OGH 20Ds5/19v

OGH20Ds5/19v3.3.2020

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 3. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Mitterlehner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Ondreasova als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 8. Juli 2019, AZ D 36/18, 6 Dv 6/19, TZ 46, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl und des Kammeranwalts Mag. Kammler zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0200DS00005.19V.0303.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße in Höhe von 3.500 Euro verurteilt.

Danach hat er, nachdem sein als rechtsfreundlicher Vertreter von M***** mit Schreiben vom 13. Dezember 2017 an die R***** gestelltes Anbot eines außergerichtlichen Ausgleichs mit einer Quote von 1,5 % bei einer Gesamtschuld von etwa 235.000 Euro abgelehnt worden war, den Übergabsvertrag vom 21. März 2018 errichtet und im Grundbuch des Bezirksgerichts ***** durchgeführt, mit dem die im Alleineigentum des M***** stehende Liegenschaft EZ *****, an dessen Bruder D***** gegen Zahlung eines Barbetrags von 50.000 Euro und Einräumung eines lebenslangen Wohnungsrechts übertragen wurde, womit M***** diese Liegenschaft, die einen wesentlichen Bestandteil seines Vermögens bildete, dem (direkten – vgl ES 15 ff) Zugriff der Gläubigerin R***** entzog.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die rechtzeitige (ON 5 der Ds‑Akten) Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS‑Justiz RS0128656 [T1]).

Der Gerichtstag hierüber wurde in Abwesenheit des unentschuldigt ferngebliebenen Rechtsmittelwerbers abgehalten.

Ein Verhalten eines Rechtsanwalts ist auch dann als Verletzung einer Berufspflicht und/oder als Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes zu werten, wenn zwar gegen kein ausdrückliches gesetzliches Verbot verstoßen wurde, der damit verfolgte Zweck aber zu Ergebnissen führt, die dem Rechtsgefühl der Rechtsgemeinschaft und der darin fußenden gefestigten Standesauffassung widerstreiten (RIS‑Justiz RS0113692; Lehner in Engelhart et al, RAO10 § 1 DSt Rz 44). An solcherart bedenklichen Rechtsgeschäften dürfen Rechtsanwälte nicht mitwirken (RIS‑Justiz RS0055890).

Dem Schuldspruch liegt zu Grunde, dass der Beschuldigte – zumindest bedingt vorsätzlich (ES 22) – an einem bedenklichen Rechtsgeschäft mitwirkte, indem durch den von ihm verfassten Übergabsvertrag das einzige dem M***** noch verbliebene Vermögen in Form einer in dessen Alleineigentum stehenden Liegenschaft (wenn auch ein Hälfteanteil derselben mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten dessen Mutter belegt war), dem (direkten) Zugriff der Darlehensgeberin R*****, entzogen wurde (ES 10 f, 12), die erst in einem Anfechtungsprozess (vergleichsweise) eine teilweise Rückführung der Kreditvaluta erlangte (ES 20).

Gegen diese entscheidenden Feststellungen weckt die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld keine Bedenken, wenn sie (erkennbar) gegen die Annahme argumentiert, dem Beschuldigten sei bei Errichtung des Übergabsvertrags das auffallende Missverhältnis zwischen dem Verkehrswert der Liegenschaft und dem vereinbarten Übergabspreis bekannt gewesen (ES 26), die Befriedigungstauglichkeit der betreffenden Liegenschaft (im Sinne der Anfechtungsordnung) bestreitet und Spekulationen zu deren mangelnder Verwertbarkeit anstellt (deren Realitätswert mit dem tatsächlichen Geschehen konfligiert).

Soweit der Berufungswerber aus der Einholung eines Sachverständigengutachtens vor Vertragserrichtung ableitet, dass er „in subjektiver Hinsicht“ weder Berufspflichten noch die Ehre und das Ansehen des Standes verletzen „wollte“, verkennt er, dass ihm absichtliches Handeln (§ 5 Abs 2 StGB) gar nicht angelastet wird.

Der Einwand (Z 9 lit a) des Vorwurfs der „Beteiligung an einem strafrechtlichen Verhalten in Form der Beitragstäterschaft“ trotz Einstellung des Ermittlungsverfahrens (wegen §§ 12 zweiter Fall, 156 StGB [ES 21]) durch die Staatsanwaltschaft geht am Schuldspruch wegen Mitwirkung an einem bedenklichen Rechtsgeschäft vorbei. Im Übrigen hindert die Verneinung strafrechtlicher Tatbestandsmäßigkeit weder die Annahme einer dennoch erfolgten Beeinträchtigung des Standesansehens (RIS‑Justiz RS0120122 [T2]) noch einer – keinesfalls zwingend in einer gerichtlich strafbaren Handlung liegenden – Verletzung von Berufspflichten (§§ 9 Abs 1, 10 Abs 2 RAO; Lehner in Engelhart et al, RAO10 § 1 DSt Rz 9).

Der Berufung wegen Schuld war daher – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – nicht Folge zu geben.

Auch die implizierte (§ 49 letzter Satz DSt) Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist nicht berechtigt. Die mit 3.500 Euro bemessene Geldbuße ist in Anbetracht des Umstands, dass der Beschuldigte zu seinen Einkommensverhältnissen keine konkreten Angaben machte, und aufgrund sowohl der Schwere der Disziplinarvergehen als auch der breiten Öffentlichkeit, der es (im Anfechtungsprozess und im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren) bekannt wurde, schuld- und tatangemessen; dies selbst unter Berücksichtigung bisheriger Unbescholtenheit und rund viermonatiger einstweiliger Maßnahme nach § 19 Abs 3 Z 1 lit b DSt (§ 19 Abs 7 DSt).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.

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