European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00045.20Y.0527.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin ist Transportversicherer der T***** GmbH (fortan: T GmbH). Diese hatte die Erstbeklagte beauftragt, einen Transport von insgesamt fünf Containern mit Maschinenteilen eines Regalbediensystems von P***** (OÖ) nach M***** (USA) durchzuführen. Der Transport sollte zunächst per Lkw zum Gelände der Zweitbeklagten (E*****) erfolgen, anschließend per Schienenfahrzeug zum Hafen B*****, von dort auf dem Seeweg nach C***** (USA) und zuletzt wieder per Lkw zum Empfänger in M***** (USA) durchgeführt werden. Es war die Geltung der AÖSp vereinbart.
Die Erstbeklagte führte den ersten Teil des Transports, nämlich den Lkw-Transport von P***** zum Terminal E***** der Zweitbeklagten, selbst durch. Mit der Durchführung der Umladung und dem Zugtransport nach B***** hatte die Erstbeklagte die einem Zugunternehmer der Deutschen Bahn zuzuordnende T***** T***** GmbH beauftragte. Diese beauftragte ihrerseits die Zweitbeklagte mit der Umladung der Container auf einen Zug der W***** GmbH.
Nach der Anlieferung der Container bei der Zweitbeklagten werden diese in einem Depot gelagert, bevor sie auf den Zug aufgeladen werden. Im Durchschnitt lagern die Container bei der Zweitbeklagten drei bis vier Tage. Im Bereich dieses Depots sind mehrere Brückenkräne zur Manipulation der deponierten Container und zum Aufladen auf den Zug vorhanden. Der größte dieser Kräne (Nr 5) im Terminal der Zweitbeklagten ist ein etwa 30 m breiter, schienengeführter Kran. Diesen bediente damals ein Kranführer der Zweitbeklagten, der über sämtliche dafür erforderlichen Kranführerprüfungen verfügte und für die Manipulation der Container innerhalb des Terminal-Bereichs speziell eingeschult war. Der Kranführer bewegte einen Container, mit dem er infolge falscher Höhenberechnung mit einem der zu transportierenden Container, die zu einem Turm gestapelt waren, zusammenstieß. Dieser zum Transport gehörige Container fiel zu Boden und das darin befindliche Gut wurde dadurch beschädigt.
Die Klägerin bezahlte aufgrund dieses Schadensfalls einen Gesamtbetrag von 61.181,31 EUR an die T GmbH.
Die Klägerin begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand gestützt auf § 67 VersVG sowie aufgrund erfolgter Abtretung die Zahlung von 57.271,07 EUR sA. Sie brachte – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – vor, dass die Erstbeklagte nach CMR hafte. Das Aus- und Umladen stelle keine eigene Teilstrecke dar.
Die Erstbeklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und berief sich auf die Geltung der AÖSp. Der Schaden sei während der Zwischenlagerung der Waren auf dem Terminalgelände der Zweitbeklagten entstanden. Die zu transportierenden Container seien von der Zweitbeklagten bereits vom Lkw entladen und zur späteren Weiterverladung abgestellt gewesen. Dabei sei es aufgrund eines Bedienfehlers eines Kranführers zu einem Zusammenstoß mit einem abgestellten Container gekommen. Die schadenskausale und daher das Haftungsregime bestimmende „Teilstrecke“ bzw Teilleistung der Multimodalbeförderung sei die Einlagerung bei der Zweitbeklagten, sodass weder CMR noch CIM, sondern die dispositiven Bestimmungen des UGB bzw die AÖSp anzuwenden seien. Gemäß § 52 AÖSp sei die Zweitbeklagte als Lagerhalterin nicht als Erfüllungsgehilfin der Erstbeklagten anzusehen und sei ihr deren Verschulden nicht zuzurechnen. Die Erstbeklagte habe pflichtgemäß eine Speditionsversicherung abgeschlossen, sodass sie gemäß § 41 AÖSp nicht passiv legitimiert sei.
Die Zweitbeklagte bestritt eine von der Klägerin behauptete „Haftungszuweisung“, das Vorliegen einer wirksamen Abtretung und die Voraussetzungen einer deliktischen Haftung.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren gegen die Erstbeklagte ab, weil es die CMR für nicht anwendbar erachtete und die Haftung der Erstbeklagten nach § 51 lit d AÖSp ausscheide. Dagegen gab es dem Zahlungsbegehren gegen die Zweitbeklagte dem Grunde nach statt, weil es dem Vertragsverhältnis zwischen dem Schienenbeförderer und der Zweitbeklagten Schutzwirkung zugunsten der T GmbH zubilligte.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der Klägerin und der Zweitbeklagten dahin Folge, dass es das Klagebegehren gegen die Erstbeklagte als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannte, während es das Klagebegehren gegen die Zweitbeklagte – unbekämpft – abwies. Es war – soweit für das Revisionsverfahren wesentlich – der Rechtsansicht, dass sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung richte. Die Zwischenlagerung bei der Zweitbeklagten sei nicht der Ablieferung des Gutes iSd Art 17 CMR gleichzuhalten. Der Schaden sei demnach noch während der Zeit der Obhutshaftung der Erstbeklagten als Frachtführerin eingetreten. Die Erstbeklagte, die nach Art 3 CMR für das Verhalten der von ihr beauftragten Unterfrachtführerinnen einzustehen habe, haftet daher nach den zwingenden Bestimmungen der CMR. Insoweit die zwischen den Parteien vereinbarten AÖSp davon abweichende Regelungen vorsehen, seien diese gemäß Art 41 CMR nichtig. Das Haftungsregime der CIM scheide aus, weil als Übernahme iSd Art 23 § 1 CIM lediglich die Entgegennahme zum Zweck der alsbaldigen Beförderung zur Erfüllung der frachtvertraglichen Pflichten gehöre.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage, welchem Haftungsregime eine dem Beförderungszweck dienende Zwischenlagerung im Zuge eines multimodalen Transports unterliege, bislang keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Erstbeklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Wiederherstellung des ihr gegenüber klageabweisenden Ersturteils.
Die Klägerin erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise diese als nicht berechtigt abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, im Ergebnis aber nicht berechtigt.
1. Die Klägerin hat die Erstbeklagte mit der Durchführung des gesamten Transports vom Abgangsort in Oberösterreich bis zum Zielort in den USA beauftragt, wobei die Beförderung mit verschiedenen Beförderungsmitteln vorgesehen war. Hat der erteilte Transportauftrag von vornherein die Beförderung mit verschiedenen Beförderungsmitteln zum Gegenstand (Lastkraftwagen, Eisenbahn, Schiff), richtet sich die Ersatzpflicht des mit der Beförderung über die gesamte Strecke beauftragten Frachtführers nach der für das jeweilige Beförderungsmittel geltenden Haftungsordnung. Dieses „Network-System“ ist für die Ermittlung der Haftungsordnung bestimmend. Es ist daher nach bisher herrschender Rechtsprechung bei bekanntem Schadensort auf den zwischen den Parteien des multimodalen Frachtvertrags hypothetisch abgeschlossenen Vertrag über die Beförderung auf derjenigen Teilstrecke abzustellen, auf der der Schaden eingetreten ist (7 Ob 116/17k mwN). Anstelle des Übernahme- und Auslieferungsorts der multimodalen Beförderung treten der Ort des Beginns und des Endes der betreffenden Teilstrecke (RS0062353 [T3]; RS0126555).
2. Im Revisionsverfahren ist hier vorrangig strittig, ob – wie die Klägerin meint – der im Terminal der Zweitbeklagten eingetretene Schaden dem Haftungsregime der vorangehenden Teilstrecke (CMR) oder der folgenden Teilstrecke (CIM) oder – wie die Erstbeklagte meint – als eigener Abschnitt einem gesonderten Haftungsregime untersteht. Dazu ist Folgendes zu erwägen:
2.1. Im Terminal der Zweitbeklagten wurden die Container zwischengelagert. Da die Klägerin und die Erstbeklagte die Beförderung mit verschiedenen Beförderungsmitteln vereinbart hatten und im Terminal der Zweitbeklagten vereinbarungsgemäß der Wechsel vom Lastkraftwagen auf die Eisenbahn erfolgen sollte, war die Zwischenlagerung – wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt – von vornherein in den Beförderungszweck eingebettet und daher Teil der Beförderung, mit der die Erstbeklagte über die gesamte Strecke als Frachtführer beauftragt war. Solche in den Beförderungszweck eingebetteten (kurzfristigen) Zwischenlagerungen sind – mangels abweichender Vereinbarung – nicht Gegenstand eines gesonderten Vertragsverhältnisses, etwa eines Lagervertrags, sondern als Nebenpflichten grundsätzlich nach frachtrechtlichen Bestimmungen zu beurteilen (vgl 3 Ob 132/06t = RS0073749 [T4]; Steger in U. Torggler , UGB 3 § 425 Rz 25). Dabei sind zwischen zwei Beförderungsabschnitten eingeschobene Lagerungen auch dann noch „kurzfristige“ Zwischenlagerungen, wenn sie – wie im Anlassfall offenbar üblich – einige Tage dauern ( Reuschle in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn , HGB 3 , Vorbemerkung vor § 407 HGB Rz 110).
2.2. Der erkennende Senat hat bereits in 7 Ob 116/17k zum Ausdruck gebracht (Punkt D.1.), dass multimodale Transporte in der Regel lediglich in Teilstrecken und – im Zusammenhang mit dem Aus- und Umladen – nicht auch noch in Zwischenbereiche zu zerlegen sind. Eine davon abweichende Beurteilung wurde in dieser Entscheidung für Fälle erwogen, in denen die Umladung Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung ist oder ein für einen Terminal ungewöhnliches Transportmittel erfordert. Keine dieser Voraussetzungen liegen hier vor. Dass es sich beim Gelände der Zweitbeklagten – wie die Erstbeklagte betont – um einen großen Containerterminal mit täglich zahlreichen Verladebewegungen handelt, ändert daran nichts, handelte sich doch auch im Anlassfall nur um eine übliche Containermanipulation im Zusammenhang mit dem Wechsel des Beförderungsmittels vom Lastkraftwagen auf die Eisenbahn.
2.3. Als Zwischenergebnis folgt daher, dass die Zwischenlagerung samt Umladung auf dem Containerterminal der Zweitbeklagten – entgegen der Ansicht der Erstbeklagten – haftungsrechtlich keinen gesonderten Abschnitt bildet und die fragliche Haftung der Erstbeklagten nach frachtrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen ist.
3. Das Berufungsgericht hat die Containermanipulation, bei der sich der Schaden ereignete, noch dem ersten Transportabschnitt zugerechnet und ist deshalb zur Haftung der Erstbeklagten auf der Grundlage der CMR gelangt. Dieser Ansicht ist nicht zu folgen:
Die Erstbeklagte hat mit der Ablieferung der Container im Terminal der Zweitbeklagten die Beförderung über den ersten Transportabschnitt abgeschlossen. Dort befanden sich die Container in der Gewahrsame der Zweitbeklagten, die Subunternehmerin der von der Erstbeklagten mit der Durchführung der Umladung und dem Zugtransport beauftragten T***** T***** GmbH war. Die Zwischenlagerung der Container im Terminal der Zweitbeklagten diente ausschließlich der Vorbereitung des Bahntransports und ist daher diesem Transportabschnitt zuzuordnen.
4.1. Nach Art 23 § 1 der einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM) haftet der Beförderer (ua) für den Schaden, der durch Beschädigung des Gutes in der Zeit von dessen Übernahme bis zur Ablieferung entsteht (Obhutshaftung). Soweit die Bestimmungen der CIM eine Haftung vorsehen, verdrängen sie in diesem Umfang die vereinbarten AÖSp und schließen eine Haftungsbefreiung nach § 41a AÖSp aus (7 Ob 275/00t). Die Erstbeklagte kann sich daher insoweit nicht wirksam auf die AÖSp berufen.
4.2. Gemäß Art 40 CIM haftet der Beförderer – wie nach Art 3 CMR – für seine Bediensteten und für andere Personen, deren er sich bei der Durchführung der Beförderung bedient, soweit diese Bediensteten und andere Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handeln. Der Beförderer haftet daher für jene Personen, die auf seinen Wunsch an der Durchführung einer bestimmten Beförderung mitwirken (vgl RS0073705 [zu Art 3 CMR]). Daraus folgt, dass der Beförderer berechtigt ist, die ihm übertragenen Pflichten auf andere Personen, seien es nun seine Dienstnehmer oder selbständige Unternehmer, zu übertragen, jedoch nur unter Fortbestand seiner Verantwortung gegenüber dem Absender für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung (7 Ob 91/16g [zu Art 3 CMR]). Besagte Regelung erfasst insbesondere alle Subunternehmer, die Teilfunktionen der vereinbarten Beförderung übernommen haben und zwar einschließlich ihres Personals und ihrer Subunternehmer ( Jesser-Huß in Münchner Kommentar zum HGB 4 Art 3 CMR Rz 19). Die mit dem Transport über die gesamte Strecke beauftragte Erstbekagte hat daher für jene Unternehmen einzustehen, die sie zur Durchführung der nicht selbst vorgenommenen Transportbewegungen herangezogen hat. Dies gilt hier namentlich für die T***** T***** GmbH und die Zweitbeklagte als deren Subunternehmerin betreffend die Umladung im Containerterminal. Die von der Erstbeklagten reklamierte Haftungsbefreiung wegen des Vorliegens eines vermeintlich unabwendbaren Ereignisses (nach Art 23 § 2 CIM) scheidet demnach aus.
5. Im Ergebnis folgt:
5.1. Die Zwischenlagerung und die Umladung vom Lastkraftwagen auf die Eisenbahn waren im Anlassfall nicht Gegenstand einer gesonderten Vereinbarung, sondern Teil des von der Erstbeklagten für die Gesamtstrecke übernommenen Transports. Der Schaden entstand bei einer üblichen Containermanipulation im Zusammenhang mit dem Wechsel des Beförderungsmittels und bildet daher keinen eigenen Abschnitt eines multimodalen Transports. Die Zwischenlagerung erfolgte im Terminal der Zweitbeklagten, die als Subunternehmerin für die von der Erstbeklagten mit der Umladung und dem Bahntransport beauftragten T***** T***** GmbH tätig war. Die Zwischenlagerung diente der Vorbereitung des anschließenden Bahntransports und ist daher diesem Transportabschnitt zuzuordnen. Die Erstbeklagte hat für das zur Umladung und zum Bahntransport herangezogene Unternehmen (T***** T***** GmbH) und dessen Subunternehmen (Zweitbeklagte) einzustehen und vermag sich daher nicht von ihrer frachtrechtlichen Haftung nach der CIM zu entlasten. Die Revision der Erstbeklagten erweist sich daher im Ergebnis als nicht berechtigt.
5.2. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 4 iVm § 393 Abs 4 ZPO.
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