OGH 6Ob129/20v

OGH6Ob129/20v10.9.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei F* GmbH & Co KG, *, vertreten durch Mag. Thomas Kienbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 288.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 22. April 2020, GZ 33 R 21/20f-27, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129613

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

Die von der Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision als erheblich im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO bezeichneten Rechtsfragen (verfehlte Annahme des schlüssigen Abschlusses eines Maklervertrags durch das Berufungsgericht infolge Widerspruchs der Beklagten gegen die Provisionserwartung der klagenden Immobilienmaklerin; denkunmögliche Anwendung der §§ 6, 8 MaklerG, § 863 ABGB bei deutlich erklärtem Widerspruch der Beklagten zur Höhe des Provisionsanspruchs) betreffen jeweils die Beurteilung, ob zwischen den Parteien die von den Vorinstanzen angenommene Vereinbarung (Maklervertrag mit 3%igem Provisionsanspruch) tatsächlich zustande gekommen ist. Da diese Beurteilung im Wege der Vertragsauslegung zu erfolgen hat, liegt eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nur vor, wenn den Vorinstanzen eine krasse Fehlbeurteilung unterlief, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (vgl RS0042776 [insb T37, T43]). Dies ist hier nicht der Fall:

Rechtliche Beurteilung

1. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass ein Maklervertrag schlüssig zustande kommt, wenn für den Interessenten (hier: die Beklagte) erkennbar ist, dass er eine provisionspflichtige Tätigkeit eines Maklers in Anspruch nimmt und der Interessent dieser Tätigkeit nicht widerspricht. Auch wenn der Makler erkennbar bereits für einen anderen Auftraggeber tätig wird, kommt der Maklervertrag zustande, wenn der Makler – etwa durch Hinweis auf die Provisionserwartung – zu erkennen gibt, dass er auch vom Interessenten eine Provision erwartet (vgl RS0062658 [insb T8, T9]; RS0062234 [T3, T4]).

Nach den Feststellungen war die Klägerin als Immobilienmaklerin mit der Vermittlung des Verkaufs eines Hotelobjekts beauftragt, wobei sie mit einer Partnerin vereinbart hatte, die dabei anfallende Maklerprovision zu teilen. Sie bot das Objekt der Beklagten an. Die Beklagte unterfertigte im Zusammenhang damit eine auf Geschäftspapier der Klägerin geschriebene Vertraulichkeits- und Provisionsvereinbarung („Confidentiality & Commission agreement“) zwischen der Beklagten („interested party“) und der Verkäuferin, deren Punkt 4. lautet: „The interested party would pay in the case of purchase of the above mentioned property to the ARGE [Klägerin] and [Partnerin der Klägerin] a commission of 3 % plus VAT from the purchase price.“ Sie erhielt zudem ein Exposee der Partnerin betreffend das Verkaufsobjekt, in dem auf eine „Vermittlungsprovision“ in Höhe von 3 % netto hingewiesen wird. Der Beklagten war somit erkennbar, dass sie eine provisionspflichtige Tätigkeit (auch) der Klägerin – dass diese Tätigkeit letztlich erfolgreich war, ist im Revisionsverfahren nicht (mehr) strittig – in Anspruch nimmt (darauf, dass sich die Vertraulichkeits- und Provisionsvereinbarung zwangslos sogar als Vertrag zugunsten der Klägerin deuten ließe, hat bereits das Erstgericht hingewiesen).

Die Beklagte behauptet einen Widerspruch gegen die Provisionserwartung der Klägerin, wobei sich dieser aufgrund ihres Vorbringens (bloß) auf die Höhe der Provision und nicht auf das Bestehen eines Provisionsanspruchs an sich bezog. Dies ist aber für die Frage des Zustandekommens des Maklervertrags nicht relevant. Ein Einwand gegen die Höhe der Provisionsforderung kann allenfalls dazu führen, dass der Maklervertrag ohne Vereinbarung zur Provisionshöhe zustande kommt. Schon aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit § 8 Abs 1 MaklerG eine Regelung für jene Fälle trifft, in denen zur Provisionshöhe nichts Besonderes vereinbart ist, ergibt sich, dass das Fehlen einer derartigen Einigung nicht das Zustandekommen des Maklervertrags an sich hindert. Konkret gebührt dem Makler nach § 8 Abs 1 MaklerG die für die erbrachten Vermittlungsleistungen ortsübliche Provision, wenn über die Provisionshöhe nichts Besonderes vereinbart ist. Lässt sich eine solche nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten feststellen, steht eine angemessene Provision zu. Wieso dies – so aber die außerordentliche Revision – zur Folge haben sollte, dass die vom Gesetzgeber intendierte Obergrenze der von §§ 15, 16 Abs 1 Immobilienmaklerverordnung (BGBl Nr 297/1996 idF BGBl II Nr 268/2010) verordneten Höchstprovisionssätze ihren Sinn verlöre, weil dann immer der Provisionsbetrag von 3 % zur Anwendung kommen müsste, ist nicht ersichtlich. Mangels Vereinbarung ist nach § 8 MaklerG zunächst auf die Ortsüblichkeit abzustellen; die verordneten Höchstprovisionssätze sind dabei ortsüblich (vgl 6 Ob 71/07w). Mangels Vereinbarungen zur Provisionshöhe und sonstiger Anhaltspunkte zur ortsüblichen Höhe der Provision haben diese gerade den Sinn, als Maßstab für die Festlegung der Provisionshöhe zu dienen.

2. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (RS0013947). Die Beklagte kannte (siehe 1.) die Provisionsbedingungen der Klägerin in Höhe von 3 % netto des Kaufpreises („from the purchase price“) und nahm ihre Tätigkeit in Anspruch. Selbst wenn sie möglicherweise einmal – nach ihrem eigenen Vorbringen gegenüber einem Dritten (der Partnerin der Klägerin) – geäußert haben sollte, dass ihr der Provisionsanspruch zu hoch sei, so legte sie doch ohne weitere Kritik an den Provisionsvorstellungen der Klägerin ein Kaufanbot, dem ein Kaufvertragsabschluss folgte. Dieses Verhalten hat das Berufungsgericht jedenfalls vertretbar als ein schlüssiges Akzeptieren (auch) der Provisionshöhe von 3 % netto durch die Beklagte interpretiert.

Nach Verrechnung der Provision durch die Klägerin verhandelten die Streitteile – nachdem sich die Beklagte zunächst sogar geweigert hatte, eine solche überhaupt zu zahlen – konkret über die Höhe der Provision, wobei die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts, das Verhalten der Klägerin lasse den Schluss zu, es sei ihr dabei darauf angekommen, den Streit über die Provisionshöhe möglichst rasch in wirtschaftlich akzeptabler Form beizulegen, um an ihr Geld zu kommen, ebenfalls durchaus vertretbar ist. Warum ein derartiges Verhalten „schlichtweg nicht nachvollziehbar“ sein und nur dahin interpretiert werden können soll, dass die Klägerin selbst angenommen habe, es sei „hinsichtlich der Provisionshöhe gerade noch keine Übereinstimmung erzielt“ worden – wie die außerordentliche Revision meint –, ist für den Obersten Gerichtshof nicht erkennbar. Bei einer Gesamtforderung von 612.000 EUR brutto, dem Fehlen einer ausdrücklichen schriftlichen Vereinbarung zwischen den Streitteilen und der grundsätzlichen Bestreitung eines Provisionsanspruchs der Klägerin durch die Beklagte kann unter Berücksichtigung des Prozessrisikos, des zu erwartenden Zeitverlusts betreffend einen Zahlungseingang im Fall eines (erfolgreichen) Prozesses und des nie auszuschließenden Insolvenzrisikos von Marktteilnehmern ein Vergleichsangebot zunächst von 420.000 EUR und schließlich von 330.000 EUR brutto nicht als nicht „rational nachzuvollziehen“ angesehen werden.

Auf die in der Revision angesprochene Vereinbarung, wonach die Höhe der Provision vorerst offen bleiben und erst nach Kaufvertragsabschluss geklärt werden sollte, hat sich die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht einmal ansatzweise berufen.

3. Die Beklagte vermag in ihrer außerordentlichen Revision schließlich auch keine krasse Fehlbeurteilung des Verhaltens der Klägerin im Zusammenhang mit deren Gewährung von Nachlässen unter Setzung von Nachfristen durch das Berufungsgericht aufzuzeigen (§ 510 Abs 3 ZPO).

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