OGH 8Ob11/21g

OGH8Ob11/21g23.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Winternitz Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 48.478,50 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 4. Dezember 2020, GZ 1 R 99/20i‑47, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00011.21G.0223.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur mehr die Rechtsfrage, ob der zwischen den Streitteilen bestehende Mietvertrag über Baggermatten einvernehmlich aufgelöst wurde. Das Berufungsgericht ist unter Berücksichtigung aller besonderen Umstände des Sachverhalts zu der Rechtsansicht gelangt, dass die Klägerin durch kommentarlose Abholung ihrer Baggermatten von der Baustelle der von der Beklagten erklärten Vertragsauflösung ihre schlüssige Zustimmung erteilt habe.

Rechtliche Beurteilung

[2] Eine stillschweigende Erklärung im Sinne des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss das Verhalten nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten (RS0014332). Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RIS‑Justiz RS0109021; RS0042936 [T10]; RS0044358 [T7]; RS0028612).

[3] Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO kann bei Einzelfallentscheidungen nur dann vorliegen, wenn dem Berufungsgericht eine erhebliche Fehlbeurteilung vorzuwerfen wäre, die vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufgegriffen werden müsste (RS0042776; RS0044358 [T12, T31]; RS0044298 [T22]). Eine Fehlbeurteilung liegt nicht schon dann vor, wenn (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Auslegung an sich vertretbar gewesen wäre (RS0042936 [T17]).

[4] Das Berufungsgericht hat sich bei seiner Beurteilung des Erklärungsverhaltens der Klägerin nicht allein auf die umgehende, ohne Erklärung eines Vorbehalts erfolgte Entfernung der vermieteten Baggermatten nach der Kündigungserklärung der Beklagten gestützt, mit der sich die Klägerin die Möglichkeit der anderweitigen Vermietung eröffnete, sondern insbesondere auf die kurz davor in ähnlicher Weise unstrittig einvernehmlich erfolgte Teilbeendigung. Dieses Ergebnis bewegt sich nach den festgestellten Umständen innerhalb des den Gerichten bei der Einzelfallbeurteilung eingeräumten Ermessensspielraums.

[5] Die Revision zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.

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