European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0050NC00021.20P.1110.000
Spruch:
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.
Begründung:
Die Kläger streben – gestützt auf die Verordnung (EG) Nr 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. 2. 2004 für eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs‑ und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und der Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr 295/91 (in der Folge: „Fluggastrechte‑Verordnung“) – die Verpflichtung des beklagten Luftfahrtunternehmens zur Zahlung von 959 EUR an. Der von den Klägern gebuchte Flug von Wien‑Schwechat nach Hurghada sei aufgrund allein von der Beklagten zu verantwortender Umstände annulliert worden. Die Beklagte habe dazu weder ausreichende Informationen erteilt noch Betreuungsleistungen erbracht.
Das Bezirksgericht Schwechat wies die Klage zurück.
Dem dagegen erhobenen Rekurs der Kläger gab das Rekursgericht dahin Folge, dass es den Beschluss im Umfang der Zurückweisung der Klage ersatzlos behob und dieser lediglich dahin zu lauten habe, dass das Bezirksgericht Schwechat örtlich unzuständig sei.
Das Bezirksgericht Schwechat legte den Akt nun dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den von den Klägern bereits in der Klage hilfsweise gestellten Ordinationsantrag nach § 28 JN vor.
Die Kläger begründen diesen im Wesentlichen damit, sie seien österreichische Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich. Die Beklagte als Flugunternehmen habe ihren Sitz und allgemeinen Gerichtsstand in Ägypten, somit einem Drittstaat, in dem die Bestimmungen der EuGVVO nicht anzuwenden seien. Eine der Fluggastrechte‑Verordnung vergleichbare Regelung bestehe in Ägypten nicht. Die Rechtsverfolgung in Ägypten sei den Klägern unzumutbar, weil kein Abkommen für die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der Fluggastrechte‑Verordnung bestehe. Österreich sei allerdings zur Durchsetzung der Fluggastrechte‑Verordnung als Bestandteil des europäischen Gemeinschaftsrechts verpflichtet. Fluggästen, die aufgrund eines Beförderungsvertrags mit einem Flugunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat von einem in der Europäischen Union liegenden Flughafen abfliegen, dürfe die Geltendmachung und Durchsetzung von in der Verordnung begründeten Ansprüchen nicht erschwert werden.
Rechtliche Beurteilung
Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben.
1. Das Rekursgericht ging auf Basis der höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0128796) zutreffend davon aus, dass das in der Hauptsache angerufene Gericht zwar über die Zuständigkeit zu entscheiden hat, die Klage aber nicht zurückweisen darf, wenn ein Ordinationsantrag als Eventualantrag für den Fall gestellt wird, dass das angerufene Gericht seine örtliche Zuständigkeit nicht bejaht. Hier steht aufgrund der Rekursentscheidung rechtskräftig fest, dass das Bezirksgericht Schwechat örtlich unzuständig ist.
2.1. Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichts nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, bestimmt § 28 Abs 1 JN, dass der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen hat, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrags zur Ausübung von Gerichtsbarkeit verpflichtet ist (Z 1) oder der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre (Z 2) oder die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (Z 3).
2.2. Die Ordination setzt voraus, dass ein Gerichtsstand im Inland fehlt oder sich nicht ermitteln lässt und die Rechtsache nicht – etwa wegen völkerrechtlicher Immunität – der inländischen Gerichtsbarkeit (im engeren Sinn) entzogen ist (RS0118239). Die Z 1 und Z 3 des § 28 Abs 1 JN setzen die internationale Zuständigkeit voraus. Dem gegenüber erweitert § 28 Abs 1 Z 2 JN die internationale Zuständigkeit Österreichs, indem eine Notkompetenz für den Fall eröffnet wird, dass die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder unzumutbar ist (8 Nc 16/19y; 5 Nc 13/19k).
3.1. Die Klägerin macht in ihrem Ordinationsantrag ausschließlich die Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland iSd § 28 Abs 1 Z 2 JN geltend.
3.2. Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland wird in Lehre und Rechtsprechung dann bejaht, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt wird, eine dringende Entscheidung im Ausland nicht rechtzeitig erreicht werden kann, eine Prozessführung im Ausland eine der Parteien politischer Verfolgung aussetzen würde oder äußerst kostspielig wäre (RS0046148; 5 Nc 13/19k).
4.1. Der Oberste Gerichtshof hat die Ordination in gleichgelagerten Fällen der Durchsetzung von Ansprüchen nach der Fluggastrechte‑Verordnung gegen ein Flugunternehmen mit Sitz in Ägypten bereits wiederholt bewilligt und das für den Abflug zuständige Bezirksgericht als örtlich zuständiges Gericht bestimmt (2 Nc 12/19s; 7 Nc 23/19w; 5 Nc 20/19i; 5 Nc 2/20v). Auf die Begründung dieser Entscheidungen kann auch hier verwiesen werden. Der in der Klage behauptete Gerichtsstand im Inland wurde rechtskräftig verneint, die Kläger sind österreichische Staatsbürger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich, ihr Abflugort lag in Wien‑Schwechat und sie planen eine Exekutionsführung im Inland. Ein Abkommen zwischen Österreich und Ägypten über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen nach der Fluggastrechte‑Verordnung besteht nicht. Im Hinblick auf das unionsrechtliche Gebot der Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes für die Durchsetzung von Ansprüchen aus der Fluggastrechte‑Verordnung sind die Anforderungen an die Behauptungs‑ und Bescheinigungspflicht der Kläger (§ 28 Abs 4 JN) nicht zu überspannen (5 Nc 13/19k). Dem Ordinationsantrag war daher stattzugeben.
4.2 Für die Auswahl des zu ordinierenden Gerichts (in örtlicher Hinsicht) enthält § 28 JN keine ausdrücklichen Vorgaben; es ist dabei auf die Kriterien der Sach‑ und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]). Demgemäß ist die Sache dem Bezirksgericht Schwechat zuzuweisen, lag doch der Abflugort in dessen Sprengel und wurde die Klage bereits bei diesem Gericht behandelt (vgl 5 Nc 13/19k).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)