OGH 10Ob58/20g

OGH10Ob58/20g19.1.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj S*****, geboren ***** 2006, *****, vertreten durch das Land Oberösterreich als Kinder‑ und Jugendhilfeträger (Bezirkshauptmannschaft Linz‑Land, 4020 Linz, Kärtnerstraße 16), über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 2. September 2020, GZ 15 R 278/20p‑45, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 3. Juli 2020, GZ 27 Pu 170/09a‑40, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0100OB00058.20G.0119.000

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Mit Beschluss des Erstgerichts vom 3. 7. 2020 wurden dem ***** 2006 geborenen Kind für die Zeit von 1. 4. 2020 bis 31. 5. 2024 Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG in der jeweiligen Höhe nach § 6 Abs 2 UVG weiter gewährt.

[2] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Bundes Folge und wies den Antrag des Kindes auf Weitergewährung der Unterhaltsvorschüsse ab. Der Revisionsrekurs wurde nicht zugelassen.

[3] Dagegen erhob das Kind, vertreten durch den Kinder‑ und Jugendhilfeträger, einen „außerordentlichen Revisionsrekurs“, den das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vorlegte.

[4] Diese Vorgangsweise entspricht nicht dem Gesetz.

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist bei einem 30.000 EUR nicht übersteigenden Entscheidungsgegenstand ein Revisionsrekurs – außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG – unzulässig, wenn das Rekursgericht – wie in diesem Fall – nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs nicht für zulässig erklärt hat (7 Ob 131/11g mwN). Der Anspruch des Kindes auf Unterhaltsvorschuss ist rein vermögensrechtlicher Natur (10 Ob 9/08h mwN; RIS‑Justiz RS0007110 [T32]).

[6] 2. Im Unterhaltsbemessungsverfahren und auch im Unterhaltsvorschussverfahren ist für den Wert des Entscheidungsgegenstands des Rekursgerichts der 3‑fache Jahresbetrag des monatlichen Geldbetrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz noch strittig ist, maßgeblich (10 Ob 9/08h mwN; RS0046543).

[7] 3. § 6 Abs 2 begrenzt unter anderem Unterhaltsvorschüsse nach § 4 Z 2 UVG ab dem Ende des vor Vollendung des 6. Lebensjahres liegenden Monats bis zum Ende des vor Vollendung des 14. Lebensjahres liegenden Monats mit 50 % (§ 6 Abs 3 Z 2 UVG) und ab diesem Zeitpunkt mit 65 % (§ 6 Abs 3 Z 3 UVG) des Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen nach § 293 Abs 1 lit c sublit bb erster Fall ASVG. Im Jahr 2020 beliefen sich die monatlichen Beträge nach § 6 Abs 2 UVG für die Altersgruppe von 6 bis 14 Jahren auf 316 EUR und für die Altersgruppe ab dem vollendeten 14. Lebensjahr auf 411 EUR. Ausgehend von einem dreifachen Jahresbetrag übersteigt der Entscheidungsgegenstand des Rekursgerichts nicht 30.000 EUR.

[8] 4. Dem Kind steht daher nur der Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs nach § 63 Abs 1 AußStrG zur Verfügung. Im Streitwertbereich des § 63 AußStrG sind Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die der ordentliche Revisionsrekurs ursprünglich nicht für zulässig erklärt wurde, dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen (§ 69 Abs 3 AußStrG). Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel als „außerordentliches“ bezeichnet wird und direkt an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist, weil derartige Rechtsmittel als Anträge im Sinn des § 63 AußStrG zu werten sind. Solange das Rekursgericht seinen Ausspruch auf die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht abändert, ist der Oberste Gerichtshof funktionell nicht zuständig (RS0120898).

[9] 5. Ob der dem Rekursgericht vorzulegende Schriftsatz den Erfordernissen des § 63 Abs 1 AußStrG entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, haben die Vorinstanzen zu beurteilen.

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