OGH 9Ob10/21t

OGH9Ob10/21t24.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei u***** gmbh, *****, vertreten durch Forcher‑Mayr & Kantner Rechtsanwälte Partnerschaft in Innsbruck, gegen die beklagte Partei ***** I***** GmbH, *****, vertreten durch Advokatur Dr. Herbert Schöpf, LL.M., Rechtsanwalt‑GmbH in Innsbruck, sowie die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei F***** AG & Co KG, *****, vertreten durch Hämmerle & Hübner Rechtsanwälte OG in Innsbruck, wegen 115.062,53 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 104.999,62 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2021, GZ 3 R 76/20f‑144, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0090OB00010.21T.0324.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Angebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als solche anerkannt worden sind, können in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RS0042963). Dieser Grundsatz kann auch nicht mit der Behauptung umgangen werden, das Berufungsverfahren selbst sei – weil das Berufungsgericht der Mängelrüge des Berufungswerbers nicht gefolgt sei – mangelhaft geblieben (RS0042963 [T58]).

[2] Soweit die Beklagte sich daher darauf beruft, dass das Berufungsgericht eine Verletzung der Anleitungspflicht durch das Erstgericht zu Unrecht verneint hat, kann eine solche Mangelhaftigkeit im Revisionsverfahren daher nicht mehr aufgegriffen werden.

[3] 2. Eine unrichtige Wiedergabe des Parteienvorbringens begründet nicht den Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO; sie kann allenfalls – wenn das Berufungsgericht Vorbringen übersehen oder missverstanden hat – zu einer Mangelhaftigkeit oder einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung geführt haben (RS0041814 [T8]; RS0043402 [T5]). Soweit die Vorinstanzen daher davon ausgegangen sind, dass die Beklagte kein Vorbringen dazu erstattet hat, dass die vorprozessuale Bestellung des Sachverständigen im Einvernehmen mit der Klägerin erfolgte, ist das nicht geeignet eine Aktenwidrigkeit zu begründen.

[4] 3. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt (RS0042828 [T1, T2]).

[5] Wenn die Vorinstanzen davon ausgegangen sind, dass die Beklagte nicht konkret vorgebracht hat, dass die vorprozessuale Auswahl des Sachverständigen im Sinn der Vereinbarung zwischen den Parteien „von beiden Parteien freigegeben“ wurde, hält sich das im eingeräumten Ermessensspielraum.

[6] 4. Dazu kommt im vorliegenden Fall, dass sowohl die Beklagte in ihrer Berufung als auch das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Nichteinbindung der Klägerin bei der vorprozessualen Bestellung des Sachverständigen von einer dislozierten Feststellung des Erstgerichts ausgehen. Die Beweisrüge der Beklagten in der Berufung wurde dabei vom Berufungsgericht als nicht berechtigt angesehen.

[7] Der Oberste Gerichtshof wird aber ausschließlich als Rechtsinstanz zur Überprüfung von Rechtsfragen tätig, nicht als Tatsacheninstanz. Fragen der Beweiswürdigung sind nicht revisibel (RS0042903 [T1, T2]).

[8] 4. Soweit die Beklagte die Zulässigkeit der Revision damit begründet, dass keine Rechtsprechung zur Frage besteht, ob der rechtlichen Beurteilung die ÖNORM in der Fassung zum Zeitpunkt der Einreichung des Bauverfahrens oder zum Zeitpunkt der Bauausführung zugrunde zu legen ist, enthält die Revision dazu keine nähere Darstellung.

[9] Auch mit den rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts dazu, inwieweit trotz Abweichung des Gefälles von der ÖNORM kein wesentlicher Mangel vorliegt, setzt sich die Revision inhaltlich nicht auseinander.

[10] In einer zulässigen Rechtsrüge muss aber dargelegt werden, aus welchen Gründen die rechtliche Beurteilung der Sache unrichtig sein soll, weil sonst keine Überprüfung der im angefochtenen Urteil vertretenen Rechtsansicht stattfinden kann (RS0043654 [T15]).

[11] 5. Mangels Darstellung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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