OGH 9Ob38/20h

OGH9Ob38/20h26.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofräte und Hofrätinnen Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J* und 2. H*, beide *, vertreten durch Dr. Herbert Hübel, Mag. Thomas Payer, Mag. Susanne Payer und Mag. Michael Gruber, Rechtsanwälte in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. S*, 2. Dipl.‑Ing. (FH) F* und 3. A*, vertreten durch Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert insgesamt 2.000 EUR) und Unterlassung (Streitwert insgesamt 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 17. April 2020, GZ 53 R 275/19a‑45, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 14. Oktober 2019, GZ 10 C 560/18k‑40, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E129300

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 502,03 EUR (darin enthalten 83,67 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Kläger sind je Hälfteeigentümer einer direkt an den *see (im Folgenden nur See) angrenzenden unbebauten Wiese samt (nordwestlichem) Uferstreifen. Die Drittbeklagte ist Eigentümerin einer Liegenschaft (samt Wohnhaus), die nicht direkt am See liegt, sondern jenseits der an den Ufergrundstücken vorbeiführenden Straße. Die Erst- und der Zweitbeklagte sind Mieter der Liegenschaft und des Wohnhauses der Drittbeklagten.

Gemäß einer 1962 abgeschlossenen Servitutsvereinbarung ist ob der Liegenschaft der Kläger zugunsten des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft der Drittbeklagten die Dienstbarkeit „des Gehrechts längs der nordöstlichen Grenze … auf dem dort bestehenden Weg zum [See] in einer Breite von 1 (einem) Meter und das Recht, den nordwestlichen Uferstreifen der Grundparzelle … zum Baden zu benützen“ eingetragen.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass die Erst- und der Zweitbeklagte nicht berechtigt seien, ihr Eigentum am Grundstück dadurch zu stören, dass sie es betreten und zum Baden nutzen, in eventu dort vor und nach dem Baden verweilen, sowie die Unterlassung dieser Handlungen. Gegenüber allen drei Beklagten begehren die Kläger, die Feststellung der Störung dadurch, dass sie es dritten Personen ermöglichen, dieses Grundstück zu betreten und zum Baden zu nutzen sowie die Unterlassung dieser Handlungen.

Die Beklagten bestreiten und wenden im Wesentlichen ein, dass sie nicht nur zum Gehen über die Liegenschaft berechtigt seien, um zum See zu gelangen und darin zu schwimmen, sondern der im Servitutsvertrag enthaltene Ausdruck „Baden“ auch das Verweilen auf der Liegenschaft vor und nach dem Schwimmen im See und das Ablegen von (Bade‑)Sachen und Kleidung auf der Liegenschaft umfasse. Die Erst- und Zweitbeklagte als Mieter des herrschenden Grundstücks zählten zum Kreis der Berechtigten. Das Mitnehmen weiterer Personen (auch nicht familienzugehöriger Personen) sei zulässig und seit jeher so gehandhabt worden.

Das Erstgericht stellte mit Wirkung zwischen den Streitteilen fest, dass 1. die Erstbeklagte und der Zweitbeklagte nicht berechtigt seien, das Eigentum der Kläger am Grundstück dadurch zu stören, dass sie dort auch vor und nach dem Baden im See länger als zwei Stunden am Stück verweilen und 3., dass die (drei) Beklagten nicht berechtigt seien, das Eigentum der Kläger dadurch zu stören, dass sie es Personen, die nicht zur Familie der Beklagten gehören, ermöglichen, das Grundstück zu betreten und zum Baden zu nutzen. Weiters gab das Erstgericht den korrespondierenden Unterlassungsbegehren (2. und 4.) statt. Die Mehrbegehren (5.) wurden abgewiesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger, die Badedauer von zwei Stunden am Stück auf einmal pro Tag zu reduzieren sowie den Kreis der Berechtigten auf Personen einzuschränken, die als Familienangehörige im gemeinsamen Haushalt mit einem der Beklagten leben, nicht Folge. Das Berufungsgericht bewertete die von der Berufung betroffenen Teilbegehren mit jeweils 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteigend und ließ die Revision mit der Begründung zu, dass Liegenschaften mit Zugang zum See nur mehr selten verfügbar seien und Einschränkungen in der zeitlichen Nutzung und Einschränkungen des Kreises der Berechtigten eine erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1 Wird im Servitutsbestellungsvertrag Ausmaß und Umfang des eingeräumten Rechts nicht näher festgelegt, so liegt eine ungemessene Servitut vor (RS0011741; RS0011752 [T2]). Deren Umfang richtet sich, ebenso wie die Art der Ausübung nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RS0011720). Maßgebend ist dabei das jeweilige Bedürfnis des herrschenden Gutes unter Berücksichtigung der ursprünglichen Bewirtschaftungsart sowie der vorhersehbaren Art der Ausübung (RS0016368; RS0097856).

1.2 Die Art der Ausübung findet ihre Grenzen in einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Eigentümers des dienenden Gutes (RS0097856 [T2]). Dem Berechtigten soll der angestrebte Vorteil ermöglicht, dem Belasteten aber so wenig wie möglich geschadet werden. Eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit liegt nur dann vor, wenn das dienende Gut dadurch erheblich schwerer belastet wird (RS0097856 [T12]).

1.3 Diese gemäß § 484 ABGB vorzunehmende Interessensabwägung ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und stellt daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RS0011720 [T17]).

2.1 Nach den Tatsachengrundlagen ist davon auszugehen, dass der Vereinbarung über die Begründung der Dienstbarkeit offenkundig die Absicht zugrunde lag, eine vorteilhaftere Benutzung des Grundstücks zu bewirken, indem das Recht auf den Zugang zum See und die Benutzung des Uferstreifens als Badeplatz eingeräumt wird (Merth/Spath in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar5 § 473 ABGB Rz 6). Dem jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft und dessen Familienmitgliedern sollte auch ermöglicht werden, vor und nach dem Baden am Uferbereich zu verweilen und dort Kleidung, Schuhe und Badesachen abzulegen. Dass die Liegenschaft – insbesondere an heißen Tagen – mehrmals täglich zum Baden aufgesucht werden wird, war vorhersehbar. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung, eine Einschränkung des Badens auf einmal pro Tag sei weder mit dem Wortlaut der Dienstbarkeitsvereinbarung noch mit deren Sinn und Zweck in Einklang zu bringen, bewegt sich im Rahmen der zitierten Auslegungsregeln.

2.2 Dies trifft auch auf die Auslegung des Kreises der berechtigten Familienangehörigen zu. Wenn das Berufungsgericht davon ausging, der Beweggrund eines Käufers einer Liegenschaft, mit der die Berechtigung des Seezugangs und des Badens verbunden ist, sei darin gelegen, nicht nur allein, sondern mit seinen Familienmitgliedern zum See zu gelangen (mögen sie auch nicht unmittelbar haushaltszugehörig sein, wie etwa Enkelkinder), ist diese Auslegung vertretbar. Dass auch eine andere Auslegung möglich wäre, stellt keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0042776 [T2]; RS0042936 [T3]).

2.3 Da auf die jeweiligen Bedürfnisse der Liegenschaft abzustellen ist, kann der Kreis der Berechtigten im Rahmen der bei Abschluss der Servitutsvereinbarung vorstellbaren Nutzung auch größer werden (etwa im Falle der Vergrößerung der Eigentümerfamilie, der Aufteilung der Eigentümerstellung auf mehrere Personen, aber auch im Fall der Vermietung an mehrere Mieter). Im Allgemeinen bedeutet die Steigerung der Zahl der Benutzungsfälle für sich allein noch keine unzulässige Erweiterung der Servitut (RS0011748 [T3]).

2.4 Wie bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, haben die Kläger ihr Klagebegehren nicht darauf gestützt, dass die Beklagten nicht berechtigt wären, den gesamten – nordwestlich gelegenen – Uferstreifen zu benützen, sondern nur dessen nordwestlichen („linken“) Teil. Mit dieser Begründung setzen sich die Revisionswerber in ihrem Rechtsmittel nicht auseinander, weshalb eine Prüfung durch den Obersten Gerichtshof zu unterbleiben hat.

3. Da weder die vom Berufungsgericht im Zulassungsausspruch angesprochene Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist, noch die Revisionswerber eine derartige Rechtsfrage aufzeigen, ist die Revision zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).

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