European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129897
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde aus gleichteiligem Verschulden rechtskräftig geschieden. Zwischen ihnen ist seit Mai 2018 ein Verfahren zur Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse anhängig. Zur Aufteilungsmasse gehört unter anderem die frühere Ehewohnung, die auf einer im Alleineigentum der gefährdeten Partei (idF: Antragstellerin) stehenden Liegenschaft errichtet worden war.
Die Antragstellerin beantragte, dem Antragsgegner aufzutragen, ihr den Zugang/Zutritt zur Ehewohnung zu gewähren „und ihr Wohnrecht daran zu akzeptieren“. Diesen Antrag stützte sie ausdrücklich auf § 382 Z 8 lit c erster Fall EO.
Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht die Abweisung dieses Antrags. Mit einer Regelungsverfügung gemäß § 382 Z 8 lit c EO könne das Gericht die Ehewohnung vor, während und nach der Scheidung der Ehe einem der Streitteile vorläufig zur alleinigen Benützung zuweisen, sofern der Antragsteller daran ein dringendes Wohnbedürfnis habe und ihm das weitere Zusammenleben nach den Maßgaben des § 382b Abs 1 EO unzumutbar sei. Es verneinte ein dringendes Wohnbedürfnis der Antragstellerin und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil das Problem erkannt wird, dass es dem Eigentümer einer Liegenschaft während der Zeit des Aufteilungsverfahrens mit einer zivilrechtlichen Klage nicht möglich ist, sein Eigentumsrecht durchzusetzen. [...] „Eine Regelungsverfügung zu erlassen, obwohl kein dringendes Wohnbedürfnis besteht, allein aufgrund des Umstandes, dass der Eigentümer wieder in die ehemalige Ehewohnung zurückkehren möchte, würde aber einen Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung bedeuten.“
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 521a Abs 2 iVm § 508a Abs 1 ZPO und § 78 EO) – des Rekursgerichts nicht zulässig. Das ist kurz zu begründen:
1.1 Die Antragstellerin stützte ihr Begehren ausdrücklich auf § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO und zielte damit auf eine einstweilige Regelung der (Mit‑)Benützung des ehelichen Gebrauchsvermögens (der Ehewohnung) ab. Eine solche Regelung kann im Zusammenhang mit einem Verfahren auf Aufteilung dieses Vermögens erfolgen; sie bedarf zwar keiner besonderen Gefahrenbescheinigung im Sinn des § 381 EO (RIS‑Justiz RS0006039 [T8]), setzt aber ein Regelungsbedürfnis voraus (RS0006043). Das erfordert eine Interessenabwägung zwischen den geschiedenen Ehegatten, die von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls abhängt und in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RS0006053 [T3]; RS0006039 [T3]).
1.2 Ein Bedürfnis an der einstweiligen Regelung der Benutzung der Ehewohnung kann unter anderem dann vorliegen, wenn ein (ehemaliger) Ehepartner wegen ehelicher Zerwürfnisse zunächst aus der Ehewohnung ausgezogen ist, später aber – wegen seiner bloß provisorischen, unzureichenden Wohnverhältnisse – auf die Benützung der Ehewohnung deshalb dringend angewiesen ist, weil er sonst in absehbarer Zeit obdachlos würde (RS0006062). Das Rekursgericht verneinte ein solches dringendes Wohnbedürfnis der Antragstellerin an der ehemaligen Ehewohnung, weil sie vor zwei Jahren aus freien Stücken aus- und in eine ihr gehörige Eigentumswohnung eingezogen sei, die sie nunmehr aus nicht feststellbaren Gründen verkauft habe, ohne sich nach einer Wohnmöglichkeit umzusehen, und nahm damit eine Interessensabwägung zu ihren Ungunsten vor.
2.1 Dem hält die Antragstellerin im Wesentlichen entgegen, dass sie Alleineigentümerin der Liegenschaft sei, auf der die vormalige Ehewohnung errichtet worden war; ein „Abstellen auf ein dringendes Wohnbedürfnis wäre nur relevant, wenn der Antragsgegner über die Liegenschaft (das Wohnhaus) rechtlich verfügungsberechtigt wäre […]“. Damit stellt die Antragstellerin die vom Rekursgericht gemäß der ständigen Rechtsprechung zur Regelungsverfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO vertretenen Grundsätze nicht in Frage, sondern beruft sich ausschließlich auf ihr Eigentumsrecht und verkennt damit das Wesen einer einstweiligen Verfügung nach dieser Gesetzesstelle.
2.2 Nach § 81 Abs 2 letzter Halbsatz EheG gehört die Ehewohnung zum ehelichen Gebrauchsvermögen, und zwar grundsätzlich unabhängig davon, in wessen Eigentum sie steht und aufgrund welchen Titels sie benützt wird (RS0117304); die Revisionsrekurswerberin bezweifelt auch gar nicht, dass die Liegenschaft der Aufteilung unterliegt. Losgelöstvon der Frage, in welcher Rechtsbeziehung die vormaligen Ehegatten zur Sache stehen (dazu RS0057491 [T1]), kann die Ehewohnung daher Gegenstand einer Regelungsverfügung gemäß § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO sein. Mit einer solchen Verfügung wird auch bloß eine vorläufige Benützungsanordnung begründet. Dabei sind die Aufteilungsgrundsätze des § 83 EheG sinngemäß zu beachten. Soweit nicht dem Ergebnis einer endgültigen Aufteilung vorgegriffen wird, muss sie der Billigkeit entsprechen und das Wohl der Kinder berücksichtigen (RS0006126).
3. Die Entscheidung des Rekursgerichts trägt diesen Grundsätzen ungeachtet der in der Zulassungsbegründung – zu Unrecht – formulierten Bedenken Rechnung. Die tatsächlichen Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung sind für Fragen im Zusammenhang mit einer Verfügung nach § 382 Abs 1 Z 8 lit c erster Fall EO ohne Belang. Allein aus dem Verweis auf ihr Eigentumsrecht an der Liegenschaft, auf der die Ehewohnung errichtet worden ist, kann die Antragstellerin daher kein Regelungsbedürfnis im Sinn der von ihr angestrebten gemeinsamen Benützung der Ehewohnung nach ihrem vor Jahren erfolgten Auszug dartun. Eine solche kommt darüber hinaus schon wegen der nach den Feststellungen äußerst konfliktbeladenen und den gemeinsamen Sohn belastenden Situation nicht in Betracht. Gegen das Ergebnis der von den Vorinstanzen vorgenommen Interessensabwägung wendet sie sich in ihrem Revisionsrekurs daher zu Recht nicht mehr. Auf die vom Rekursgericht ohnedies nur hilfsweise herangezogene Schikane kommt es nicht mehr an, sodass sich ein Eingehen auf die Ausführungen der Antragstellerin zu diesem Thema erübrigt. Ob sie den Zutritt zur vormaligen Ehewohnung mit einer zivilrechtlichen Klage, wie sie meint, erstreiten könnte, ist hier nicht zu prüfen.
4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO und § 78 EO).
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