OGH 8ObA2/21h

OGH8ObA2/21h23.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter und die fachkundigen Laienrichter Johannes Püller (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S* K*, vertreten durch Dr. Thomas Stoiberer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die Gemeinde *, vertreten durch die Lirk Spielbüchler Hirtzberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Feststellung des aufrechten Dienstverhältnisses, in eventu 13.986,12 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. November 2020, GZ 12 Ra 53/20f‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131006

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] Schließt der Arbeitnehmer unter dem Eindruck der Ankündigung des Arbeitgebers, ihn zu entlassen, eine Auflösungsvereinbarung, so kommt es darauf an, ob für den Arbeitgeber zum Zeitpunkt der Androhung der Entlassung plausible und objektiv ausreichende Gründe für deren Ausspruch gegeben waren. Ist dies der Fall, dann kann sich der Arbeitnehmer nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei auf ihn ungerechtfertigter Druck ausgeübt worden (RIS‑Justiz RS0014878 [T5]). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, kann nur nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls beurteilt werden (RS0014878 [T6]).

[2] Im vorliegenden Fall hatte die im Altersheim der Beklagten beschäftigte Klägerin dem Heimleiter angezeigt, dass vier andere Dienstnehmerinnen (verbotenerweise) Geldzuwendungen von Heimbewohnern annahmen. Die Klägerin hatte hierauf Angst, gegen sie könnte etwas unternommen werden. Um aufzuzeichnen, was ihre Arbeitskolleginnen in ihrer Abwesenheit sprachen, versteckte sie im Aufenthaltsraum ein altes Handy, aktivierte dessen Aufnahmefunktion und verließ – sie hatte an diesem Tag Urlaub – das Gebäude.

[3] Aufgrund dieses Sachverhalts konnte die Beklagte mit guten Gründen gegenüber der Klägerin die Ansicht vertreten, diese hätte einen Entlassungsgrund gesetzt (vgl RS0031784). Der Rechtfertigungsgrund der Notwehr nach § 3 StGB lag bereits deshalb nicht vor, weil kein gegenwärtiger oder unmittelbar drohenden rechtswidriger Angriff auf ein ein notwehrfähiges eigenes Rechtsgut der Klägerin vorlag, sondern diese – wie bereits vom Berufungsgericht zutreffend angemerkt – bloß ein diffuses Gefühl der Angst hatte, die anderen könnten sich für die Anzeige beim Heimleiter rächen. Nothilfe zugunsten der betagten Heimbewohner durch Aufdeckung (weiterer) Machenschaften der Kolleginnen lag schon deshalb nicht vor, weil die Klägerin nach den Feststellungen nicht zu deren Schutz das Mobiltelefon versteckte, sondern aus Angst, gegen sie selbst könnte etwas unternommen werden (vgl RS0022990). Entgegen ihrer Ansicht war die Klägerin auch nicht durch eine gegenüber der Beklagten bestehende Informations-, Treue-, Beistands- oder Anzeigepflicht verpflichtet, ihre Kolleginnen ohne deren Wissen mittels eines Aufnahmegeräts abzuhören. Auch insofern bestand daher bei Abschluss der Auflösungsvereinbarung kein Grund zur Annahme, das von der Klägerin gesetzte Verhalten ließe sich rechtfertigen.

[4] Die Verneinung einer Anfechtbarkeit der Auflösungsvereinbarung nach § 870 ABGB durch die Vorinstanzen bedarf keiner Korrektur. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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