European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128265
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten.
Begründung:
Das Rekursgericht hat die auf § 382e EO beruhende einstweilige Verfügung des Erstgerichts bestätigt und ausgesprochen, dass der ordentliche Revisionsrekurs zur Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit zulässig sei.
Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof zufolge §§ 78, 402 Abs 4 EO, § 526 Abs 2 letzter Satz ZPO nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Eine erhebliche Rechtsfrage wird weder mit der zweitinstanzlichen Zulassungsbegründung noch im Revisionsrekurs des Antragsgegners aufgezeigt. Der Beschluss kann sich auf die Darlegung der Zurückweisungsründe beschränken (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
1. Unter der Bezeichnung „Nichtigkeit“ wird lediglich ein Mangel des Rekursverfahrens behauptet, dieser aber inhaltlich nicht näher ausgeführt.
2. Zwar sind im Regelfall auch im Provisorialverfahren die Garantien des Art 6 EMRK voll anwendbar, jedoch ist in Ausnahmefällen, etwa wenn die Effektivität der Maßnahme von einer raschen Entscheidung abhängt, die einseitige Erlassung einer einstweiligen Verfügung ohne vorherige Anhörung des Gegners zulässig, weil ja der nachfolgend mögliche – und hier vom Antragsgegner auch erhobene – Widerspruch das rechtliche Gehör sicherstellt (7 Ob 185/17g mwN). Das Rekursgericht führte in seiner Entscheidung ausdrücklich aus, dass dem Antragsgegner aus näher bezeichneten Gründen vor Erlassung der einstweiligen Verfügung nicht Gelegenheit gegeben werden musste, sich zur beantragten Provisorialmaßnahme zu äußern. Aus der Rechtsprechung des EGMR (Entscheidung vom 15. 10. 2009, 17.056/06, Micallef/Malta) ist dann keine Erweiterung der Anfechtungsmöglichkeiten im Fall einer – wie hier – die Mangelhaftigkeit des Verfahrens ablehnenden Rekursentscheidung abzuleiten (7 Ob 44/14t mwN).
3.1. Nach § 382e Abs 1 EO hat das Gericht einer Person, die einer anderen Person durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht, auf deren Antrag – soweit dem nicht schwerwiegende Interessen des Antragsgegners zuwiderlaufen – den Aufenthalt an bestimmt zu bezeichnenden Orten zu verbieten (Z 1) und aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden (Z 2). Entscheidend ist demnach die Unzumutbarkeit des Zusammentreffens (vgl 7 Ob 185/17g mwN).
3.2. Ob im Hinblick auf den als bescheinigt angenommenen Sachverhalt zum Verhalten einer Person ein Auftrag, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit dem Antragsteller zu vermeiden, gemäß § 382e EO gerechtfertigt ist oder nicht, ist grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO. Dies gilt auch für die Frage, wann ein die Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten vorliegt, welches das weitere Zusammentreffen unzumutbar macht (7 Ob 34/13w). Eine vom Obersten Gerichtshof zu korrigierende Fehlbeurteilung dieser Fragen ist in den Entscheidungen der Vorinstanzen nicht zu erkennen, sind doch aus dem Verhalten des Antragsgegners schwerwiegende Nachteile für die Betreuungssituation des Antragstellers zu befürchten (notwendiges Verlassen der derzeit optimalen Betreuungseinrichtung).
3.3. Richtig ist, dass das auf engen verwandtschaftlichen Beziehungen beruhende Eltern-Kind-Verhältnis ein von der Rechtsordnung anerkanntes lebenslanges Rechtsverhältnis begründet, in dessen Schutzbereich auch das durch § 16 ABGB, Art 8 EMRK geschützte Streben nach gegenseitigem persönlichen Kontakt und Zugang fällt (4 Ob 186/09w). Der persönliche Kontakt setzt allerdings – was der Antragsgegner verkennt – voraus, dass der zu Besuchende den gewünschten Kontakt nicht ablehnt und dieser auf eine Weise ausgeübt wird, durch die Rechte Dritter möglichst unberührt bleiben (vgl 4 Ob 186/09w; 6 Ob 85/18w). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
4.1. Die Entscheidung des Rekursgerichts steht im Einklang mit den zu § 382e EO entwickelten Judikaturgrundsätzen. Der Antragsgegner zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Der Revisionsrekurs ist daher nicht zulässig und somit zurückzuweisen.
4.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 2 EO iVm § 52 Abs 3 ZPO.
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