OGH 8Ob70/20g

OGH8Ob70/20g28.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely‑Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Dr. K***** B*****, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Kitzbühel, gegen die beklagte Partei Verlassenschaft nach C***** G*****, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Mag. Paul Hechenberger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 120.288 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 111.218,09 EUR) gegen das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 29. April 2020, GZ 2 R 154/19i‑97, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 6. Juni 2019, GZ 16 C 457/13d‑91, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080OB00070.20G.0128.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.399,94 EUR (darin 399,99 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die 1927 geborene und am 30. 12. 2016 verstorbene, in Innsbruck wohnhafte, aber aus Griechenland stammende Beklagte wurde im Jahr 2004 in ihrem Heimatland durch rechtskräftige Gerichtsentscheidung unter „volle rechtliche Betreuung“ gestellt. Sie verfügte ursprünglich über ein sehr beträchtliches Vermögen, das ihr aber spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zugänglich war. Mit Ausnahme des ab Mai 2010 zuerkannten Pflegegeldes hatte sie kein regelmäßiges Einkommen.

[2] Der Kläger war mit der Beklagten eng befreundet. Er hatte ihr versprochen, ihr finanziell zur Seite zu stehen, nachdem sie auf ihr ausländisches Vermögen nicht mehr zugreifen konnte.

[3] Die Streitteile waren gemeinsam über ein Girokonto einer österreichischen Bank verfügungsberechtigt. Ab Mai 2010 bezahlte der Kläger durch Entnahmen aus diesem gemeinsamen Konto die laufenden Ausgaben der Beklagten für deren Wohn- und Lebenshaltungskosten. Darüber hinaus organisierte und bezahlte er für sie wegen ihrer zunehmenden Gebrechlichkeit private Pflegedienste.

[4] Insgesamt bezahlte der Kläger von Mai 2010 bis Jänner 2012 an derartigen Aufwendungen 133.096,72 EUR für die Beklagte, teilweise in bar, überwiegend aber durch Überweisung vom gemeinsamen Konto.

[5] Zur Deckung des Kontos überwies der Kläger darauf ab Mai 2010 bis 27. 12. 2011 je nach Bedarf und Notwendigkeit Beträge in unterschiedlicher Höhe, aus denen sich die Klagssumme zusammensetzt. Mit Ausnahme der ersten Einzahlung vom 21. 5. 2010 in Höhe von 10.000 EUR überstieg keine der einzelnen Überweisungen den Betrag von 5.000 EUR.

[6] Der Kläger betrachtete seine Einzahlungen auf das gemeinsame Konto als Darlehen an die Beklagte, damit sie weiter in ihrer Wohnung leben konnte, und versah die Überweisungen jeweils mit entsprechenden Widmungen (Darlehen 1, Darlehen 2 usw). Er hatte mit der Beklagten besprochen, dass sie die Beträge rückerstatten würde, sobald sie wieder Zugriff auf ihr Vermögen hätte. Die Beklagte unterfertigte drei vom Kläger formulierte Bestätigungen in englischer Sprache, in denen sie sich zur Rückzahlung der gewährten „loans“ „as soon as possible“ verpflichtete.

[7] Tatsächlich war die Beklagte zumindest ab Mai 2010 mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund einer dementiellen Erkrankung partiell geschäftsunfähig und nicht mehr in der Lage, Geschäfte abzuschließen, die mit dem Eingehen rechtlicher bzw wirtschaftlicher und sonstiger Pflichten, Lasten sowie Nachteile verbunden waren.

[8] Der Kläger begehrt, gestützt auf jeden erdenklichen Rechtsgrund (insbesondere Darlehensvertrag, in eventu Geschäftsführung ohne Auftrag und Verwendungsanspruch), die Rückzahlung der auf das gemeinsame Konto überwiesenen Beträge.

[9] Die beklagte Partei wandte ein, es seien keine wirksamen Darlehensvereinbarungen zustande gekommen, weil die Verstorbene im strittigen Zeitraum bereits geschäftsunfähig gewesen sei. Abgesehen davon begründe die Überweisung von Geldbeträgen auf ein Konto mit gemeinsamer Verfügungsberechtigung keine wirksame Zuzählung eines Darlehens. Schließlich wandte die Beklagte eine den Klagsbetrag übersteigende Gegenforderung ein.

[10] Das Erstgericht wies im zweiten Rechtsgang das Klagebegehren ab. Es stehe fest, dass die verstorbene Beklagte zum Zeitpunkt der behaupteten Darlehensvereinbarungen nicht mehr geschäftsfähig gewesen sei, sodass der Kläger keine Ansprüche geltend machen könne.

[11] Das Berufungsgericht gab mit seinem angefochtenen Teilurteil dem Rechtsmittel des Klägers teilweise Folge. Es erkannte die beklagte Partei unter unbekämpfter Abweisung eines Mehrbetrags von 3.250 EUR samt Anhang für schuldig, dem Kläger 111.218,09 EUR zu bezahlen. Im Umfang des Mehrbegehrens von 5.819,91 EUR, des gesamten Zinsenbegehrens sowie der Gegenforderung hob es die Entscheidung des Erstgerichts zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

[12] Rechtlich billigte das Berufungsgericht die Auffassung des Erstgerichts, dass die behaupteten Darlehensverträge mangels hinreichender Geschäftsfähigkeit der Beklagten nicht wirksam abgeschlossen werden konnten. Der Kläger habe sich aber zu Recht auch auf einen Geschäftsführungs- und Verwendungsanspruch berufen. Er habe (abgesehen von 3.250 EUR, deren Bezahlung er nicht nachweisen habe können) insgesamt mehr als den Klagsbetrag für die Beklagte zu deren Nutzen aufgewendet. Der zugesprochene Betrag stehe ihm daher aus dem Titel der Geschäftsführung ohne Auftrag zu, hilfsweise als Verwendungsanspruch.

[13] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil es eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO begründe, ob „die Einzahlungen des Klägers auf das gemeinsame Konto als“ die verstorbene Beklagte „im gleichen Umfang begünstigend angesehen werden können, sodass die Verwendung zumindest gleich hoher Beträge von diesem Konto für“ die verstorbene Beklagte „insgesamt als Verwendung von Vermögen des Klägers zum Nutzen“ dieser „angesehen werden könne“.

[14] Die aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene, vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten beruft sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit auf den zitierten Ausspruch des Berufungsgerichts.

[15] Die Revision ist in Ansehung eines Klagsbetrags von 101.218,09 EUR absolut unzulässig.

[16] Im Übrigen, also im Umfang von 10.000 EUR, ist die Revision entgegen dem für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

[17] 1. Bilden mehrere Ansprüche den Entscheidungsgegenstand des Berufungsgerichts, hat eine Zusammenrechnung nur zu erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 55 Abs 1 JN erfüllt sind (RIS‑Justiz RS0042741; RS0053096). Demnach sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhoben werden und in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang liegt bei den einzelnen Überweisungen, die nach dem Klagsvorbringen nach Bedarf geleistet wurden und auf keinem gemeinsamen Vertrag beruhen, nicht vor.

[18] Findet keine Zusammenrechnung statt, ist die Revisionszulässigkeit für jeden einzelnen Entscheidungsgegenstand gesondert zu beurteilen (RS0130936; RS0042642; RS0042741 [T18]).

[19] Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert insgesamt 5.000 Euro nicht übersteigt. Nach den Feststellungen wird diese Grenze nur mit jenem Teil des Klagebegehrens überschritten, der auf die vom Kläger am 21. 5. 2010 getätigte Überweisung von 10.000 EUR gegründet wurde. Im darüber hinausgehenden Umfang ist die Revision daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückzuweisen.

[20] 2. Hinsichtlich der übrigen Klagsforderung von 10.000 EUR ist die Revision entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[21] 2.1. Ausgehend von den Feststellungen der Tatsacheninstanzen hat der Kläger am 21. 5. 2010 den als „Darlehen 1“ gewidmeten Betrag auf das gemeinsame Konto überwiesen und ab diesem Tag bis zum 19. 6. 2010 daraus 9.337,84 EUR in Form von Überweisungen und Abhebungen zugunsten der Beklagten für deren Lebenshaltung bezahlt. In den darauffolgenden Wochen hat er bis 8. 7. 2010 weitere 5.401,36 EUR in gleicher Weise für die Beklagte bezahlt, nachdem er das Konto dazwischen am 18. 6. 2020 mit dem „Darlehen 2“ in Höhe von 5.000 EUR wieder aufgefüllt hatte.

[22] 2.2. Nach diesem Sachverhalt kommt es, wie der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung zutreffend ausführt, auf die vom Berufungsgericht und von der Revisionswerberin für relevant erachtete Rechtsfrage nicht an.

[23] Das Berufungsgericht hat seinen Zuspruch nicht auf den Rechtsgrund der Darlehensrückzahlung gestützt, sondern auf einen eventualiter vom Kläger geltend gemachten Aufwandersatz für notwendige bzw nützliche Geschäftsführung ohne Auftrag bzw Verwendung im Sinn der §§ 1036 ff ABGB (vgl ua Lurger in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.07 § 1036 Rz 4).

[24] Die Revision stellt diesen Anspruch dem Grunde nach nicht in Frage, insbesondere auch nicht, dass die vom Kläger aus eigenem Entschluss für die nicht mehr geschäftsfähige Beklagte getätigten Zahlungen zu deren klaren und überwiegenden Vorteil gereichten und einen notwendigen und zweckmäßigen Aufwand darstellten.

[25] Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, ob der im Revisionsverfahren noch gegenständliche Betrag („Darlehen 1“) bereits ab dem Einlangen auf dem gemeinsamen Bankkonto zur Gänze der Beklagten zurechenbar war. Grundlage für den Aufwandersatzanspruch ist die tatsächliche endgültige Verwendung von Geldmitteln des Klägers zur Zahlung von Verbindlichkeiten der Beklagten.

[26] 2.3. Einer Prüfung, ob auch von der Beklagten Einzahlungen auf das gemeinsame Konto getätigt wurden, sodass die festgestellten Auslagen teilweise aus ihren eigenen Mitteln stammen könnten, bedurfte es schon deswegen nicht, weil die Beklagte in erster Instanz kein derartiges Tatsachenvorbringen erstattet hat. Auch die im Verfahren vorgelegten Kontoauszüge weisen nur Gutschriften aufgrund von Überweisungen des Klägers auf.

[27] 3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung zwar nicht auf das Unterschreiten der Wertgrenze, jedoch auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO hingewiesen, sodass sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

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