OGH 1Ob234/20y

OGH1Ob234/20y28.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch die Rechtsanwalt WEISSBORN & WOJNAR Kommanditpartnerschaft, Wien, gegen die beklagte Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Thomas Wiesinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herstellung eines Werks, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. September 2020, GZ 1 R 21/20i‑36, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 29. November 2019, GZ 15 C 498/18x‑30, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00234.20Y.0128.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil insgesamt lautet:

„1. Die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, binnen drei Monaten ab Rechtskraft entlang der Liegenschaftsgrenze zwischen der Liegenschaft EZ *****, KG *****, Bezirksgericht M*****, und der Liegenschaft EZ *****, KG *****, Bezirksgericht M*****, entlang der Ö***** Strecke, *****, P*****, zwischen Streckenkilometer km ***** und ***** links der Bahn, einen zwei Meter hohen Stabgitterzaun ohne Türen oder sonstige Durchtrittsöffnungen entsprechend der einen Bestandteil dieses Urteils bildenden Skizze der Beilage ./A – soweit nicht bereits eine gemauerte Abgrenzung mit einer Höhe von zumindest zwei Metern besteht – mit Ausnahme der für die Benützung des Servitutswegs notwendigen Zutrittstüren zu errichten, die an den einen Bestandteil dieses Urteils bildenden Beilage ./B gekennzeichneten Stellen situiert sind.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei gegenüber der klagenden Partei schuldig, entlang der Liegenschaftsgrenze zwischen der Liegenschaft EZ *****, KG *****, Bezirksgericht M*****, und der Liegenschaft EZ *****, KG *****, Bezirksgericht M*****, auch dort einen Stabgitterzaun zu errichten, wo bereits eine gemauerte Abgrenzung mit einer Höhe von zumindest zwei Metern besteht, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 371,50 EUR an Barauslagen des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 571,50 EUR an Barauslagen des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei 715,50 EUR an Barauslagen des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin hat insbesondere die Aufgabe eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens (§ 31 Abs 1 Bundesbahn-gesetz, BGBl 1992/825 in der Fassung BGBl I 2009/95).

[2] Die Beklagte erwarb von der Klägerin im Jahr 2015 Liegenschaften, auf denen sie Wohnbauten [renovierte bzw] errichtete. Die Liegenschaften grenzen an Bahngrund, auf dem durch Zugverkehr befahrene Gleise verlaufen.

[3] Die Errichtung eines Stabgitterzauns an der Grundgrenze war eine Vorgabe der Klägerin. Die Beklagte teilte ihr im Zuge der Verhandlungen mit, dass sie wegen des von ihr angestrebten Bauprojekts zu Wohnzwecken beabsichtige, eine Ziegelmauer anstelle des Stabgitterzauns zu bauen. Nachdem ihr eine Mitarbeiterin der Klägerin bekanntgegeben hatte, dass eine Änderung des Vertragstextes von der technischen Abteilung genehmigt werden müsse und kompliziert sei, im Einzelfall noch zu einem späteren Zeitpunkt eine Genehmigung hinsichtlich der Ziegelmauer erfolgen könne, was mit der technischen Abteilung abzuklären wäre, erklärte sich die Beklagte damit einverstanden. Im Kaufvertrag verpflichtete sie sich daher, als Abgrenzung zum Bahngrund einen 2 m hohen Stabgitterzaun zu errichten. Darin sollen sich als Durchtrittsöffnungen lediglich an zwei bestimmten Stellen Türen befinden, die für die Ausübung einer Servitut, die der Klägerin gleichzeitig eingeräumt wurde, erforderlich sind. Nachdem sie am 4. 4. 2017 von der Klägerin aufgefordert worden war, den Stabgitterzaun zu errichten, teilte sie dieser im Mai 2017 mit, dass sie jedenfalls eine ordnungsgemäße Einfriedung herstellen werde.

[4] In einem zwischen den Parteien am 6. 4. 2017 abgeschlossenen Vertrag erklärte sich die Klägerin mit der Errichtung von Nebengebäuden auf den nunmehrigen Liegenschaften der Beklagten einverstanden. Darin wurde vereinbart, dass rechtzeitig vor Arbeitsbeginn ein gesondertes „Arbeitsübereinkommen“ abzuschließen sei. Der Abschluss eines solchen Arbeitsübereinkommens konnte nicht festgestellt werden. Ebensowenig konnte festgestellt werden, dass es im Vertrag eine „Ausnahmegenehmigung für die Errichtung des Stabgitterzauns“ gibt. Im Vertrag ist zur Einfriedung festgehalten, dass diese im Einvernehmen und nach Weisung der Klägerin herzustellen sei. Weiters ist die – von der Einverständniserklärung der Klägerin umfasste – bahnfremde Anlage binnen drei Jahren nach Abschluss des Übereinkommens von der Beklagten zu errichten und fertig zu stellen.

[5] Derzeit befindet sich an der Grundstücksgrenze zum Bahngrund teils eine von der Beklagten errichtete Ziegelmauer, teils eine noch von der Klägerin stammende Schallschutzmauer sowie auf den restlichen Teilen ein Maschendrahtzaun, der zusätzlich durch Querholzbalken gesichert ist. Diese Einfriedungen sind jeweils über 2 m hoch. Überdies besteht eine Tür, durch die die Klägerin zu den Liegenschaften der Beklagten gelangen kann.

[6] Die Klägerin begehrt die Errichtung des 2 m hohen Stabgitterzauns samt der für die Benützung ihres Servitutswegs notwendigen Zutrittstüren entlang der gesamten Grundstücksgrenze. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Errichtung des Zauns nicht nachgekommen. Die derzeit vorhandenen Einfriedungen seien ein „Aliud“ zum Stabgitterzaun. Eine Genehmigung der Ziegelmauer liege nicht vor. Zudem verfüge diese nicht über die im Vertrag geforderten Zutrittstüren, die für die Servitutsausübung erforderlich seien.

[7] Die Beklagte wendete ein, dass sie ihre vertragliche Verpflichtung bereits teilweise durch die Errichtung einer Ziegelmauer erfüllt und die Klägerin dieser zugestimmt habe. Die Verpflichtung zur Errichtung des Stabgitterzauns sei zudem im Vertrag nur beispielhaft genannt. Sie sei berechtigt, die Art der Einfriedung frei zu wählen. Die bereits bestehenden Arten der Einfriedung erfüllten die wesentlichen Funktionen eines Stabgitterzauns. Das Klagebegehren sei rechtsmissbräuchlich. Sie dürfe nach dem Vertrag Lärmschutzmaßnahmen treffen. Eine allenfalls bestehende vertragliche Verpflichtung sei noch nicht fällig.

[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte sei aufgrund des Kaufvertrags verpflichtet, an der Grundstücksgrenze einen Stabgitterzaun zu errichten. Ihr sei nicht das Recht eingeräumt worden, die Art der Einfriedung frei zu wählen. Ebensowenig sei die Festlegung der Einfriedung durch einen Stabgitterzaun als bloß beispielhaft zu verstehen. Die Vereinbarung einer anderen Art der Einfriedung sei nicht erfolgt.

[9] Allerdings sei die Rechtsausübung der Klägerin missbräuchlich. Zweck der Errichtung eines Stabgitterzauns sei nach dem Vorbringen der Klägerin, das Betreten des Bahngrundes durch unbefugte Personen zu verhindern. Diesen Zweck erfüllten die bereits vorhandenen Einfriedungen, die Ziegelmauer, die Schallschutzwand sowie der mit Querholzbalken gesicherte Maschendrahtzaun genauso. Die Erfüllung des Klagebegehrens, das nur auf die Errichtung des Stabgitterzauns, nicht aber auf Beseitigung der vorhandenen Einfriedung gerichtet sei, würde nichts zu diesem Zweck beitragen. Die Beklagte wäre lediglich verpflichtet, vor den vorhandenen Einfriedungen einen zusätzlichen Stabgitterzaun zu errichten. Dabei handle es sich jedoch um sinnlose Aufwendungen. Die Beklagte habe ein berechtigtes Interesse daran, für den Schallschutz für das von ihr errichtete Bauprojekt zu sorgen. Aufgrund dieser Interessenlage und weil die Klägerin keinen anderen Zweck der Rechtsverfolgung dartun könne, als auf die formale Erfüllung des Vertrags zu pochen, sei der Einwand des Rechtsmissbrauchs berechtigt.

[10] Zudem sei der Anspruch der Klägerin auch nicht fällig. Das Bauprojekt der Beklagten, über das die Klägerin informiert worden sei, sei noch nicht abgeschlossen. Es sollten im Jahr 2019 noch weitere Nebengebäude an der Grundgrenze errichtet werden und dann als Einfriedungen dienen. Zusätzlich solle die Ziegelmauer noch erweitert werden. Es sei davon auszugehen, dass die Fälligkeit einer allfälligen Verpflichtung zur Errichtung eines Stabgitterzauns erst am Ende des Bauprojekts eintreten werde.

[11] Das Berufungsgericht gab über Berufung der Klägerin dem Klagebegehren – ohne die Dauer der Leistungsfrist festzusetzen – statt. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass die Beklagte zur Errichtung des Stabgitterzauns verpflichtet sei und diese die Art der Einfriedung nicht frei wählen könne. Jedoch liege keine missbräuchliche Rechtsausübung vor. Die Errichtung des Stabgitterzauns habe für die Klägerin überragende Bedeutung. An den Abgrenzungszaun seien höchste Sicherheitsansprüche zu stellen, handle es sich doch um eine der meist befahrenen Hauptstrecken des österreichischen Eisenbahnnetzes. Bereits in den Verkaufsunterlagen sei darauf hingewiesen worden, dass der Eisenbahnbetrieb ganzjährig (Tag und Nacht) und auch an Sonn‑ und Feiertagen stattfinde, was auch der Beklagten bekannt sein musste. Dieser sei es nicht gelungen, eine „offenbare“ Schädigungsabsicht der Klägerin aufzuzeigen. Der Maschendrahtzaun mit Querholzbalken sei eher eine „ungepflegte Gstättn“ denn eine taugliche „Abzäunung“ zum viel befahrenen Gleiskörper. Er sei von der Konstruktion und Widerstandsfähigkeit einem Stabgitterzaun nicht gleichwertig und daher nicht in vergleichbarer Weise geeignet, Unbefugte vom Übersteigen des Zauns abzuhalten.

[12] Im Kaufvertrag sei keine Leistungsfrist für die Errichtung des Zauns festgehalten. Die Klägerin habe aufgrund des Kaufvertrags davon ausgehen dürfen, dass die Errichtung des Zauns zielgerichtet erfolgen werde. Das sei auch der der Beklagten erkennbare Vertragszweck gewesen. Die Errichtung des Zauns hätte zumindest nach Intabulierung (des Eigentumsrechts der Beklagten) erfolgen müssen, um die Sicherheitslücke zu schließen. Die Klägerin habe im April 2017 gegenüber der Beklagten beanstandet, dass diese ihrer Verpflichtung zur Herstellung einer Einfriedung entsprechend dem Kaufvertrag nicht nachgekommen sei. Der Beklagten habe damit klar sein müssen, dass sie baldigst mit der Errichtung des Zauns beginnen müsse. Im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz sei der Zaun immer noch nicht errichtet gewesen.

[13] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil „zur Frage des Rechtsmissbrauchs in der vorliegenden Konstellation soweit überblickbar noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung“ bestehe.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die dagegen von der Beklagten erhobene Revision ist zulässig, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Verlangen auf Errichtung eines Stabgitterzauns an der Grundgrenze trotz bestehender Ziegelmauer nicht rechtsmissbräuchlich sei, einer Korrektur bedarf und es entgegen § 409 Abs 2 ZPO auch keine Leistungsfrist bestimmte. Die Revision ist auch teilweise berechtigt.

[15] 1.1. Eine von der Beklagten als aktenwidrig gerügte angebliche Feststellung des Berufungsgerichts wurde von diesem so gar nicht getroffen. Die behauptete Aktenwidrigkeit kann daher insofern nicht vorliegen.

[16] 1.2. Eine Aktenwidrigkeit ist nur bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks einerseits und dessen Zugrundelegung und Wiedergabe durch das (Rechtsmittel‑)Gericht andererseits gegeben (RS0043397 [T2]). Relevant wäre ein solcher Verstoß allerdings nur, wenn er eine entscheidungswesentliche Tatsache betrifft (RS0043265; RS0043367 [T1]).

[17] Zwar hat das Berufungsgericht verwechselt, dass nicht die Klägerin, sondern die Beklagte der Klägerin mitgeteilt hat, dass sich Unbefugte über die Gleisanlagen Zutritt zur Liegenschaft der Beklagten verschafft hätten. Dass das Berufungsgericht Absender und Empfänger der E‑Mail vertauschte und sich Unterstandslose über die Bahngleise Zutritt zur Liegenschaft der Beklagten (und nicht der Klägerin) verschafft hätten, ist aber für die rechtliche Beurteilung nicht entscheidungsrelevant.

[18] 2. Die von der Beklagten erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung, dass die Klägerin Sicherheitsmaßnahmen auf ihren Gleisanlagen nicht einhalte, und die dazu vorgelegten Lichtbilder verstoßen gegen das Neuerungsverbot und sind schon deshalb unbeachtlich (§ 504 Abs 2 ZPO).

[19] 3. Die Beklagte hat sich im Kaufvertrag aus dem Jahr 2015 gegenüber der Klägerin verpflichtet, an der Grundgrenze als Abgrenzung zum Bahngrund einen 2 m hohen durchgehenden Stabgitterzaun mit den für die Benützung des der Klägerin eingeräumten Servitutswegs notwendigen Zutrittstüren zu errichten. Dieser Verpflichtung ist sie bislang nicht nachgekommen. Entgegen ihrer Darstellung erfolgte keine Änderung dieser Vereinbarung. Wenn in der Vereinbarung vom 6. 4. 2017 festgehalten wird, dass die Einfriedung im Einvernehmen und nach Weisung der Klägerin herzustellen ist, erteilt die Klägerin damit gerade nicht – wie die Beklagte meint – ihr „Einverständnis für die Errichtung von Bauwerken an der Grenze und auch für die Einfriedung“. Ein in diesem Vertrag vorgesehenes Arbeitsübereinkommen wurde zwischen den Parteien nicht geschlossen. Dass die bahnfremde Anlage binnen drei Jahren nach Abschluss des Übereinkommens von der Beklagten zu errichten und fertig zu stellen ist, hat keinen Bezug zur bereits zuvor im Kaufvertrag vereinbarten Errichtung eines bestimmten Zauns an der Grundstücksgrenze zu den stark befahrenen Gleiskörpern.

[20] 4. Die Fälligkeitsregeln des § 904 ABGB gelten für alle vertraglichen Schuldverhältnisse (siehe nur Kietaibl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 904 Rz 1 mwN zur Judikatur). Fälligkeit ist der Zeitpunkt, zu dem der Schuldner die Leistung bewirken und der Gläubiger sie annehmen soll; sie richtet sich primär nach der (ausdrücklichen oder konkludenten) Vereinbarung, wobei der Vertragszweck eine maßgebende Rolle spielt, und nach dem Gesetz, subsidiär nach der Natur der Leistung. Erst bei Versagen dieser Bestimmungsgründe ist „ohne unnötigen Aufschub“ zu leisten (RS0017598 [T1]; RS0123392). Die Fälligkeit der Leistungsverpflichtung tritt dann erst mit der Aufforderung zur Erbringung der Leistung durch den Gläubiger ein (RS0017614 [T8]; RS0017618 [T2]). Das gilt nicht nur für eine Zahlungsverpflichtung (RS0017614 [T5]; 1 Ob 191/14s mwN).

[21] Die Parteien trafen weder eine klare Vereinbarung über den Leistungszeitpunkt, noch kann dieser nach Gesetz oder Natur der Leistung bestimmt werden (vgl 1 Ob 122/00y: Sanierung eines Gebäudes). Die Beklagte wurde mit E‑Mail vom 4. 4. 2017 von der Klägerin aufgefordert, ihrer im Kaufvertrag übernommenen Verpflichtung zur Herstellung der Einfriedung nachzukommen. Die der Beklagten obliegende Errichtung eines Stabgitterzauns wurde damit fällig gestellt. Die Beklagte ersuchte zwar noch „um etwas Geduld“, sagte jedoch der Klägerin die Herstellung einer „ordnungsgemäßen Einfriedung“ zu. Damit trat jedenfalls die Fälligkeit der von der Beklagten zu erbringenden Leistung (noch vor Klageeinbringung am 23. 8. 2018) ein.

[22] 5.1. Rechtsmissbrauch im Sinn des § 1295 Abs 2 ABGB liegt vor, wenn das unlautere Motiv der Rechtsausübung das lautere Motiv oder die lauteren Motive eindeutig übersteigt (vgl RS0010568 [T1]; RS0026271 [T20]) oder zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht (RS0026265; vgl RS0026271 [T19]).

[23] 5.2. Beim Eisenbahnabschnitt, der an die Liegenschaft der Beklagten angrenzt, handelt es sich um eine viel befahrene Hauptstrecke des österreichischen Eisenbahnnetzes, die rund um die Uhr befahren wird. Der Zaun muss daher als Sicherheitseinrichtung hohen Ansprüchen genügen. Ebenso wie die Klägerin geht die Beklagte (Revision S 8 oben) davon aus, dass Vertragszweck der vereinbarten Einfriedung auch die Sicherung der Gleisanlagen vor unberechtigtem Zutritt durch nicht autorisierte Personen ist. Zwar ist die von der Beklagten teilweise errichtete Ziegelmauer mit einem Stabgitterzaun von der Funktionalität vergleichbar, jedoch trifft dies nicht auf den Maschendrahtzaun, der zusätzlich durch Querholzbalken gesichert ist, zu. Wie das Berufungsgericht insofern zutreffend ausführte, ist dieser Zaunteil jedenfalls von der Stabilität und Widerstandsfähigkeit mit dem vereinbarten Stabgitterzaun nicht gleichwertig und daher auch nicht in vergleichbarer Weise geeignet, Unbefugte vom Übersteigen abzuhalten. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der von ihr provisorisch errichtete Zaun nicht gleichwertig und das Begehren der Klägerin auf Vertragserfüllung im Bereich des Maschendrahtzauns nicht rechtsmissbräuchlich.

[24] 5.3. An der Grundstücksgrenze wurde von der Beklagten aber auch teilweise eine über 2 m hohe (massive) Ziegelmauer errichtet. Die Errichtung des vereinbarten Stahlgitterzauns soll nach dem Vorbringen der Klägerin der Hintanhaltung des Grenzübertritts durch Unbefugte dienen. Sie hat angesichts des durchgehenden Bahnbetriebs großes Interesse an der Absicherung des Bahngrundes, damit Störungen des Bahnbetriebs hintangehalten und allfällige Sach‑ und Personenschäden verhindert werden. Die von der Beklagten bereits errichtete gemauerte Abgrenzung an der Liegenschaftsgrenze mit Höhen von über 2 m – worunter auch Mauern der dort befindlichen Nebengebäude fallen – erfüllt sämtliche von der Klägerin geforderte Ansprüche, um Unbefugte vom Betreten der Bahngleise abzuhalten und ihr den ungestörten Bahnbetrieb zu ermöglichen. Die vorhandenen Ziegelmauern sind von der Stabilität und Widerstandsfähigkeit mit dem vereinbarten Stabgitterzaun durchaus vergleichbar. Lediglich die für die Benützung des Servitutswegs erforderliche Zutrittstüren für die Klägerin (entsprechend der Anordnung im Plan Beilage ./B) müssen im Bereich der bestehenden Ziegelmauern noch errichtet werden. Soweit die Klägerin die Errichtung des Stabgitterzauns „ohne Türen oder sonstige Durchtrittsöffnungen“ auch dort fordert, wo die Beklagte bereits die gemauerte Abgrenzung in der Höhe von jedenfalls 2 m errichtet hat, ist ihr Klagebegehren schikanös. Sie erlangt durch die Errichtung des Stabgitterzauns keinen erkennbaren Vorteil (den sie auch im Revisionsverfahren gar nicht darzulegen versucht), verursacht jedoch der Beklagten durch die dafür aufzuwendenden Errichtungskosten finanzielle Nachteile. Das Klagebegehren ist daher im Umfang der bereits vorhandenen (massiven) Ziegelmauern wegen rechtsmissbräuchlicher Rechtsverfolgung abzuweisen.

[25] 6. Zudem ist der Einwand der Beklagten, dem klagestattgebenden Urteil des Berufungsgerichts mangle es an einer Leistungsfrist gemäß § 409 Abs 2 ZPO, berechtigt. Wird die Pflicht zur Verrichtung einer Arbeit im Urteil auferlegt, dann hat das Gericht gemäß § 409 Abs 2 ZPO eine angemessene Frist zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit zu bestimmen. Dem ist von Amts wegen Rechnung zu tragen (1 Ob 2324/96p mwN). § 409 Abs 2 ZPO gilt auch für die Errichtung eines Werks (5 Ob 700/79 = RS0041276).

[26] Die Beklagte argumentiert, dass sie für die Errichtung der Einfriedung gerade wegen der derzeitigen COVID 19‑Pandemie und dem Winter Zeit benötige. Baubehörden gewährten für Bauaufträge üblicherweise Fristen von drei bis sechs Monaten. Die Klägerin nimmt dazu in der Revisionsbeantwortung nicht konkret Stellung. Der erkennende Senat erachtet mangels erkennbarer Besonderheiten des Falls für die Herstellung des 2 m hohen Stabgitterzauns in den noch nicht ausreichend gesicherten Bereichen sowie der beiden Zutrittstüren eine Leistungsfrist von drei Monaten für angemessen.

[27] 7. Der Revision ist daher teilweise – hinsichtlich der Dauer der Leistungsfrist und hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Errichtung eines Stabgitterzauns, soweit bereits eine (massive) Ziegelmauer besteht – Folge zu geben.

[28] 8. Die Klägerin ist insgesamt nur teilweise und nicht erkennbar überwiegend erfolgreich, weshalb nach § 43 Abs 1 Satz 1 ZPO (für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO) die Kosten gegenseitig aufzuheben sind. Nach § 43 Abs 1 Satz 3 ZPO sind daher die halben Gerichtsgebühren wechselseitig zu ersetzen.

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