*****, vertreten durch Mag. Jörg Zarbl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch die Marschall & Heinz Rechtsanwalts‑Kommandit‑Partnerschaft in Wien, wegen 5.250 EUR samt Nebengebühren, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. Juli 2020, GZ 60 R 31/20v‑22, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 12. Februar 2020, GZ 16 C 170/19w‑18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00205.20P.0415.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 501,91 EUR (darin 83,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte ist eine Treuhandgesellschaft mit Sitz in Deutschland und Gründungskommanditistin einer deutschen GmbH & Co KG (in der Folge kurz „Kommanditgesellschaft“), deren Geschäftsgegenstand die unmittelbare und mittelbare Beteiligung an Immobilienprojekten ist. Die Beklagte ist gemäß § 4 Abs 3 des Gesellschaftsvertrags berechtigt, ihre Kommanditeinlage als Treuhänderin für Dritte um den Betrag von bis zu 34.997.000 EUR zu erhöhen und als Treuhänderin im Sinn eines Treuhandvertrags zu fungieren. Nach § 5 Z 1 des Gesellschaftsvertrags der Kommanditgesellschaft hält und verwaltet die Beklagte, soweit sie Kommanditeinlagen für Treugeber übernimmt, diese nach Maßgabe eines separat abzuschließenden Treuhand- und Verwaltungsvertrags.

[2] Die Beklagte vermittelt diese Beteiligungen unter anderem auch – wie im Fall der Klägerin – über in Österreich tätige Vermögensberater. Die Klägerin ist eine private Anlegerin mit Wohnsitz in Österreich. Sie zeichnete im Juni 2012 in Österreich eine „Beitrittserklärung Österreich“ an der Kommanditgesellschaft über die Beklagte als Treuhänderin mit einem Nominale von 5.000 EUR zuzüglich 5 % Agio und zahlte den Betrag auf ein Konto der Beklagten ein. Die Beklagte übermittelte der Klägerin eine Zahlungseingangsbestätigung und ein Beteiligungszertifikat und sie informierte sie regelmäßig über die Entwicklung ihrer Veranlagung. So bekam die Klägerin von der Beklagten jährlich eine Bilanz zugeschickt.

[3] Mit Schreiben vom 6. 9. 2018 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten wegen Nichtübermittlung einer Bestätigung über die wesentlichen Merkmale der Veranlagung den Rücktritt vom Vertrag.

[4] Die Klägerin begehrte die Rückzahlung von 5.250 EUR samt Zinsen Zug um Zug gegen das Angebot der Übertragung ihrer Treugeberstellung bzw Rechte und Pflichten aus dem Treuhandvertrag mit der Beklagten als Treuhänderin betreffend die Kommanditbeteiligung.

[5] Das Erstgericht gab der Klage statt.

[6] Die Klägerin begehrte die Rückabwicklung des zwischen den Streitteilen gültig vereinbarten Treuhand- und Verwaltungsvertrags. Die Passivlegitimation der Beklagten sei daher zu bejahen. Die Rechte und Pflichten aus diesem Vertragsverhältnis seien nach österreichischem Recht zu beurteilen. Auf Treuhandverträge über die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft sei die ROM I‑VO anzuwenden. Der Ausschluss der Anwendbarkeit gemäß Art 1 Abs 2 lit f ROM I‑VO greife nicht. Die Beklagte richte ihre Tätigkeit durch die Vermittlung der mit ihr zu schließenden Treuhandverträge in Österreich und die Verwaltung dieser Verträge für österreichische Anleger iSd Art 6 Abs 1 ROM I‑VO auf Österreich aus. Die derKlägerin geschuldeten Dienstleistungen würden auch nicht iSd Art 6 Abs 4 lit a ROM I‑VO ausschließlich in einem anderen Staat erbracht.

[7] Gemäß § 5 Abs 2 KMG könnten Anleger, die Verbraucher sind, vom Vertrag zurücktreten, wenn sie im Fall einer Veranlagung in Immobilien nicht die Bestätigung des Erwerbs iSd § 14 Z 3 KMG (in der für den Abschluss des gegenständlichen Vertrags im Juni 2012 geltenden Fassung) erhalten haben. Die Klägerin habe eine solche Anlagebestätigung nicht erhalten. Die der Klägerin übermittelten Urkunden, konkret das Beteiligungszertifikat und die Zahlungseingangsbestätigung, erfüllten die Anforderungen des § 14 Z 3 KMG alt nicht. Die Rücktrittserklärung der Klägerin sei daher rechtzeitig, formgerecht und zu Recht erfolgt. Das Treuhandverhältnis werde ex tunc aufgelöst. Die Beklagte habe somit der Klägerin die von dieser erhaltenen Leistungen samt Zinsen Zug um Zug gegen Rückübertragung ihrer Treugeberstellung zurückzuzahlen.

[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

[9] Vertragliche Pflichten, die ihren Ursprung in einem Treuhandvertrag über die Verwaltung einer Beteiligung an einer Kommanditgesellschaft haben, fielen nicht unter die Bereichsausnahme des Art 1 Abs 2 lit f ROM I‑VO. Gemäß Art 6 Abs 1 ROM I‑VO sei auf den Treuhandvertrag der Streitteile österreichisches Recht anzuwenden, zumal bei einem Verbrauchervertrag, das Recht des Staates anzuwenden sei, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Das Erstgericht habe auch den Ausschluss nach Art 6 Abs 4 lit a ROM I‑VO zu Recht verneint. Die Beklagte habe durch die Vermittlung der mit ihr zu schließenden Treuhandverträge in Österreich und die Verwaltung dieser Verträge für österreichische Anleger ihre Tätigkeit auf Österreich ausgerichtet, daher seien die von der Beklagten erbrachten Dienstleistungen nicht ausschließlich in Deutschland, sondern auch in Österreich erbracht worden.

[10] Die Verpflichtung zur Aushändigung einer schriftlichen Bestätigung iSd § 14 Z 3 KMG alt mit Informationen über den Gegenwert (Zeichnungsbetrag), die rechtliche Konstruktion (zB Kommanditbeteiligung, atypisch stille Beteiligung) sowie Ort und Datum der Prospektveröffentlichung sei mit dem Rücktrittsrecht des Anlegers gemäß § 5 Abs 2 KMG alt abgesichert. Die Klägerin habe ihren nach § 5 Abs 2 KMG alt ausgesprochenen Rücktritt dabei zu Recht an die Beklagte als ihre Vertragspartnerin gerichtet, deren Passivlegitimation damit zu bejahen sei. Dass die Beklagte als „reine Treuhandgesellschaft“ nicht selbst zur Ausstellung der Bestätigung nach § 14 Z 3 KMG alt verhalten gewesen sein mag, könne daran nichts ändern. Entgegen der Ansicht der Beklagten erfüllten das Beteiligungszertifikat und die Zahlungseingangsbestätigung die Anforderungen an eine Bestätigung iSd § 14 Z 3 KMG alt nicht; die dafür erforderlichen Informationen seien darin nicht enthalten.

[11] Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die – vom Berufungsgericht zugelassene und von der Klägerin beantwortete – Revision der Beklagten.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[13] 1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (vgl RIS‑Justiz RS0112921; RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn sie durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits geklärt wurde (RS0112921 [T5]).

[14] 2. Der hier zu beurteilende Fall betrifft dieselbe Beklagte und den gleichartig ausgestalteten Beitrittsvorgang zur selben Kommanditgesellschaft wie in der Entscheidung 6 Ob 220/20a vom 25. 11. 2020. In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof auch zu den hier in der Revision relevierten Fragen ausführlich Stellung genommen. Dieser Entscheidung sind mehrere Senate des Obersten Gerichtshofs in den für das jeweilige Revisionsverfahren relevanten Punkten gefolgt (8 Ob 1/21m; 4 Ob 164/20a; 4 Ob 209/20v; 9 Ob 49/20a; 9 Ob 58/20z; vgl auch 6 Ob 195/20z).

[15] 3.1. Gegenstand des Rücktritts der Klägerin ist nicht ein allfälliges Rechtsverhältnis mit der Emittentin, sondern der Treuhandvertrag mit der Beklagten. Demgemäß fordert die Klägerin nicht von der Emittentin die Kapitaleinlage zurück, sondern macht gegenüber ihrer Vertragspartnerin, der Beklagten, die Kondiktion der an diese – als Treugut – geleisteten Einzahlung geltend. Der Anspruch unterliegt daher nicht dem Ausnahmetatbestand des Art 1 Abs 2 lit f Rom I‑VO und damit nicht dem Gesellschaftsstatut.

[16] 3.2. Gemäß Art 6 Abs 1 Rom I‑VO kommt auf einen Vertrag, den eine natürliche Person zu einem Zweck, der nicht ihrer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit zugerechnet werden kann („Verbraucher“), mit einer anderen Person geschlossen hat, auf die diese Bedingung nicht zutrifft („Unternehmer“), das Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zur Anwendung, wenn der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit in dem Staat ausübt oder seine Tätigkeit auf irgendeine Weise auf diesen Staat ausrichtet. Der Begriff des „Ausrichtens“ ist weit zu verstehen und bedeutet, dass der Wille des Unternehmers hinreichend erkennbar sein muss, mit Verbrauchern aus anderen Staaten, darunter dem Sitzstaat des Verbrauchers, Verträge abzuschließen. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass durch die Tatsache und Art der Vermittlung des Veranlagungsprodukts in Österreich und die Verwaltung der Verträge für österreichische Anleger die Beklagte ihre Tätigkeit auf Österreich ausrichtet, hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.

[17] 3.3. Der Oberste Gerichtshof hat das Vorliegen des Ausnahmetatbestands des Art 6 Abs 4 lit a Rom I‑VO (Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in einem anderen Staat als jenem, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat) bereits in vergleichbaren Fällen verneint. Auf Basis der Feststellungen, nach denen die Klägerin die Beitrittserklärung in Österreich unterfertigte und ihr laufend Informationen über ihre Beteiligung in Österreich zugingen, haben die Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig die Erbringung der Dienstleistungen der Beklagten ausschließlich im Ausland verneint und die Anwendbarkeit österreichischen Rechts bejaht.

[18] 3.4. Gemäß § 14 Z 3 KMG aF (vor der Novelle BGBl I 2019/62) ist dem Anleger einer Veranlagung in Immobilien der Erwerb der Veranlagung in schriftlicher Form zu bestätigen. Die Bestätigung hat die wesentlichen Merkmale der Veranlagung, insbesondere deren Gegenwert und die Rechtsstellung des Anlegers sowie das Publikationsorgan und das Datum der Veröffentlichung des Prospekts sowie allfällige sonstige Angaben nach dem KMG zu enthalten.

[19] Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, nach § 5 Abs 2 KMG aF berechtige nur das vollständige Fehlen der Anlegerbestätigung gemäß § 14 Z 3 KMG zum Rücktritt des Verbrauchers, nicht aber die bloße Fehlerhaftigkeit der Anlegerbestätigung, trifft nicht zu. Auch eine in wesentlichen Punkten fehlerhafte Bestätigung nach § 14 Z 3 KMG aF – und nicht nur deren vollständiges Fehlen – erzeugt ein Rücktrittsrecht des Anlegers.

[20] Den Feststellungen lässt sich entnehmen, dass die Klägerin keine schriftliche Bestätigung über die wesentlichen Merkmale der Veranlagung, insbesondere über seine Rechtsstellung sowie das Publikationsorgan und das Datum der Veröffentlichung des Prospekts erhalten hat. Auch die von der Beklagten zitierten Urkunden, Zahlungseingangsbestätigung samt Beteiligungszertifikat, enthalten diese vom Gesetz geforderten Angaben nicht. Dass die Vorinstanzen vom Fehlen einer Bestätigung gemäß § 14 Z 3 KMG aF ausgingen, ist daher nicht zu beanstanden.

[21] 3.5. Gemäß § 5 Abs 2 KMG aF können Verbraucher vom Vertrag zurücktreten, wenn ihnen der Erwerb einer Veranlagung in Immobilien nicht gemäß § 14 Z 3 KMG aF bestätigt wurde.

[22] Nach der Rechtsprechung kann dieses Rücktrittsrecht nur gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner geltend gemacht werden. Das gilt auch für das Rücktrittsrecht des § 5 Abs 2 KMG aF. Die Ausübung dieses Rücktrittsrechts gegenüber der Beklagten ist daher nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil sie die Beteiligung an der Kommanditgesellschaft nicht an die Klägerin veräußert, sondern mit dieser bloß eine Treuhandabrede in Ansehung der von ihr selbst gehaltenen Kommanditbeteiligung getroffen hat.

[23] Soweit die Beklagte argumentiert, sie habe beim Vertrieb der Wertpapiere nicht im eigenen Namen, sondern als Vertreterin für die Emittentin gehandelt, weicht sie vom festgestellten Sachverhalt ab; die Revision ist in diesem Punkt daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.

[24] 3.6. Das Rücktrittsrecht des § 5 KMG aF wurde weitgehend dem § 3 KSchG nachgebildet. Somit wirkt auch der Rücktritt nach § 5 KMG aF ex tunc.

[25] Dass die Vorinstanzen dabei die Lehre über die fehlerhafte Gesellschaft, wonach ein Verbraucher im Fall eines Rücktritts oder Widerrufs eines Beitritts zu einer Personengesellschaft nur einen Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben habe, das sich nach dem Wert seines Anteils im Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft berechnet, nicht angewendet haben, ist nicht zu beanstanden, zumal die Klägerin nur vom Treuhandverhältnis mit der Beklagten zurücktrat. Dadurch kommt es weder zu einer Verringerung der Gesellschafteranzahl noch zu einer Verringerung des Gesellschaftsvermögens, weil die Beklagte weiterhin ihre Stellung als Gesellschafterin der Fondsgesellschaft behält.

[26] 3.7. Schließlich ist auch der von der Beklagten gegen ihre Rückzahlungspflicht ins Treffen geführte Umstand, nicht sie selbst, sondern die Fondsgesellschaft sei Empfängerin der von der Klägerin geleisteten Kommanditeinlage gewesen, weil die Überweisung auf ein Treuhandkonto erfolgt sei, über das nicht die Beklagte, sondern die Fondsgesellschaft verfügungsberechtigt gewesen sei, nicht geeignet, eine aufzugreifende Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufzuzeigen. Da die Klägerin mit der Beitrittserklärung eine Zahlungsverpflichtung in Höhe des überwiesenen Betrags unmittelbar gegenüber der Beklagten übernommen hat und die Zahlung in Erfüllung dieser Vertragspflicht tätigte, steht ihr aufgrund des erfolgten Rücktritts von der Treuhandvereinbarung der Anspruch auf Rückzahlung des rechtsgrundlos geleisteten Einzahlungsbetrags auch gegenüber der Beklagten zu.

[27] 4. Die Beklagte zeigt damit in ihrer Revision keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSv § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

[28] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO (RS0123861).

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