OGH 14Ns49/20x

OGH14Ns49/20x12.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Oktober 2020 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz‑Hummel sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter in der Strafsache gegen ***** K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB, AZ 613 Hv 14/20b des Landesgerichts Korneuburg, über Vorlage gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO durch das Oberlandesgericht Wien, AZ 32 Bs 213/20p, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0140NS00049.20X.1012.000

 

Spruch:

Die Sache wird dem Oberlandesgericht Linz zur Entscheidung über den Einspruch gegen die Anklageschrift übermittelt.

 

Gründe:

Mit Anklageschrift vom 22. Juli 2020 (ON 88) legt die Staatsanwaltschaft Korneuburg ***** K***** als Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (zu ergänzen: erster Fall) und Abs 2, 148 zweiter Fall, 15 StGB beurteilte Taten zur Last. Demnach hat die Angeklagte (zusammengefasst) in den Sprengeln verschiedener Oberlandesgerichte teils gemeinsam mit einem abgesondert verfolgten Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 [erster Fall] StGB) namentlich genannte Personen sowie Verfügungsberechtigte von Banken und Unternehmen durch Täuschung über Tatsachen teils unter Benützung falscher Urkunden, und zwar durch die wahrheitswidrige Vorgabe ihrer (Rück‑)Zahlungsfähigkeit und -willigkeit, zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, die diese am Vermögen schädigten, und zwar (soweit hier von Bedeutung)

I./ am 3. Dezember 2018 in N***** ***** E***** und ***** C***** „zum Abschluss eines Finanzierungskredits bei der S***** für den Ankauf eines Porsche Panamera, Gesamtschaden in der Höhe von 55.749,10 Euro, wobei sie ***** E***** und ***** C***** ein Schriftstück einer 'Europäischen Kreditbank' vorlegte, in dem ein Kredit in der Höhe von 100.000 Euro zugesichert wurde, und angab, den Kredit damit nach 14 Tagen zu bedienen.“

Eine Begründung der örtlichen Zuständigkeit des Landesgerichts Korneuburg enthält die Anklageschrift nicht. Die den einzelnen Taten (I./ bis X./) konkret zugeordneten Tatorte liegen nicht im Sprengel dieses Gerichts.

Rechtliche Beurteilung

Gegen die Anklageschrift erhob ***** K***** Einspruch aus dem Grund des § 212 Z 6 StPO (ON 96) und führte dazu begründend aus, dass die Tatorte in D***** und L***** gelegen seien, weshalb entweder das Landesgericht Krems an der Donau oder das Landesgericht Linz zur Führung des Hauptverfahrens zuständig sei.

Mit Beschluss vom 8. September 2020, AZ 32 Bs 213/20p, legte das Oberlandesgericht Wien – nach Verneinung der Einspruchsgründe der Z 1 bis 4 und 7 des § 212 StPO (vgl RIS‑Justiz RS0124585) – die Akten gemäß § 215 Abs 4 zweiter Satz StPO dem Obersten Gerichtshof vor, weil es für möglich hielt, dass ein im Sprengel eines anderen Oberlandesgerichts liegendes Gericht zuständig sei.

Der Oberste Gerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 37 Abs 1 erster Satz StPO ist (unter anderem) im Fall der Anklage einer Person wegen mehrerer Straftaten das Hauptverfahren vom selben Gericht gemeinsam zu führen, wobei – soweit gegenständlich relevant – gemäß § 37 Abs 2 erster Satz erster Fall StPO unter Gerichten verschiedener Ordnung das höhere Gericht zur Führung aller Verfahren zuständig ist.

Bei Subsumtionseinheiten (hier § 29 StGB) ist die örtliche Zuständigkeit für jede einzelne Tat gesondert nach den Kriterien des § 36 (Abs 3) StPO zu ermitteln. Begründet (für sich betrachtet) eine einzige davon die sachliche Zuständigkeit eines höherrangigen Gerichts, ist dieses zur gemeinsamen Verfahrensführung zuständig (§ 37 Abs 2 erster Satz erster Fall StPO; RIS‑Justiz https://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Justiz&Gericht=&Rechtssatznummer=RS0131445&Rechtssatz=&Fundstelle=&AenderungenSeit=Undefined&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False&GZ=&VonDatum=&BisDatum=17.09.2020&Norm=&ImRisSeitVonDatum=&ImRisSeitBisDatum=&ImRisSeit=Undefined&ResultPageSize=100&Suchworte=&Position=1&SkipToDocumentPage=true&ResultFunctionToken=52834c9d-1d3d-4800-aad9-5fb1b350f35c&Dokumentnummer=JJR_20170523_OGH0002_0140NS00027_17G0000_001 ; Oshidari , WK‑StPO § 37 Rz 5/1; vgl zu § 26 Abs 2 StPO Nordmeyer , WK‑StPO § 26 Rz 8/1).

Gemäß § 31 Abs 3 Z 6a StPO kommt dem Landesgericht als Schöffengericht das Hauptverfahren (unter anderem) wegen des Vergehens des schweren Betrugs (§ 147 Abs 2 StGB) bei einem 50.000 Euro übersteigenden Schaden zu. Da die Anklageschrift ausschließlich zu I./ einen diesen Betrag übersteigenden Betrugsschaden inkriminiert, ist jenes Landesgericht zur gemeinsamen Verfahrensführung zuständig, in dessen Sprengel die zu I./ dargestellte Tat ausgeführt wurde.

Primärer Anknüpfungspunkt für die örtliche Zuständigkeit im Hauptverfahren ist der Ort, an dem die Straftat ausgeführt wurde oder ausgeführt werden sollte (§ 36 Abs 3 erster Satz StPO; vgl RIS‑Justiz RS0127231). Erstreckt sich die den gesetzlichen Tatbestand erfüllende Verhaltensweise über mehrere Orte, gibt jener den Ausschlag, an dem die deliktische Handlung beendende Tätigkeit, also in der Regel die letzte Ausführungshandlung stattgefunden hat. Bei hier maßgeblichem Betrug kommt es daher darauf an, wo der Täter die – im Fall mehrerer Täuschungsakte im Rahmen eines Betrugs (vgl dazu RIS‑Justiz RS0130106) letzte – für die tatbestandsmäßige Irreführung entscheidende Täuschungshandlung gesetzt hat (RIS‑Justiz RS0091795 [T1, T3], RS0130107 [insb T1]; Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 124 ff).

Bezugspunkt für die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit ist der von der Anklage vorgegebene Prozessgegenstand (RIS‑Justiz RS0131309). Bei der Beurteilung, wo die Straftat begangen wurde, orientiert sich das Gericht – ohne Bindung an die Ortsangaben in der Anklageschrift – an der Aktenlage (13 Ns 5/20v).

Danach hat die Angeklagte ***** E***** und ***** C***** durch die Vorspiegelung, den Ankaufskredit binnen 14 Tagen mit einem bereits zugesicherten Darlehen bei einer deutschen Bank zu tilgen oder zu bedienen, wobei sie E***** eine schriftliche Darlehenszusicherung einer „Europäischen Kreditbank“ vorlegte, dazu verleitet, den in Rede stehenden Porsche Panamera anzukaufen, zu diesem Zweck einen Kredit aufzunehmen (vgl ON 2 S 71 ff in ON 26) und in weiterer Folge das Fahrzeug der Angeklagten und ihrem Mittäter zu überlassen. Diese Gespräche, die tatplangemäß zu den entsprechenden täuschungsbedingten Zusagen der beiden Tatopfer führten, fanden bereits mehrere Tage vor dem 3. Dezember 2018 an den jeweiligen Wohnorten der Genannten, nämlich in A***** und L*****, statt (zu C*****: ON 2 S 31 iVm S 29 in ON 26; zu E***** ON 2 S 37 iVm 35 in ON 26). Dass die vom Oberlandesgericht Wien angesprochene gemeinsame Fahrt von E***** und der Angeklagten zum Verkäufer des Fahrzeugs nach N***** mitbestimmend für den Willensentschluss der Getäuschten war oder anlässlich dieser Fahrt weitere Täuschungshandlungen gesetzt wurden, lässt sich dem Akteninhalt nicht entnehmen (vgl dazu im Übrigen erneut Kirchbacher/Sadoghi in WK² StGB § 146 Rz 126). Der Ort der Unterfertigung des Kreditvertrags durch E***** in N***** ist hier gleichfalls nicht maßgeblich, weil der Vertrag (im Unterschied zu jenem Sachverhalt, welcher der Entscheidung 15 Ns 44/15m zugrunde lag) mit Dritten und nicht mit der Angeklagten und/oder ihrem Mittäter abgeschlossen wurde.

Da die relevanten Ausführungshandlungen demnach in L***** und A*****, sohin im Sprengel des Oberlandesgerichts Linz, erfolgten, hat – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – dieses Gericht über den Einspruch zu entscheiden (RIS‑Justiz RS0124585).

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