European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00081.20Y.0525.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Beim Bezirksgericht Leoben ist das Pflegschaftsverfahren betreffend das Kontaktrecht der Mutter zu ihrem minderjährigen Sohn anhängig. Die Mutter lehnte die Richter dieses Bezirksgerichts und des Landesgerichts Leoben als befangen ab, weil die väterliche Großmutter viele Jahre im Präsidium des Landesgerichts tätig gewesen sei. Wegen der (geringen) Größe des Landesgerichts bzw des im selben Gebäude untergebrachten Bezirksgerichts müsse davon ausgegangen werden, dass in dieser Zeit viele freundschaftliche Beziehungen mit den Bediensteten und Richtern des Landesgerichts bzw Bezirksgerichts entstanden seien. Die Schwester des Vaters sei viele Jahre in Leoben als Rechtsanwaltsanwärterin bzw Rechtsanwältin tätig (gewesen); es sei davon auszugehen, dass auch sie intensiven Kontakt zu Richtern und Bediensteten des Bezirksgerichts bzw Landesgerichts gehabt habe.
Das Oberlandesgericht Graz als funktionell erste Instanz (§ 23 JN) erkannte die Ablehnung betreffend zwei Richter des Landesgerichts Leoben, die selbst Befangenheitsanzeigen erstatteten, als berechtigt und wies den Antrag „im darüber hinausgehenden Umfang“ (betreffend die weiteren Richter des Landesgerichts) ab. Der Vorsitzende des Ablehnungssenats und der Vizepräsident des Landesgerichts (Ersatzmitglied im Ablehnungssenat), die sich jeweils als befangen erachteten, weil sie private Kontakte zur väterlichen Großmutter unterhielten, wobei auch familiäre Probleme besprochen würden, seien als befangen zu qualifizieren, nicht aber andere (Ersatz‑)Mitglieder des Ablehnungssenats des Landesgerichts. Dass die Großmutter am Landesgericht tätig gewesen sei, begründe keinen äußeren Anschein einer Voreingenommenheit. Dasselbe gelte für den Umstand, dass diese auch private Kontakte zu anderen Richtern, mögen sie auch dem Ablehnungssenat angehören, unterhalte. Ein (auch nur unbewusster) „vorauseilender Gehorsam“ zu Lasten der Mutter könne den abgelehnten Richtern nicht unterstellt werden. Die beruflichen Kontakte der Richter zur Schwester des Vaters seien ungeeignet, eine Befangenheit zu begründen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der Mutter ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.
1. Das Ablehnungsverfahren ist zwar grundsätzlich zweiseitig, sodass dem Gegner der Ablehnungswerberin sowohl in erster als auch in zweiter Instanz an sich im Weg der Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit Gehör zu gewähren ist (RIS‑Justiz RS0126587). Bei einer offenkundigen Unbegründetheit der Ablehnung – wie sie hier im Rekursverfahren vorliegt – kann von der Einholung einer Rekursbeantwortung allerdings Abstand genommen werden (RS0126587 [T2]).
2. Mit Ausnahme des Vorsitzenden des Ablehnungssenats des Landesgerichts Leoben und eines Ersatzmitglieds haben die weiteren Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ablehnungssenats keine über die rein berufsmäßige Bekanntschaft hinausgehende Beziehung zur Großmutter des Minderjährigen und dessen Tante. Im vorliegenden Fall reichen die von der Ablehnungswerberin und den abgelehnten Richtern des Landesgerichts genannten objektiven Umstände nicht aus, den Anschein der Befangenheit zu begründen. Ein solcher Anschein bestünde zwar bei persönlichen Beziehungen zwischen dem Richter und einer Partei (RIS‑Justiz RS0046024 [T8, T19]), die über ein beruflich bedingtes Verhältnis hinausgehen, wobei unter Umständen auch derartige Beziehungen (nur) zu einem nahen Angehörigen einer Partei ausreichen könnten (2 Ob 193/15v mwN). Hier sind solche über das beruflich Bedingte hinausgehende Beziehungen aber nicht erkennbar. Dass die Großmutter des Minderjährigen öfters zu Besuch im Präsidium, ihrer früheren Arbeitsstätte, ist und dabei immer wieder über die problematische familiäre Situation berichtet, führt nicht zu einer besonderen persönlichen Nähe zu allen am Landesgericht tätigen Richtern. Die Ablehnungswerberin vermag nicht darzulegen, inwiefern – mit Ausnahme des Vorsitzenden des Ablehnungssenats und eines Ersatzmitglieds – die weiteren Mitglieder und Ersatzmitglieder des Ablehnungssenats befangen sein sollten. Das Oberlandesgericht Graz führt zutreffend aus, dass sich auch kein äußerer Anschein einer Voreingenommenheit daraus ergibt, dass diese Richter an jenem Landesgericht tätig sind, an dem die väterliche Großmutter früher tätig gewesen ist und das sie noch gelegentlich aufsucht. Allein die Tätigkeit am selben Gericht mit den dabei üblichen sozialen Kontakten begründet noch nicht den Anschein der Befangenheit. Von einem Richter kann grundsätzlich erwartet werden, dass er auch bei Bestehen solcher Kontakte objektiv entscheidet. Da die Frage nach einem (zu vermeidenden) Anschein einer Befangenheit von Gerichtsorganen allein vom zuständigen Senat zu beurteilen ist, spielt es – entgegen der Auffassung der Rekurswerberin – keine Rolle, wenn einzelne Richter in ihrer Äußerung auf einen „möglicherweise problematischen Anschein“ hingewiesen haben.
Die beiden verbleibenden Mitglieder des Ablehnungssenats sowie die übrigen Ersatzmitglieder haben ausdrücklich erklärt, sich persönlich nicht befangen zu erachten, sodass keine Bedenken dagegen bestehen, dass sie auch subjektiv in der Lage sind, eine ausschließlich auf sachlichen Erwägungen beruhende Entscheidung zu treffen.
3. Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.
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