OGH 3Ob7/21g

OGH3Ob7/21g25.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie den Hofrat Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei F*****, vertreten durch Tonninger Schermaier & Partner, Rechtsanwälte GbR in Wien, gegen die verpflichtete Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Metzler & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Unterlassung, über den (richtig:) außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. November 2020, GZ 14 R 103/20w‑10, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00007.21G.0225.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß

§ 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Verpflichtete hat es aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs vom 5. Juni 2020 gegenüber der Betreibenden (ua) ab sofort zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs für Waren iSd § 1 des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern (BPrBG) gegenüber Letztverbrauchern iSd § 2 Z 4 BPrBG eine Unterschreitung des Letztverkaufspreises iSd § 3 Abs 1 BPrBG, insbesondere „4 + 1 gratis Große Taschenbuchaktion“ und/oder „Rabatt: ua Taschenbuch 4 + 1 gratis“ anzukündigen und/oder ankündigen zu lassen.

[2] Nach dem Vorbringen im Exekutionsantrag hat die Verpflichtete am 25. Juni 2020 zu zwei näher bezeichneten Zeitpunkten jeweils folgenden Werbespot auf dem österreichweit ausgestrahlten Radiosender Ö3 geschaltet: „Das geht raus an alle Rabattmarkerlkleber, Treuepunkt-Millionäre, Großwildschnäppchenjäger und heftige Gutscheinheftsammler. Haaaaalt, es geht auch einfacher, zum Beispiel bei T*****, da gibts den Sale, bis zu 70 % Rabatt und eine große Taschenbuch-Aktion, aber nur für kurze Zeit, vor Ort und auf t*****.at […].“

[3] Das Rekursgericht bewilligte der Betreibenden in teilweiser Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses aufgrund dieses Titels antragsgemäß die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte über die Verpflichtete eine Geldstrafe von 20.000 EUR.

Rechtliche Beurteilung

[4] Der Verpflichteten gelingt es in ihrem (richtig:) außerordentlichen Revisionsrekurs nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen:

[5] 1. Vorauszuschicken ist, dass das Rechtsmittel, soweit es sich gegen den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung (nämlich in Bezug auf die Werbung mit der „großen Taschenbuchaktion“) wendet, nicht gemäß § 528 Abs 2 Z 2 ZPO iVm § 78 EO absolut unzulässig ist. Eine voll bestätigende Entscheidung liegt im Umfang des bestätigenden Teils einer Rekursentscheidung nämlich nur dann vor, wenn das Rekursgericht über mehrere Anträge – teils bestätigend, teils abändernd – entschieden hat, die nicht in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass sie voneinander nicht gesondert werden können, wie etwa bei der Entscheidung über mehrere Exekutionsmittel oder mehrere Exekutionsobjekte (RIS‑Justiz RS0012387 [T17]) oder über mehrere voneinander unabhängige Verstöße gegen das Unterlassungsgebot (3 Ob 252/15b).

[6] 2. Die gerügte Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens, die darin bestehen soll, dass der Verpflichteten die Beantwortung des Rekurses der Betreibenden gegen den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses nicht freigestellt wurde, liegt nicht vor. Das Rechtsmittelverfahren im Exekutionsverfahren ist nämlich nach wie vor grundsätzlich – von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen – einseitig (RS0116198). Für eine nach den Umständen des Einzelfalls ausnahmsweise gebotene Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens im Sinne der grundlegenden Entscheidung des Senats 3 Ob 162/03z, 163/03x zeigt die Verpflichtete keine relevanten Umstände auf, zumal eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs hier nicht jedenfalls unzulässig war (3 Ob 3/17p; RS0116198 [T5]).

[7] 3. Der Zusatz „insbesondere“ schränkt das Unterlassungsgebot nicht ein, sondern verdeutlicht es nur (RS0037461 [T1]). Davon ist das Rekursgericht nicht abgewichen, indem es den Einwand der Verpflichteten verwarf, der Exekutionstitel verbiete ihr nur konkrete rabattbezogene rechnerische Beispiele wie „4+1 gratis“.

[8] 4. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Ankündigung einer „großen Taschenbuchaktion“ verwirkliche einen Titelverstoß, weil damit beim Konsumenten nicht nur die Vorstellung bewirkt werde, dass hier viele Waren zum Verkauf gelangten, sondern dass man etwas günstiger erhalte, dass also frühere Preise unterschritten werden, stellt ebenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung dar. Gleiches gilt für die Beurteilung des Rekursgerichts, auch die Ankündigung eines „Sale“ und einer „Rabattgewährung bis zu 70 %“ sei titelwidrig, weil sie vom Publikum nur so verstanden werden könne, dass sich dies auf das gesamte Warensortiment der Verpflichteten und damit insbesondere auch auf preisgebundene Bücher beziehen könne.

[9] 5. Die Bemessung von Geldstrafen im Rahmen der Unterlassungsexekution wirft schon wegen der in dieser Bestimmung angeordneten Bedachtnahme auf Art und Schwere des jeweiligen Zuwiderhandelns gegen den Exekutionstitel, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und das Ausmaß von dessen Beteiligung an dem Zuwiderhandeln, also auf die konkreten Umstände des Einzelfalls, keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 78 EO iVm § 528 Abs 1 ZPO auf (RS0012388 [T1]). Von einem bloß geringfügigen Titelverstoß kann hier ebenso wenig die Rede sein wie von einem Grenzfall.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte