OGH 2Ob181/20m

OGH2Ob181/20m18.12.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** Ö*****, vertreten durch Dr. Gerhard Holzinger und Dr. Monika Holzinger, Rechtsanwälte in Braunau am Inn, gegen die beklagte Partei T***** G*****, vertreten durch Mag. Philipp Stossier, Rechtsanwalt in Wels, wegen 43.126,67 EUR sA und Feststellung (Streitwert 3.000 EUR), über das Rechtsmittel der beklagten Partei gegen das Teilzwischenurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. Juli 2020, GZ 6 R 75/20x‑17, mit welchem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 31. März 2020, GZ 5 Cg 104/19z‑13, teils abgeändert und teils aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00181.20M.1218.000

 

Spruch:

Das als Revision gegen das Teilzwischenurteil und als Rekurs gegen den Aufhebungsbeschluss zu wertende Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 2.215,80 EUR bestimmten Kosten der Rechtsmittelbeantwortung (darin 369,30 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger nimmt den Beklagten wegen eines Unfalls beim Training von Hobbyfahrern auf einer Motocross‑Strecke in Anspruch. Der Beklagte hatte bei Anfahrt auf einen Sprunghügel mit deutlich höherer Geschwindigkeit dazu angesetzt, den Kläger rechts zu überholen. Als beide Motorräder vom Boden abgehoben hatten, stießen sie zusammen. Der Kläger kam zu Sturz und verletzte sich.

[2] Vor dem Unfall hatte der Kläger seine Fahrlinie leicht nach rechts verlegt, der Beklagte leicht nach links. Der Kläger konnte die Annäherung des Beklagten wegen des Helms und des Lärms der Fahrzeuge sowie der nahegelegenen Autobahn erst wahrnehmen, als sich dieser etwa auf gleicher Höhe mit ihm befand. Von diesem Zeitpunkt bis zum Zusammenstoß vergingen 0,66 bis 0,88 Sekunden. In diesem Zeitraum konnte keiner der beiden eine unfallverhindernde Reaktion setzen, dies auch deswegen, weil sich die Motorräder in der Luft befanden. Beide hätten den Unfall vermeiden können, wenn sie ihre ursprüngliche Fahrlinie beibehalten hätten.

[3] Das Erstgericht wies das auf Zahlung von Schadenersatz und Feststellung der Haftung des Beklagten gerichtete Klagebegehren ab.

[4] Das Berufungsgericht sprach mit Teilzwischenurteil aus, dass das Zahlungsbegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe, und hob die abweisende Entscheidung über das Feststellungsbegehren auf. Es ließ die Revision zu, nicht aber den Rekurs.

[5] Bei gemeinsamer (paralleler) Sportausübung außerhalb eines Wettkampfs seien die Teilnehmer zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Sorgfalt verpflichtet. Ein Gruppenkonsens des Inhalts, dass Fahrer, die die Annäherung schnellerer Fahrer von hinten nicht wahrnehmen könnten, durch diese gefährdet oder auch verletzt werden dürften, könne nicht angenommen werden. Da auf der Rennstrecke Fahrer mit unterschiedlichem Fahrkönnen trainiert hätten, habe der Beklagte damit rechnen müssen, dass der Kläger seine Geschwindigkeit ändern oder die von der überwiegenden Zahl der Fahrer gewählte Fahrlinie nicht einhalten würde. Er habe daher (zumindest) eine Fahrlinie wählen müssen, bei der sich keine Gefahr des Kreuzens ergeben hätte. Das habe er nicht getan, sondern nach links (also in Richtung des Klägers) verlenkt. Anders als vom Beklagten angenommen, sei das Überholen auf einer Motocross-Strecke nicht uneingeschränkt zulässig, vielmehr komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Die Revision sei zulässig, weil die Frage des Sorgfaltsmaßstabs auf einer Motocross-Strecke über den Einzelfall hinaus Bedeutung habe.

[6] Mit seinem als Revision bezeichneten Rechtsmittel strebt der Beklagte die Wiederherstellung der zur Gänze abweisenden Entscheidung des Erstgerichts an.

[7] Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] A. Soweit sich das Rechtsmittel des Klägers gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts wendet, ist es in der Sache ein Rekurs iSv § 519 ZPO. Insofern ist es mangels Zulassung durch das Berufungsgericht als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO).

[9] B. Soweit sich das Rechtsmittel als Revision gegen das Teilzwischenurteil wendet, ist es entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

[10] 1. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Teilnehmer bei gemeinsamer oder – wie hier – paralleler Sportausübung nach ständiger Rechtsprechung zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Sorgfaltseinhaltung verpflichtet sind (RS0111575). Ob ein „Trainingskonsens“ im Sinn einer einvernehmlichen Reduktion von Sorgfaltsanforderungen (2 Ob 338/98i) vorliegt, ist ebenso eine Frage des Einzelfalls wie jene des Sorgfaltsverstoßes an sich. Es ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, für jede nur denkbare Sportart abstrakte Sorgfaltsmaßstäbe zu formulieren. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt daher nur vor, wenn das Berufungsgericht seinen insofern bestehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat (2 Ob 338/98i).

[11] 2. Im konkreten Fall ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu beanstanden.

[12] Auf der Motocross-Strecke trainierten Fahrer mit unterschiedlichen Fahrkenntnissen. Der Beklagte durfte daher nicht damit rechnen, dass andere Fahrer eine ganz bestimmte Fahrlinie einhalten würden; es ist auch nicht erkennbar, weshalb sie dazu verpflichtet gewesen sein sollten. Der Beklagte musste daher beim Überholen mit deutlich höherer Geschwindigkeit eine Fahrlinie wählen, die den Kläger – zumal in einer Situation, in der erkennbar beide Motorräder vom Boden abheben würden – nicht gefährdete. Die Annahme, dass er durch die Verlagerung seiner Fahrlinie in Richtung des Klägers gegen diese Verpflichtung verstieß, ist jedenfalls vertretbar. Ein Mitverschulden des Klägers, der den Beklagten erst unmittelbar vor dem Zusammenstoß wahrnehmen konnte, lässt sich aus den Feststellungen nicht ableiten.

[13] 3. Aus diesen Gründen ist die Revision des Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[14] C. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision wegen Nichtvorliegens einer erheblichen Rechtsfrage hingewiesen, nicht aber auf die absolute Unzulässigkeit des Rekurses. Der Beklagte hat ihm daher die Kosten der Rechtsmittelbeantwortung zu ersetzen, dies jedoch nur auf der Grundlage des Streitwerts des Zahlungsbegehrens.

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