OGH 15Os144/20w

OGH15Os144/20w31.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. März 2021 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen C***** L***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten C***** L***** und C***** S***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom 8. Oktober 2020, GZ 17 Hv 49/20z‑53, weiters über die Beschwerde des Angeklagten L***** gegen einen zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0150OS00144.20W.0331.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Den Angeklagten L***** und S***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurden C***** L***** und C***** S***** jeweils des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

[2] Danach haben sie am 24. April 2020 in H***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) L***** R***** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeld in Höhe von 30 Euro und eine Armbanduhr der Marke Longines Masterpiece im Wert von ca 2.200 Euro mit Gewalt gegen das Opfer und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung einer Waffe mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder Dritte durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem C***** S***** L***** R***** ein schwarzes Taschenmesser vorhielt, dieses sodann ausklappte und dessen Klinge am Rücken des Opfers ansetzte, währenddessen sie Geld und sonstige Wertgegenstände vom Opfer forderten, ihre Wiederkehr für den Fall der Nichtübergabe von Geld ankündigten und indem C***** L***** L***** R***** schließlich die Geldtasche gewaltsam aus der Hand riss und beide diesem gewaltsam die Armbanduhr vom Handgelenk herunterrissen.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, gestützt von L***** auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO und von S***** auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 10 StPO; beide verfehlen ihr Ziel.

 

[4] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten L*****:

[5] Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall), welche die Feststellungen zum Waffengebrauch des Angeklagten S*****, während dieser vom Opfer die Uhr und das Mobiltelefon forderte, und zur Beteiligung des Angeklagten L***** an diesem Vorgang als undeutlich kritisiert, spricht keine entscheidenden Tatsachen an (vgl RIS‑Justiz RS0106268). Denn bereits die von den Tatrichtern (eindeutig) dem Beschwerdeführer zugeordnete Wegnahme des Bargelds von 30 Euro durch Entreißen und mittels Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (US 7), während S***** dem Opfer das Taschenmesser vor- und anhielt, trägt bei – wie hier – konstatiertem Tatvorsatz (US 8 f) die Subsumtion unter §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB. Es haftet nämlich auch jener Beteiligte, der nicht selbst eine Waffe verwendet, dann für die in Rede stehende Qualifikation, wenn der Waffeneinsatz seitens des anderen von seinem (bedingten) Vorsatz umfasst war (RIS‑Justiz RS0094036; vgl US 6 und 9).

[6] Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurde die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers nicht übergangen, sondern als nicht überzeugend eingestuft (US 9 ff, 22 f). Da der Zeuge R***** entgegen der Beschwerdebehauptung (Z 5 zweiter Fall) in der Hauptverhandlung gar nicht angegeben hatte, seine Uhr „als Pfand“ angeboten zu haben, sondern die diesbezügliche Frage ausdrücklich verneinte (ON 52 S 9 f; vgl auch US 22 f), geht die darauf bezogene Kritik von vornherein ins Leere. Im Übrigen betrifft auch sie angesichts der konstatierten gewaltsamen, unter dem Einsatz eines Messers erfolgten Wegnahme von Bargeld keine entscheidende Tatsache.

[7] Die gesetzmäßige Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS‑Justiz RS0099810).

[8] Soweit die gegen die rechtliche Annahme der Qualifikation nach § 143 Abs 1 zweiter Fall StGB gerichtete Subsumtionsrüge (nominell Z 9, der Sache nach Z 10) das Fehlen von – über das Hinnehmen der Verwendung eines Messers (US 6) hinausgehende – Konstatierungen zum auf Waffengebrauch gerichteten Vorsatz dieses Beschwerdeführers behauptet und dabei die (weiteren) Feststellungen des Erstgerichts übergeht, wonach es beiden Angeklagten darauf ankam, L***** R***** durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben unter Verwendung einer Waffe Bargeld in Höhe von 30 Euro und eine Uhr im Wert von zumindest 2.200 Euro abzunötigen (US 9, 25), verfehlt sie den in den Urteilskonstatierungen gelegenen Bezugspunkt materiell-rechtlicher Nichtigkeit.

 

[9] Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****:

 

[10] Der Begründungsmangel der Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) liegt vor, wenn aus objektiver Sicht nicht für alle relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar ist, ob eine entscheidende Tatsache (sowohl auf der objektiven als auch auf der subjektiven Tatseite) in den Entscheidungsgründen festgestellt wurde oder aus welchen Gründen die Feststellung entscheidender Tatsachen erfolgt ist; dazu sind stets die Gesamtheit der Entscheidungsgründe und das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) in den Blick zu nehmen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 419; RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0117995&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [insb T3], https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0089983&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False [insb T2]).

[11] Indem die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) die Kritik undeutlicher Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz bloß isoliert aus der konstatierten, gegenüber dem Opfer aufgestellten Behauptung der Angeklagten, dieses schulde einem Dritten bzw ihnen Geld (US 6), ableitet, orientiert sie sich nicht an den genannten Kriterien, weil die Tatrichter der Verantwortung des Angeklagten S*****, nämlich von der Eintreibung einer fremden Forderung ausgegangen zu sein, gerade nicht folgten, sondern diese als Schutzbehauptung verwarfen (US 15, 22, 24). Solcherart beschränkt sich die Beschwerde auf eine im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässige Beweiswürdigungskritik.

[12] Entgegen dem weiteren Beschwerdevorbringen (Z 5 zweiter Fall) haben sich die Tatrichter im Zusammenhang mit den Feststellungen zum Bereicherungsvorsatz mit den verschiedenen – in Einzelheiten voneinander abweichenden – Angaben des Zeugen R***** vor Polizei und Gericht ebenso auseinandergesetzt (insb US 17 f, 24) wie mit jenen des Beschwerdeführers (US 22 iVm US 12 ff, 15). Dem Gebot zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend waren sie dabei nicht verhalten, den wörtlichen Inhalt sämtlicher Aussagen des genannten Zeugen, insbesondere der zunächst vor der Polizei gemachten Angabe, dass „derjenige, den er nicht kenne, ein Messer herausgeholt“ und „geschrien“ habe, er „würde den H***** A***** 2.000 Euro schulden“ (ON 3 S 22) im Detail zu erörtern (vgl RIS‑Justiz RS0106642; vgl US 20). Auf die in der Hauptverhandlung getätigte Aussage des R*****, er habe das Gefühl gehabt, dass „diese zunächst nicht gewusst hätten, wieviel sie fordern sollten […] und dann irgendwann von 2.000 Euro die Rede gewesen sei“ (ON 2 S 1 f) nahmen die Tatrichter im Übrigen sogar ausdrücklich Bezug (US 22).

[13] Andere im Urteil angeblich unberücksichtigte Verfahrensergebnisse, die den Angaben des Zeugen R***** entgegenstehen sollen, benennt das Rechtsmittel nicht, sodass es auch insoweit einer prozessordnungskonformen Ausführung entbehrt (RIS‑Justiz RS0099563 [T5, T12]).

[14] Die Behauptung einer offenbar unzureichenden Begründung des Bereicherungsvorsatzes (Z 5 vierter Fall) durch dessen Ableitung aus dem äußeren Tatgeschehen ohne Eingehen auf die Verantwortung des Beschwerdeführers, seiner Auffassung nach habe L***** eine Forderung eingetrieben, nimmt nicht – wie geboten (RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0119370&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False ) – Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe. Sie vernachlässigt einmal mehr, dass sich das Erstgericht umfassend mit den Aussagen des Angeklagten S*****, und zwar auch in Bezug auf die behauptete Geldforderung (US 9, 12 ff, 15, 20, 22) auseinandergesetzt und diese – unter Berücksichtigung deren Widersprüchlichkeit, aber auch von Widersprüchen im Verhältnis zu Aussagen des Angeklagten L***** und Angaben des für glaubwürdig erachteten Zeugen R***** – als Schutzbehauptungen gewertet hat (US 15, US 22). Vor diesem Hintergrund aber ist der Schluss vom äußeren Tatgeschehen (auch) auf den Bereicherungsvorsatz unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden.

[15] Indem sich die Subsumtionsrüge (Z 10) erneut darauf beruft, der Nichtigkeitswerber habe bloß einen – vermeintlichen – Rechtsanspruch eines Dritten durchsetzen wollen, weshalb sein Verhalten in rechtlicher Hinsicht als Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB zu beurteilen sei, orientiert sie sich nicht an den Feststellungen zur von beiden Angeklagten beabsichtigten unrechtmäßigen Bereicherung durch gewaltsame Wegnahme bzw Abnötigung von Bargeld und einer Uhr (US 9) und vernachlässigt solcherart den Bezugspunkt dieses materiell‑rechtlichen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0099810).

[16] Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen und die (implizite) Beschwerde des Angeklagten L***** folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).

[17] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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