European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00092.20G.0901.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Ehegatte der Klägerin verstarb am 11. 11. 2018. Er hatte seit 1. 7. 2016 eine Alterspension in Höhe von 3.440,89 EUR monatlich bezogen; ab 1. 1. 2018 betrug diese Pension monatlich 3.498,03 EUR.
[2] Die Klägerin bezieht seit 1. 3. 2017 eine Alterspension in der Höhe von monatlich 3.618,89 EUR und ab 1. 1. 2019 in Höhe von monatlich 3.686,89 EUR. Bis 30. 6. 2017 war die Klägerin neben ihrem Pensionsbezug als Angestellte der V***** GmbH pensionsversichert. Die Summe der Einkommen der Klägerin aus unselbstständiger Tätigkeit und Pensionseinkommen nach § 264 Abs 5 ASVG betrug in den Jahren 2016 und 2017 insgesamt 166.184,02 EUR.
[3] Die Summe der Einkommen des verstorbenen Ehegatten der Klägerin aus unselbstständiger Tätigkeit und Pensionseinkommen nach § 264 Abs 5 ASVG belief sich in den Jahren 2016 und 2017 auf insgesamt 109.397,06 EUR.
[4] Mit Bescheid vom 22. 3. 2019 erkannte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt der Klägerin eine Witwenpension ab 11. 11. 2018 in Höhe von monatlich 853,25 EUR und ab 1. 1. 2019 in Höhe von monatlich 866,22 EUR zu; dies entspricht 24,4273 % des Pensionsanspruchs ihres verstorbenen Ehegatten.
[5] Die Vorinstanzen wiesen das Begehren der Klägerin auf Zuerkennung einer höheren Witwenpension als der ihr zuerkannten ab.
Rechtliche Beurteilung
[6] In ihrer gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf.
[7] Auch in ihrer außerordentlichen Revision zieht die Klägerin die Richtigkeit der Berechnung ihrer Witwenpension durch die Beklagte nach § 264 ASVG nicht in Zweifel.
[8] Die Klägerin wendet sich vielmehr gegen die Einbeziehung ihrer bis 30. 6. 2017 erzielten Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit bei der Berechnung ihres Anspruchs und macht eine Verfassungswidrigkeit des § 264 ASVG geltend. Diese Bestimmung sei nach ihrem Schutzzweck dahin auszulegen, dass sie eine Reduktion der Witwenpension verhindern wolle. Basis für die Berechnung der Witwenpension könne daher nach Erreichung der Voraussetzungen für die Alterspension nur der Bezug dieser Pension durch die Klägerin selbst sein. Die Klägerin könne nicht verpflichtet werden, neben dieser Pension ein zusätzliches Einkommen zu beziehen. Folge man der Auslegung des § 264 ASVG durch die Vorinstanzen, werde die Klägerin im Ergebnis dafür bestraft, dass sie länger gearbeitet habe, obwohl sie bereits einen Anspruch auf Alterspension gehabt habe. Um den Pensionsausfall auszugleichen, werde die Klägerin „angespannt“, sich eine Arbeit zu suchen. Diese Auslegung des § 264 ASVG sei verfassungswidrig. Es dürfe nicht immer nur auf die Einkommensseite des Verstorbenen abgestellt werden, sondern müsse auch die Einkommensseite des Hinterbliebenen gleichheitskonform behandelt werden. Die Klägerin sei gezwungen gewesen, in das Pensionssystem Beiträge einzuzahlen, sie habe daher Anspruch nicht nur auf eine angemessene eigene Pension zu einem bestimmten Stichtag, sondern auch auf eine angemessene Witwenpension.
[9] Gemäß § 264 Abs 3 ASVG ist Berechnungsgrundlage der Witwe das Einkommen nach § 264 Abs 5 ASVG in den letzten zwei Kalenderjahren vor dem Zeitpunkt des Todes des Versicherten, geteilt durch 24. Als Einkommen gilt gemäß § 264 Abs 5 Z 1 ASVG das Erwerbseinkommen im Sinn des § 91 Abs 1 und 1a ASVG. Gemäß § 91 Abs 1 Z 1 ASVG gilt als Erwerbseinkommen bei einer unselbständigen Tätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt (vgl RS0121584). Die Einbeziehung des aus unselbständiger Tätigkeit erzielten Erwerbseinkommens der Klägerin für die Ermittlung der Berechnungsgrundlage entspricht daher dem Wortlaut des § 264 Abs 5 ASVG. Die von der Klägerin gewünschte – gegenteilige – Auslegung liegt außerhalb des äußerst möglichen Wortsinns dieser Bestimmung.
[10] Zweck der Witwen‑/Witwerpension ist es, den Unterhaltsausfall auszugleichen, der in der Ehe durch den Tod eines Ehegatten entsteht. Das Ausmaß dieser Pension korreliert daher mit dem zu Lebzeiten erzielten Einkommen und seiner Verteilung auf die beiden Ehegatten: Je höher der Anteil des verstorbenen Versicherten am gemeinsamen Haushaltseinkommen war, desto höher ist der Unterhaltsausfall und demnach auch die Witwen‑/Witwerpension (10 ObS 132/18m). Gerade die von der Revisionswerberin gewünschte Berücksichtigung ihrer „Einkommensseite“ zeigt daher keine Korrekturbedürftigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts auf: Das Eigeneinkommen der Klägerin lag im Beobachtungszeitraum deutlich über dem Einkommen des verstorbenen Ehegatten, was ihren Anspruch auf Witwenpension verringert, weil der Unterhaltsausfall durch den Tod des Ehegatten geringer war. Der Verfassungsgerichtshof hat es in seinem Erkenntnis G 300/02 sogar als sachlich gerechtfertigt angesehen, dass die Witwen‑/Witwerpension bei verhältnismäßig hohem Eigeneinkommen der Witwe/des Witwers zur Gänze entfallen kann (10 ObS 20/17i SSV‑NF 31/23). Die von der Klägerin gewünschte Auslegung des § 264 ASVG entspricht daher auch nicht dem Zweck dieser Norm.
[11] Die Verfassungskonformität des zweijährigen Beobachtungszeitraums des § 264 Abs 3 ASVG wurde, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, vom Verfassungsgerichtshof (aufgrund eines Gesetzesprüfungsantrags des Obersten Gerichtshofs) bereits bejaht (G 228/09). Auch dagegen, dass die Witwen‑/Witwerpension auf der Grundlage eines Einkommensvergleichs bemessen wird, bestehen aus Sicht des Obersten Gerichtshofs – entsprechend seiner ständigen Rechtsprechung – keine verfassungsrechtlichen Bedenken; eine solche Regelung liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers (10 ObS 11/15p SSV‑NF 29/15 mwH). Dem Gesetzgeber muss zugebilligt werden, dass angesichts der potentiellen Vielfalt der Lebenssachverhalte keine Grenzziehung geeignet ist, Härtefälle zur Gänze zu vermeiden (VfGH G 228/09). Härtefälle werden jedoch – wenn auch nicht durchgehend – durch den in § 264 Abs 6 ASVG vorgesehenen Schutzbetrag abgefedert (RS0121071). Es besteht daher kein Anlass zu der von der Klägerin gewünschten Antragstellung gemäß Art 140 B‑VG.
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