OGH 3Ob230/19y

OGH3Ob230/19y9.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Priv.‑Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun‑Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. E***** E*****gesellschaft mbH, und 2. E***** B*****gesellschaft mbH, *****, beide vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagten Parteien 1. V***** GmbH, *****, und 2. S***** GmbH, *****, beide vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unzulässigkeit einer Exekution (§ 36 EO), über die Rekurse der klagenden Parteien und der beklagten Parteien jeweils gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 12. September 2019, GZ 53 R 177/19i‑42, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 7. Juni 2019, GZ 39 C 8/18b‑37, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00230.19Y.0409.000

 

Spruch:

Die Rekurse werden zurückgewiesen.

Die Kosten der Rekursbeantwortungen werden gegeneinander aufgehoben.

 

Begründung:

Die Erstklägerin ist Errichterin und Eigentümerin eines Einkaufszentrums in *****, das von der Zweitbeklagten betrieben wird. Die Beklagten verwalten bzw betreiben ein Einkaufszentrum in *****.

Im Titelverfahren (nach § 1 UWG) wurde den Klägerinnen (als dort Beklagte) untersagt, Verkaufsflächen ihres Einkaufszentrums mit einer Gesamtfläche von mehr als 41.250 m2 iSd § 32 Abs 2 Sbg ROG 2009 zu betreiben und/oder anzubieten und/oder betreiben zu lassen und/oder anbieten zu lassen.

Aufgrund dieses Titels bewilligte das Erstgericht am 3. Mai 2018 die Exekution und verhängte aufgrund von nachfolgenden Strafanträgen mehrere Geldstrafen wegen Zuwiderhandlungen gegen die Unterlassungsverpflichtung in der Zeit zwischen 21. März 2018 und 12. Juni 2018. Die Beklagten behaupteten dazu jeweils im Wesentlichen gleichlautend, dass sie bei einer Überprüfung der Gesamtverkaufsfläche nach Vollstreckbarkeit des Titels festgestellt hätten, dass die zulässige Gesamtverkaufsfläche in den inkriminierten Zeiträumen im Vergleich zur der Bewilligung zugrunde liegenden Umweltverträglichkeits- (UVP‑)Erklärung überschritten worden sei, weil bei einigen, näher genannten Geschäften Flächen als Verkaufsflächen genutzt worden seien, die in der UVP‑Erklärung nicht oder in geringerem Maß als Verkaufsflächen definiert gewesen seien. Die Gesamtsumme dieser behaupteten zusätzlichen Verkaufsflächen wurde jeweils um zugestandene Verkleinerungen der Verkaufsfläche gegenüber der UVP‑Erklärung (Verkaufsflächenreserve) reduziert und so jene Fläche ermittelt, die die zulässige Gesamtverkaufsfläche überschreite.

In ihrer Impugnationsklage gegen die bewilligte Exekution sowie gegen die Strafbeschlüsse brachten die Klägerinnen zusammengefasst vor, die von den Beklagten behaupteten Überschreitungen der Verkaufsflächen habe es nie gegeben; tatsächlich seien die (in einzelnen, näher bezeichneten Geschäften) laut UVP‑Erklärung vorgesehenen Flächen nicht genauso wie im Bescheid ausgeführt worden, sondern insgesamt nur soweit vergrößert worden, dass sie in der von den Beklagten selbst erwähnten Verkaufsflächenreserve Deckung gefunden hätten. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens habe der Magistrat ***** (in Hinkunft: Verwaltungsbehörde) am 12. November 2018 bescheidmäßig festgestellt, dass die tatsächliche Verkaufsfläche im Einkaufszentrum der Klägerinnen (nur) 40.372,42 m² betrage. Eine „Rückrechnung der Verkaufsflächen“ aufgrund des diesem Bescheid zugrunde liegenden Planstands habe eine Verkaufsfläche von jeweils unter 40.400 m² ergeben.

Die Beklagten wendeten zusammengefasst ein, die Klage sei unzulässig, weil die Klägerinnen die Richtigkeit des Titels anzweifelten und Änderungen der Verkaufsflächen ihres Einkaufszentrums seit dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Titelverfahren gar nicht behaupteten; die Impugnationsklage sei aber kein Mittel, um die inhaltliche Richtigkeit des Exekutionstitels zu überprüfen. Die von den Klägerinnen dargestellten Verkaufsflächen vom April 2018 seien tatsachenwidrig ermittelt worden.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf Feststellungen nur zu den behaupteten Flächenänderungen gegenüber der UVP‑Erklärung und gelangte zu geringeren Flächenüberschreitungen, die in der Verkaufsflächenreserve Deckung fänden. Den Beklagten sei daher der ihnen obliegende Beweis nicht gelungen, dass die Klägerinnen die zulässige Verkaufsfläche im Bezug auf die im Exekutionsantrag sowie in den Strafanträgen konkret bezeichneten Geschäfte bzw deren Flächen überschritten hätten, wobei auch die von den Beklagten selbst zugestandene Verkaufsflächenreserve zu berücksichtigen gewesen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Allein aufgrund des Titelverfahrens, in dem das Unterlassungsgebot nicht an eine bestimmte Überschreitung der (bezifferten) zulässigen Verkaufsfläche geknüpft worden sei, könne noch nicht bindend von einer bestimmten Überschreitung ausgegangen werden; hier sei daher die Tatsachenfrage zu klären, ob die von den Beklagten behaupteten Überschreitungen in den maßgeblichen Zeiträumen vorgelegen seien. Das Erstgericht habe sich – entgegen den Anträgen beider Seiten auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet Vermessungswesen – mit bloßen Zeugeneinvernahmen begnügt, was die Berufung der Beklagten ebenso wie das Unterlassen eines Ortsaugenscheins zutreffend als Mangelhaftigkeit des Verfahrens aufzeige. Die Entscheidung sei daher zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung aufzuheben. Eine Bindungswirkung des (mündlich verkündeten) Bescheids der Verwaltungsbehörde über das tatsächliche Verkaufsflächenausmaß vom 12. November 2018 sei zu verneinen; aus dem Bescheid ergebe sich auch nicht, dass sich dieser auf einen davor liegenden Zeitpunkt beziehe.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs gegen seine Entscheidung mit der Begründung zu, dass sich der Oberste Gerichtshof mit der Frage der Bindungswirkung des Exekutionstitels betreffend das Impugnationsverfahren in einem vergleichbaren Fall noch nicht befasst habe, wobei „dies auch für die Bindungswirkung des später im Verwaltungsverfahren ergangenen Feststellungsbescheids“ gelte. Außerdem stelle sich die Rechtsfrage, „ob der Gegenstand des Impugnationsverfahrens allein durch das Vorbringen von Hilfstatsachen, mit denen die betreibende Partei bereits im Exekutionsantrag die Überschreitung einer zulässigen Verkaufsfläche darstellen will, beschränkt“ werde.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts wendet sich der Rekurs der Klägerinnen wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen, hilfsweise, den Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und diesem eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Beklagten beantragen, den Rekurs der Klägerinnen zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts wendet sich auch der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und die Klage zurück- oder abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen, den Rekurs der Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Beide Rekurse sind entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (RS0043685 [T6]) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Ihre Zurückweisung ist wie folgt kurz zu begründen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

1. Zum Rekurs der Beklagten:

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung steht dem Verpflichteten, der bestreitet, dass der behauptete Sachverhalt rechtlich ein Zuwiderhandeln gegen das titelmäßige Duldungs- oder Unterlassungsgebot darstellt, nur der Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung zur Verfügung. Bestreitet er hingegen, den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt verwirklicht zu haben, kann er sowohl gegen die Exekutionsbewilligung als auch gegen den Strafbeschluss Impugnationsklage nach § 36 Abs 1 Z 1 EO erheben (RS0123123).

Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht – entgegen der Behauptung der Beklagten in ihrem Rekurs – mit dieser Rechtsprechung im Einklang, weil die Klägerinnen die Verwirklichung eines Titelverstoßes zu den maßgeblichen Zeitpunkten auf Tatsachenebene bestritten.

1.2 Die Beklagten argumentieren weiters zusammengefasst, aufgrund der Feststellungen im Titelverfahren zur Überschreitung der zulässigen Verkaufsfläche im Ausmaß von ca 800 m², die die Klägerinnen erfolglos bekämpft hätten, müsse die Impugnationsklage erfolglos bleiben, weil eine titelkonforme Anpassung der Gesamtverkaufsfläche nicht behauptet worden sei.

Die Klägerinnen brachten allerdings ua vor, dass sie gegen das im Titelverfahren ausgesprochene Unterlassungsgebot zu den für die Exekutionsbewilligung und die Strafbeschlüsse maßgeblichen Zeiten tatsächlich nicht verstoßen (und damit den dort behaupteten Sachverhalt nicht verwirklicht) hätten. Nach dem – nicht auslegungsbedürftigen – Spruch des Exekutionstitels sind die Klägerinnen zur Unterlassung der Überschreitung einer konkreten Verkaufsfläche von 41.250 m² iSd § 32 Abs 2 SbgROG verpflichtet. Eine Bindung an die im Titelverfahren getroffene Feststellung zur Überschreitung besteht daher nicht (RS0041285, RS0118570). Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich deshalb beim hier geführten Impugnationsverfahren nicht um eine (unzulässige) inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit des Exekutionstitels, sondern es hat die Beklagte zu beweisen, dass die für das Jahr 2018 behaupteten Titelverstöße vorlagen.

2. Zum Rekurs der Klägerinnen:

2.1 Die Frage einer Bindungswirkung des Bescheids der Verwaltungsbehörde vom 12. November 2018 für die Entscheidung über das von den Klägerinnen erhobene Impugnationsbegehren kann hier dahin gestellt bleiben: Gegenstand der Prüfung im Impugnationsprozess sind die im Exekutionsverfahren behaupteten Zuwiderhandlungen gegen den Titel in der Zeit zwischen 21. März 2018 und 12. Juni 2018. Die „Feststellung“ einer bestimmten tatsächlichen Verkaufsfläche des Einkaufszentrums der Klägerinnen durch die Verwaltungsbehörde rund fünf Monate nach den im Impugnationsprozess maßgeblichen Zeitpunkten kann daher schon aus diesem Grund für die rechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung sein, weil sie keine präjudizielle Vorfrage betrifft.

2.2 Das Berufungsgericht hat ausdrücklich klargestellt, dass eine Feststellung fehle, wie groß die Gesamtverkaufsfläche in der Zeit von 21. März 2018 bis 12. Juni 2018 war, weil Gegenstand des Impugnationsverfahrens die behauptete Überschreitung der Gesamtverkaufsfläche zu diesen Zeitpunkten war, sodass es nicht nur auf die von den Beklagten im Exekutionsantrag und den Strafanträgen genannten Teilflächen (vom Berufungsgericht als Hilfstatsachen bezeichnet) ankomme.

Dieser selbständigen Rechtsansicht, die das Berufungsgericht auch zum Gegenstand seiner Zulassungsbegründung machte, treten beide Parteien in ihren Rekursen nicht substantiiert entgegen, weshalb sie mangels Anfechtung keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof unterliegt (RS0043903 [T2, T6]; 4 Ob 75/19m). Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht – wie hier – zum einen nicht zu beanstanden und wird sie zum anderen nicht bekämpft, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RS0042179 [T22]). Abgesehen davon tragen die Klägerinnen dazu ohnehin nur in dritter Instanz unbeachtliche Überlegungen zu Fragen der Beweiswürdigung vor.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Im Zwischenstreit über die mangels erheblicher Rechtsfrage verneinte Zulässigkeit des Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO findet ein Kostenvorbehalt nach § 52 ZPO nicht statt (RS0123222 [T2, T4]; RS0035976 [T2]). Beide Parteien haben in ihrer Rekursbeantwortung jeweils auf die Unzulässigkeit des von der Gegenseite erhobenen Rekurses hingewiesen. Da die beiderseits verzeichneten Kosten gleich hoch sind, sind die den Parteien im Rekursverfahren erwachsenen Kosten gegeneinander aufzuheben (10 Ob 72/16k mwN).

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