European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00029.21B.0302.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Wenn die Klägerin die Zulässigkeit ihrer Revision (auch) damit begründet, dass zum vorliegenden Fall keine höchstgerichtliche Rechtsprechung besteht, so folgt daraus noch nicht, dass die Entscheidung von der Lösung einer iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage abhinge (RIS‑Justiz RS0102181). Lässt sich – wie im vorliegenden Fall – die von der Revisionswerberin für erheblich erachtete Rechtsfrage durch Anwendung der bestehenden Rechtsprechung lösen (vgl RS0118640; RS0042742 [T11; T13]), ist die Revision unzulässig und daher zurückzuweisen, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
[2] 2. Die Aufkündigung wird von der Klägerin darauf gestützt, dass die Beklagten einen erheblich nachteiligen Gebrauch von ihren jeweiligen Mietgegenständen (Top 10 hinsichtlich der Erst‑ und Zweitbeklagten; Top 9 hinsichtlich des Drittbeklagten) iSd § 30 Abs 2 Z 3 erster Fall MRG gemacht hätten. Dieser Kündigungsgrund setzt eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder eine durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen erfolgte oder drohende erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands (RS0067832) oder die Gefährdung wichtiger wirtschaftlicher oder sonstiger Interessen des Vermieters oder anderer Mieter durch das nachteilige Verhalten des (gekündigten) Mieters voraus (RS0021031; RS0070348). Dieser muss sich so verhalten haben, dass er nicht mehr vertrauenswürdig ist (RS0020867). Bauordnungs- oder feuerpolizeiwidrige Handlungen oder Unterlassungen – welche die Klägerin den Beklagten vorwirft – können zwar eine Gefährdung der Interessen des Vermieters begründen (vgl 7 Ob 174/08a; 7 Ob 99/17k; 1 Ob 151/20t), allerdings ist dies nicht zwingend der Fall, vielmehr hängt auch die Beurteilung des hier angezogenen Kündigungsgrundes vom jeweiligen Einzelfall ab (1 Ob 151/20t mwN).
[3] 3.1. Soweit die Revisionswerberin ihre Kündigung damit begründet, dass „die Beklagten“ am Dachboden feuergefährliche Gegenstände (wobei die Klägerin auf Kleidungsstücke und Schuhe sowie einen nicht näher beschriebenen „Verbau aus brennbarem Material“ Bezug nahm) gelagert hätten, ist ihr zu entgegnen, dass der Drittbeklagte diesen nach den erstinstanzlichen Feststellungen gar nicht benutzte, sodass das Berufungsgericht zu Recht davon ausging, dass ihn der darauf gestützte Kündigungsgrund „nicht betreffe“.
[4] 3.2. Hinsichtlich der Erst- und Zweitbeklagten legte das Berufungsgericht seiner Entscheidung zutreffend auch die Rechtsprechung zugrunde, wonach die Einstellung eines dem Mieter zum Vorwurf gemachten Verhaltens nach Aufkündigung bei der Beurteilung, ob das Gesamtverhalten die Kündigung rechtfertigt, zu berücksichtigen ist (vgl RS0067534 [T1, T2]). Basierend auf der Feststellung, wonach die Erst‑ und Zweitbeklagten dem – anlässlich einer kurz nach Aufkündigung erfolgten feuerpolizeilichen Beschau erteilten – Auftrag zur Entfernung der „feuergefährlichen“ Gegenstände vom Dachboden fristgerecht nachkamen, bewegt sich dessen Einschätzung, es sei von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen, im Rahmen des bei der Beurteilung des konkreten Einzelfalls (RS0042790) bestehenden Spielraums. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass – was die Revisionswerberin übersieht – bei den der feuerpolizeilichen Beschau vorangegangenen jährlichen Begehungen des Dachbodens durch den Rauchfangkehrer keine Beanstandungen erfolgten. Dass die Erst- und Zweitbeklagten dem feuerpolizeilichen Auftrag nicht zur Gänze nachgekommen wären, kann den Feststellungen nicht entnommen werden.
[5] 4.1. Mit ihrem Argument, „die Beklagten“ hätten „verschiedene Baumaßnahmen“ ohne Einholung der erforderlichen baubehördlichen Bewilligungen vorgenommen, zeigt die Revisionswerberin schon mangels Bezugnahme auf konkrete bauliche Veränderungen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Sie differenziert auch nicht danach, welche Veränderungen die Wohnung der Erst‑ und Zweitbeklagten und welche die Wohnung des Drittbeklagten betrafen. Der Rechtsmittelwerberin ist außerdem entgegenzuhalten, dass sämtliche Baumaßnahmen der Mieter (Umbau der Loggia; Errichtung einer Außenstiege; „Adaptierung“ der Terrasse) mit Zustimmung des damaligen Hauseigentümers (von dem die Klägerin das Haus im Jahr 2013 erwarb) erfolgten, wobei das Berufungsgericht aus den erstinstanzlichen Feststellungen schloss (vgl RS0118191), dass der vormalige Vermieter „auf das Bestehen einer Baubewilligung keinen sonderlichen Wert gelegt habe“. Soweit die Klägerin argumentiert, dass dies für den Voreigentümer „durchaus wichtig“ gewesen sei, geht sie nicht von dem in zweiter Instanz zugrunde gelegten – in der Revision nicht (mit Mängelrüge) bekämpften – Sachverhalt aus. Da die baulichen Veränderungen den Intentionen des (damaligen) Eigentümers nicht zuwiderliefen und die Klägerin nicht behauptet hat, dass sie nicht fachgerecht ausgeführt worden wären, begründet es keine vom Obersten Gerichtshof im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, dass das Berufungsgericht allein im Fehlen der – für den (damaligen) Eigentümer nicht wesentlichen – Baubewilligung keine die Auflösung des Mietverhältnisses rechtfertigende Verletzung der Interessen des Vermieters erblickte (vgl RS0067816).
[6] 4.2. Aus den in der Revision ins Treffen geführten höchstgerichtlichen Entscheidungen ist für die Klägerin nichts zu gewinnen. Zu 7 Ob 200/19s war ein Sachverhalt zu beurteilen, bei dem der Mieter ohne Zustimmung des Eigentümers – durch den Einbau einer Be- und Entlüftungsanlage – in die Bausubstanz eingriff, dabei allgemeine Teile des Hauses in Anspruch nahm und dessen denkmalgeschütztes Erscheinungsbild veränderte. Dies kann mit dem vorliegenden Fall – insbesondere wegen der hier erfolgten Zustimmung des Vermieters – nicht verglichen werden. Gleiches gilt für den der Entscheidung zu 8 Ob 567/90 zugrunde liegenden Sachverhalt, wonach der dort beklagte Mieter auf der vermieteten Liegenschaft entgegen dem Vertragszweck und ersichtlich ohne Zustimmung des Vermieters und ohne bau- und wasserrechtliche Bewilligung Schweineställe errichtete, die sich nicht nur in einem mangelhaften und den anzuwendenden Bauvorschriften widersprechenden Zustand befanden, sodass bereits ein Abbruchauftrag erteilt wurde (was der Mieter jedoch ignorierte), sondern auch eine Brandgefahr darstellten. Auch mit ihrer Bezugnahme auf die Entscheidung 1 Ob 550/95 vermag die Revisionswerberin keine Korrekturbedürftigkeit der angefochtenen Entscheidung darzulegen, war doch dort die in weiten Teilen konsenswidrige (Neu‑)Errichtung eines Wohnhauses samt Garage und Tankstelle als Superädifikat auf einem – soweit dies dem Sachverhalt entnommen werden kann – unbebauten Grundstück zu beurteilen, wobei es der Oberste Gerichtshof für die Verletzung der Interessen des Vermieters als maßgeblich ansah, dass der Mieter an einer Herstellung des konsensgemäßen Zustands nicht interessiert war und diesbezügliche (Gesprächs‑)Aufforderungen des Vermieters ignorierte. Im Übrigen betonte der Oberste Gerichtshof auch in dieser Entscheidung die für die Beurteilung des erforderlichen Vertrauensverlusts des Vermieters maßgeblichen Umstände des Einzelfalls.
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