OGH 2Ob18/20s

OGH2Ob18/20s24.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** L*****, vertreten durch Wijnkamp Advocatuur/Advokatur GmbH in Imst, gegen die beklagten Parteien 1. S*****, Kommanditgesellschaft und 2. Ö*****‑Gesellschaft m.b.H., beide *****, beide vertreten durch Dr. Markus Skarics, Rechtsanwalt in Imst, wegen 19.677,14 EUR sA und Feststellung (Streitwert: 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. November 2019, GZ 2 R 136/19w‑34, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Juli 2019, GZ 6 Cg 81/18z‑26, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00018.20S.0424.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 1.984,70 EUR (darin 330,78 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Am 25. 2. 2016 stürzte die Klägerin im Einstiegsbereich der Talstation eines von der erstbeklagten Partei betriebenen Sechser‑Sessellifts aus einem Liftsessel und verletzte sich. Die zweitbeklagte Partei ist die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der erstbeklagten Partei.

Das Berufungsgericht wies das Schadenersatz- und das Feststellungsbegehren der Klägerin ab und ließ die ordentliche Revision über Antrag nachträglich mit der Begründung zu, dass zu einem Einsteigevorgang in einen im Stationsbereich verlangsamt fahrenden Sessellift noch keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist jedoch entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung noch in der Revision wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die in den Niederlanden wohnhafte Klägerin macht in ihrem Rechtsmittel nur noch die außervertragliche Haftung der beklagten Partei geltend. Dabei bezweifelt sie die (zutreffende) Beurteilung des Berufungsgerichts nicht, wonach gemäß Art 4 Abs 1 Rom II‑VO insoweit an das Recht des Schadenseintritts (des Erfolgsorts) anzuknüpfen und daher österreichisches Recht anzuwenden ist (vgl 2 Ob 111/15k mwN).

2. Die Unabwendbarkeit eines Ereignisses iSd § 9 Abs 2 EKHG scheidet unter anderem dann aus, wenn eine durch einen nicht beim Betrieb tätigen Dritten ausgelöste außergewöhnliche Betriebsgefahr unmittelbare Ursache des Unfalls ist. Ein solcher Dritter kann auch ein anderer Fahrgast (Liftbenützer) sein (2 Ob 111/15k; 2 Ob 114/06p). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine außergewöhnliche Betriebsgefahr bei einer besonderen Gefahrensituation anzunehmen, die nicht bereits regelmäßig und notwendig mit dem Betrieb verbunden ist, sondern durch das Hinzutreten besonderer, nicht schon im normalen Betrieb liegender Umstände vergrößert wurde (RS0058467). Die Frage, ob eine außergewöhnliche Betriebsgefahr unmittelbare Unfallursache war, kann immer nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0058444).

3. Im vorliegenden Fall wirkte sich das „Fehlverhalten“ des mitfahrenden Kindes für die Klägerin lediglich dahin aus, dass ihr Liftsessel noch im Stationsbereich aus langsamster Fahrt mit noch offenem Bügel sanft anhielt und minimal ins Schwingen geriet. Die Ansicht des Berufungsgerichts, das darin keine besonderen gefahrenerhöhenden Umstände erblickt hat, weil auch im Zuge eines gewöhnlichen Einsteigevorgangs der Sicherheitsbügel in der Regel noch eine kurze Fahrtstrecke offen stehe, bis ihn die Fahrgäste geschlossen haben, hält sich im Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums. Das gilt ebenso für die Verneinung einer Gefahrenerhöhung, durch das Herausrutschen des Kindes und des Lebensgefährten der Klägerin aus ihren Sesseln. Mit ihrer Argumentation, sie habe bei geöffnetem Sicherheitsbügel in einem instabilen, schwingenden Sessel mit herausstürzenden Mitbenützern das Gleichgewicht halten müssen, entfernt sich die Klägerin in unzulässiger Weise von den erstgerichtlichen Feststellungen.

4. Zutreffend hat bereits das Berufungsgericht dargelegt, dass der vorliegende Sachverhalt mit jenem, der der Entscheidung 2 Ob 114/06p zugrunde lag, nicht vergleichbar ist, weil dort der Kläger unmittelbar durch das Fehlverhalten der beim Einsteigen gestürzten Mitbenützerin aus dem mit unverminderter Geschwindigkeit durch die Station fahrenden Doppelsessellift gerissen wurde.

5. Gegen die Auffassung der Vorinstanzen, die erstbeklagte Partei und ihre Betriebsgehilfen hätten jede nach den Umständen des Falls gebotene Sorgfalt beachtet, sodass der Entlastungsbeweis (§ 9 Abs 2 EKHG) gelungen sei, führt die Klägerin nichts Stichhaltiges ins Treffen. Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass es dem Fahrgast obliegt, den beim Betrieb eines Sessellifts auch bei größter Sorgfalt unvermeidlichen leichten Schaukelbewegungen eines Liftsessels durch die erforderliche Sorgfalt Rechnung zu tragen und sich vor allem dann, wenn die Sicherungsbügel (im Stationsbereich) geöffnet sind, entsprechend festzuhalten (2 Ob 120/80 ZVR 1981/172; vgl 2 Ob 70/94 ([Pendelbewegung einer Gondel]; RS0023680). Die Beurteilung, für die erstbeklagte Partei liege ein unabwendbares Ereignis iSd § 9 Abs 2 EKHG vor, wirft daher auch unter diesem Gesichtspunkt keine erhebliche Rechtsfrage auf.

6. Mangels zu beurteilender Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die beklagten Parteien haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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