OGH 13Os2/20y

OGH13Os2/20y7.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in der Strafsache gegen Yazan A***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Geschworenengericht vom 3. Oktober 2019, GZ 48 Hv 45/19h‑118, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH‑Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00002.20Y.0407.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Yazan A***** – soweit hier von Bedeutung – aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und des Vergehens der Störung der Totenruhe nach § 190 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 13. Jänner 2019 in W*****

M***** durch Erdrosseln vorsätzlich getötet und deren Leichnam durch Ejakulation auf den Oberkörper verunehrt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Verfahrensrüge wurden durch die Abweisung (ON 117 S 45) der Anträge auf Vernehmung des Emat M*****, der Csilla E***** und der Ruth H***** als Zeugen jeweils zum Beweis dafür, dass der Angeklagte unschuldig ist und das Opfer nicht ermordet hat (ON 117 S 42 f), keine Verteidigungsrechte verletzt.

Nach gefestigter Rechtsprechung muss im Beweisbegehren, soweit dies nicht auf der Hand liegt, angegeben werden, aus welchen Gründen zu erwarten ist, dass die Durchführung des angestrebten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben werde und inwieweit dieses – sofern es nicht offensichtlich ist – für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage von Bedeutung ist (vgl RIS‑Justiz RS0118444, RS0118123, RS0099453 und RS0107040). Die Begründung des Beweisbegehrens muss dabei umso eingehender sein, je fraglicher die Brauchbarkeit des geforderten Verfahrensschrittes im Licht der übrigen Beweisergebnisse ist (RIS-Justiz RS0099453 [T17]). Genügt ein Beweisantrag diesen Anforderungen nicht, so liegt ein unzulässiger Erkundungsbeweis vor. Eine (weitere) Beweisaufnahme ist daher nur dann geboten, wenn sie ein maßgebliches, (hier) den Wahrspruch allenfalls noch zugunsten des Angeklagten beeinflussendes Ergebnis erwarten lässt, das heißt, wenn die gesamte Verfahrenslage eine solche Erwartung stützt (RIS-Justiz RS0099453 [T18]).

Der Verantwortung des Angeklagten zufolge sei M***** ausgerutscht, mit ihrem Hals auf die Lehne einer Parkbank gestürzt, habe sich aufgerichtet, sei dann aber „nach hinten geflogen“, wobei ihre Gesichtsfarbe gelb und ihr Blick „komisch“ gewesen sei. Als sie auf seine Ansprachen nicht mehr reagiert und er am Hals keinen Puls mehr gefühlt habe, sei er in Panik geraten und habe die „Leiche“ fünf bis sechs Meter entfernt abgelegt. Seine durch einen Griff beim Hinaufziehen der Hosen mit Stuhl verschmutzten Finger habe er auf dem Oberschenkel der M***** abgewischt. Anschließend habe er sie unter Blättern versteckt (ON 113 S 6 f).

Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D***** starb M***** infolge Erdrosselns an Atem‑ und Hirnlähmung. Den vom Angeklagten geschilderten Sturz gegen eine Kante schloss der Experte anhand des vorgefundenen Verletzungsbildes als Todesursache aus. Quer über den Hals des Tatopfers fand der Sachverständige eine typische Drosselmarke vor, die er anhand spezifischer Merkmale einem Gürtel zuordnen konnte, der in der Hose des Angeklagten eingezogen war. Der Stuhlabgang im Schrittbereich des Tatopfers sei auf den Erstickungstod durch Erdrosseln zurückzuführen. Der Spurenlage zufolge müsse der Griff in den Schrittbereich des Tatopfers und das darauf folgende Abwischen der Stuhlverschmutzungen am Oberschenkel des Tatopfers daher nach Eintritt des Erstickungstodes durch Erdrosseln erfolgt sein (ON 117 S 5 bis 23).

Zum Zeitpunkt der in der Nichtigkeitsbeschwerde relevierten Antragstellung lag das dem Prozessstandpunkt des Beschwerdeführers nachteilige Gutachten bereits vor. Den Sachverständigen zu befragen hatte der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung Gelegenheit (ON 117 S 17 ff, S 37). Ein Mangel von Befund oder Gutachten wurde nicht behauptet (ON 117 S 23).

Ausgehend von den dargestellten Verfahrensergebnissen wäre im Antrag daher zunächst plausibel zu machen gewesen, weshalb die Täterschaft einer dritten Person überhaupt in Betracht kommen sollte. Der Hinweis auf zwei Aktenvermerke der Landespolizeidirektion Niederösterreich (richtig ON 86 S 27 bis 29 und S 35 bis 37), wonach „Emat M***** die Tat zugegeben“ habe, wird dem nicht im Ansatz gerecht. Hinzugefügt sei, dass die Vermerke bloß die – im Beweisverfahren ohnedies unbestrittenen – Angaben der Csilla E***** und der Ruth H***** wiedergeben, wonach M***** „aus Spaß und zum Provozieren“ (ON 86 S 29) bzw weil er ein „komischer Typ“ sei (ON 86 S 37) geäußert habe, „ich war‘s [nehmt mich fest]“. Das Antragsvorbringen, nach den Aktenvermerken habe M***** gegenüber E***** mehrfach geäußert, M***** getötet zu haben, und überdies deren Mobiltelefon besessen, entfernt sich von der Aktenlage (siehe insbesondere ON 86 S 29 und ON 86 S 37). Persönliche Wahrnehmungen der als Zeugen angebotenen Personen zum Tathergang wurden nicht behauptet.

Die begehrte Einholung eines „ergänzenden SV‑Gutachtens zum Themenkreis Alkoholkonsum des Angeklagten im Zeitraum von rund 2.30 Uhr bis 6.00 Uhr in der Früh des 13. 1. 2019“ (ON 117 S 43) wurde ebenfalls zu Recht abgelehnt (ON 117 S 45 f). Ein den zur angesprochenen Frage eingeholten Gutachten im Sinn des § 127 Abs 3 StGB anhaftender Mangel wurde nämlich vom Antragsteller nicht aufgezeigt. Das bloße Verlangen einer Partei, neue Befunde und

Gutachten abzufordern, um die vom beigezogenen Sachverständigen erbrachten (im Sinne des § 127 Abs 3 StPO mängelfreien) Ergebnisse zu überprüfen, zielt auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung ab (vgl RIS‑Justiz RS0117263 [T18]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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