OGH 9Ob9/20v

OGH9Ob9/20v16.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei * E* F*, vertreten durch Dr. Bernhard Gumpoldsberger, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. M* GmbH & Co KG, *, und 2. G* Aktiengesellschaft, *, beide vertreten durch Mag. Alexander Appelius, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.500 EUR sA und Feststellung (Streitwert 7.500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 21. November 2019, GZ 53 R 226/19w‑18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Hallein vom 5. Juli 2019, GZ 1 C 270/19w‑14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128366

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger wandte sich wegen schwerer Wirbelsäulen- und Bandscheibenbeschwerden an den Arzt Dr. * K*. Nach Terminvereinbarung suchte er am 11. 4. 2016 dessen Ordination in der Stadt S* auf. Dr. K* schlug dem Kläger eine Operation im von der Erstbeklagten betriebenen Medizinischen Zentrum * vor und bot ihm auch gleich für den 19. 4. 2016 einen Operationstermin an. Nach kurzer Überlegung rief der Kläger am nächsten Tag die ihm von Dr. K* genannte Mitarbeiterin der Erstbeklagten an und fixierte mit ihr den Operationstermin sowie seine stationäre Aufnahme ab 18. 4. 2016.

Am 18. 4. 2016 wurde der Kläger im Krankenhaus der Erstbeklagten in * aufgenommen. Anlässlich der Aufnahmeformalitäten wurde ihm auch ein „Informationsblatt für die Aufnahme und Behandlung an der Klinik Medizinisches Zentrum *“ vorgelegt. Die Mitarbeiterin der Erstbeklagten setzte in den Vordruck dieses Informationsblattes handschriftlich den Namen Dr. K* als behandelnden Arzt ein und fragte den Kläger nach seiner privaten Krankenversicherung. Auch deren Name wurde von der Mitarbeiterin nach den Angaben des Klägers in das Formular – ebenso wie das Datum – eingefügt, bevor der Kläger das Informationsblatt unterschrieb. Dieses Informationsblatt begann mit folgendem Text:

„Sehr geehrte Patientin, sehr geehrter Patient,

die Klinik als Belegkrankenhaus stellt die Räumlichkeiten zur Verfügung und bietet Ihnen die stationäre Versorgung und die sogenannte sekundäre medizinische Betreuung für die Behandlung und den stationären Aufenthalt.

Der Eingriff und die Behandlungsdurchführung selbst liegen im alleinigen Verantwortungsbereich von Herrn Dr. [eingefügt:] K*.

[...]“

Der Kläger nimmt mit der vorliegenden Klage die Erstbeklagte als Trägerin der Krankenanstalt und die Zweitbeklagte als deren Haftpflichtversicherer auf Schadenersatz in Anspruch, wobei er ein Leistungs- und Feststellungsbegehren erhebt. Er brachte vor, dass bei der Operation ein von ihm näher dargelegter ärztlicher Kunstfehler unterlaufen sei. Zudem sei er über die Behandlung nicht korrekt aufgeklärt worden; bei korrekter Aufklärung hätte er in diese nicht eingewilligt.

Die Beklagten wandten unter anderem mangelnde Passivlegitimation ein. Es handle sich, wie auch aus dem Informationsblatt ersichtlich, um ein Belegkrankenhaus. Folglich wäre einzig Dr. K* für die Klagebegehren passivlegitimiert.

Das Erstgericht wies ausgehend von dem von ihm festgestellten, eingangs wiedergegebenen Sachverhalt die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten ab.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Der Kläger habe mit Dr. K* stillschweigend einen Behandlungsvertrag geschlossen. Aus dem Informationsblatt ergebe sich verständlich das Vorliegen eines Belegkrankenhauses im Sinne der Rechtsprechung. Ein solches stelle die Räumlichkeiten zur Verfügung und gewährleiste die stationäre Versorgung und sekundäre medizinische Betreuung, während der Eingriff und die Behandlungsdurchführung im alleinigen Verantwortungsbereich des Belegarztes lägen. Der Anstaltsträger eines Belegkrankenhauses hafte nach der Rechtsprechung nicht für Behandlungsfehler des Belegarztes. Es bedürfe keiner ergänzenden Feststellung, inwiefern Dr. K* oder dessen Operationsteam auch bei der erstbeklagten Partei angestellt war, weil hier der Sonderfall vorliege, dass Dr. K* den Kläger zunächst in seiner Privatordination behandelt und anschließend ins Krankenhaus eingewiesen hat, wo er ihn in Form der Operation weiter behandelte. In einem solchen Fall werde selbst der angestellte Arzt des Krankenhausträgers zum Belegarzt mit eigener Haftung.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Berufungsgericht gemäß § 508 ZPO nachträglich zugelassene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.1. Nach herrschender Auffassung werden herkömmlicherweise drei Grundtypen von Krankenhausaufnahmeverträgen unterschieden: Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag verpflichtet sich der Krankenhausträger, alle für die stationäre Behandlung erforderlichen Leistungen einschließlich der ärztlichen Versorgung zu erbringen. Er begründet ausschließlich eine Rechtsbeziehung zwischen dem Patienten und dem Krankenhausträger. Der Arzt tritt nur als Erfüllungsgehilfe der Krankenanstalt auf. Beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag beschränkt sich der Vertrag mit dem Krankenhausträger auf die Unterbringung, Verpflegung und pflegerische Versorgung, während die ärztlichen Leistungen aufgrund eines besonderen Vertrags mit dem Arzt erbracht werden. Beim totalen Krankenhausaufnahmevertrag mit Arztzusatzvertrag verpflichtet sich das Krankenhaus ebenfalls zur umfassenden Leistungserbringung einschließlich der ärztlichen. Daneben schließt der Patient einen weiteren Vertrag über die ärztlichen Leistungen mit dem behandelnden Arzt (6 Ob 149/18g [Pkt 1.1.] mwH).

1.2. Das Belegarztsystem ist ein typisches Beispiel eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrags (10 Ob 34/10p [Pkt I.2.]). Ein Belegarzt ist in der Regel ein freiberuflicher Arzt, der in keinem Arbeitsverhältnis zum Rechtsträger des Krankenhauses steht und dem von diesem das Recht gewährt wird, seine Patienten in diesem Spital unter Inanspruchnahme der hiefür beigestellten Räume und Einrichtungen zu behandeln. Er ist befugt, diese Patienten im Belegspital zu operieren und, solange eine stationäre Behandlung erforderlich ist, dort nachzubehandeln beziehungsweise vom Spitalspersonal betreuen zu lassen. Ihm wird grundsätzlich auch die Mitwirkung von nachgeordneten Ärzten, Schwestern und Pflegern zugesagt. Soweit dies der Fall ist, unterstehen diese Personen im Rahmen der Behandlung der Patienten, jedenfalls aber im Zug einer vom Belegarzt vorzunehmenden Operation, den Weisungen und Anordnungen des Belegarztes (RS0112629 [T2]).

1.3. Der Belegarzt hat die ihm obliegende Behandlung des Patienten eigenverantwortlich, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchzuführen. Aufgabe des Belegspitals ist es hingegen, den Patienten unterzubringen, zu verpflegen und die für die Durchführung der stationären Behandlung des Patienten durch den Belegarzt erforderlichen Hilfen zur Verfügung zu stellen, soweit dies nicht der Belegarzt selbst besorgt. Die im Belegarztvertrag erkennbare Aufgabenteilung führt gegenüber dem Patienten zu einer entsprechenden Aufspaltung der Leistungspflichten des Belegarztes einerseits und des Belegspitals andererseits (RS0112629 [T4]). Beim Belegarztsystem ist daher davon auszugehen, dass der Belegarzt im Rahmen des Behandlungsvertrags die Behandlung des Patienten, im Regelfall dessen Operation samt Nachbehandlung, und das Belegspital im Sinne eines „gespaltenen“ Krankenhausvertrags die Erbringung der damit verbundenen krankenhausspezifischen Hilfs- und Zusatzdienste einschließlich all dessen, was man als „Hotelkomponente“ bezeichnet, schuldet (RS0112629 [T7]). Der Anstaltsträger haftet nicht für Fehler, welche dem Belegarzt oder den – ihm als Erfüllungsgehilfen (§ 1313a ABGB) zuzurechnenden – Mitgliedern seines Operationsteams während der Operation unterlaufen, ebensowenig für Aufklärungsfehler vor der Operation (vgl 6 Ob 149/18g [Pkt 1.3]; RS0112629 [T3]; Chr. Huber in Schwimann/Neumayr, ABGB‑TaKom4 § 1313a Rz 19; Jesser‑Huß in Resch/Wallner, Handbuch Medizinrecht2 Kap IV Rz 13, 50; Neumayr in Neumayr/Resch/Wallner, GmundKomm Einleitung ABGB Rz 52, je mwH).

1.4. Der Belegarzt steht zwar in der Regel in keinem Arbeitsverhältnis zum Spitalsträger, es kann aber auch ein in einem solchen Arbeitsverhältnis stehender Arzt Belegarzt sein, und zwar dann, wenn er einen Patienten zunächst selbst in seiner Privatordination behandelt, diesen später für die Operation oder für andere Maßnahmen, die eine stationäre Aufnahme erfordern, in das Krankenhaus einweisen lässt und ihn dort selbst weiterbehandelt bzw operiert (8 ObA 41/02s).

1.5. Es ist Sache des Rechtsträgers der Krankenanstalt, durch eindeutige Vertragsgestaltung die Rechtsnatur des Krankenhausaufnahmevertrags (vgl oben Pkt 1.1.) zweifelsfrei zu bestimmen (3 Ob 268/06t; 10 Ob 34/10p [Pkt 1.3.]). Ein schriftlicher Vertrag ist für die Annahme eines gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrags keine zwingende Voraussetzung (6 Ob 149/18g [Pkt 4.2.]).

2. Im vorliegenden Fall suchte der Kläger den Arzt zunächst in dessen Privatordination auf. Der Arzt schlug ihm eine Operation im Spital der Erstbeklagten vor. Für seine Zusage rief der Kläger bei der Erstbeklagten an und vereinbarte den Termin. Bei der Aufnahme unterfertigte der Kläger ein Informationsblatt, in dem an erster Stelle oben festgehalten war, dass die Klinik als Belegkrankenhaus die Räumlichkeiten und die stationäre Versorgung zur Verfügung stelle, während der Eingriff und die Behandlungsdurchführung selbst im alleinigen Verantwortungsbereich des Arztes liege.

2.1. Wenn die Vorinstanzen bei dieser Sachlage zu der rechtlichen Qualifikation gelangt sind, dass ein gespaltener Krankenhausaufnahmevertrag vorliegt, sodass die Operation samt Aufklärung nur vom Arzt und nicht von der Erstbeklagten geschuldet gewesen sei, dann liegt darin keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Die Teilung der Verantwortungsbereiche ging für den Kläger klar aus dem von ihm unterfertigen Informationsblatt hervor. Der Umstand, dass der Kläger den Arzt zunächst in dessen Ordination aufsuchte und mit ihm die Operation besprach, zeigt, dass es dem Kläger gerade auf die Behandlung durch diesen Arzt ankam. Die medizinische Behandlung umfasst therapeutische, diagnostische, prophylaktische und schmerzlindernde Maßnahmen, ohne dass damit zwingend ein Eingriff in die körperliche Integrität verbunden ist (Neumayr in Neumayr/Resch/Wallner, GmundKomm Einleitung ABGB Rz 22). Auch ein Diagnose- und Therapiegespräch, wie es hier am 11. 4. 2016 in der Privatordination von Dr. K*, stattfand, ist damit eine „Behandlung“ im Sinne der Entscheidung 8 ObA 41/02s.

Es liegt keine gemeinnützige Krankenanstalt (§ 16 KAKuG) mit Öffentlichkeitsrecht (§ 17 KAKuG) vor, weshalb sich auch nicht die in der Literatur diskutierte Frage stellt, ob für öffentliche Krankenanstalten eine stationäre Aufnahme nach dem Belegarztsystem überhaupt in Betracht kommt (vgl 10 Ob 34/10p [Pkt I.6.]; Bernat, Keine Haftung des Trägers einer öffentlichen Krankenanstalt für das Verschulden eines unechten Belegarztes? Anmerkungen zu 6 Ob 149/18g, Zak 2019/116 [70]).

2.2. Durch die eindeutige Formulierung des Informationsblattes und die Platzierung der wesentlichen Information über die Aufgabenteilung gleich an dessen Beginn ist die Erstbeklagte auch ihrer Pflicht, die Rechtsnatur des Krankenhausaufnahmevertrags (vgl oben Pkt 1.5.) zweifelsfrei zu bestimmen, nachgekommen. Aufgrund des eindeutigen Erklärungsinhalts spielt es keine Rolle, dass auf dem Formular ein Logo der Erstbeklagten abgebildet war. Das Fehlen schriftlicher Verträge steht nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung der Annahme eines Belegarztfalls durch die Vorinstanzen nicht entgegen.

3. Die angefochtene Entscheidung steht folglich mit der bestehenden Judikatur in Einklang. Mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO war die Revision des Klägers daher zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte